Ruppenthal, Jens: Raubbau und Meerestechnik – Die Rede
von der Unerschöpflichkeit der Meere; Stuttgart, 2018; Franz Steiner Verlag;
Historische Mitteilungen der Ranke Gesellschaft – Beihefte Band 100;
Hardcover, 293 Seiten; ISBN 978-3-51512-121-7; Preis 56,00 Euro
2016 hat Meereshistoriker Jens Ruppenthal – derzeit tätig am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven – in Köln bei Jürgen Elvert (1) eine Habilitationsschrift eingereicht unter dem Titel „Meeresnutzung contra Raubbau. Marine Ressourcen in deutschen und internationalen Debatten“. Unter teilweiser Aktualisierung von Inhalten und Quellen entstand daraus das vorliegende Buch. Und es ist durchaus als inhaltliche Positionierung zu sehen, dass Ruppenthal diesem Werk einen wertenderen Titel gegeben hat: Hier schreibt einer ausdrücklich über die Verwundbarkeit des Meeres.
Es ist ein geschichtswissenschaftliches Werk, dessen Anfänge über die „Wahrnehmung“ des Meeres für Umweltschutzpraktiker zwar interessanten Erkenntnisgewinn bringen, für die politische Auseinandersetzung – Ressourcennutzung, „blaue Ökonomie“, Biodiversität etc. – aber von eher sekundärem Interesse sein dürften. Das ändert sich schnell, wenn Ruppenthal etwa das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) beleuchtet: Hier finden sich Details und Quellen, die in der aktuellen Debatte um eine eventuelle Ausweitung von UNCLOS oder um künftige Meeresgovernance mehr als hilfreich sind. Auch liefern sie handfeste Argumente gegen ausbeuterisch motivierte, politische Angriffe auf dieses (seit Inkrafttreten) soeben 25 Jahre alt gewordene völkerrechtlich herausragende Vertragswerk.
Im Hauptteil seiner Arbeit konzentriert sich Ruppenthal exemplarisch auf zwei Aspekte des marinen Raubbaus im krassen Widerspruch zum lange unausrottbar scheinenden Märchen von der Unerschöpflichkeit: Zum einen behandelt er als Blick auf eine handfeste Entwicklungsgeschichte die (vorwiegend) deutsche Fischereiwirtschaft von der (vorwiegend) Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute. Zum anderen schildert er detailliert eine Historie ganz anderer Art, die in gewisser Weise als Machbarkeitswahn begann und bis heute nicht wirklich begonnen worden ist: die Utopie vom Meeresbergbau bis in die hochsensible Tiefsee.
Das Fischerei-Kapitel kombiniert marine Umwelt- und Wirtschafts- mit Kultur- und Mediengeschichte und stellt – ohne Daten etwa über Fangquoten oder Bestandszahlen – die Gier nach Ressourcenausbeutung der Entwicklung von Forschung, Expertenwissen und Fangtechnik einerseits und von der Veränderung öffentlichen Bewusstseins über die Grenzen des Machbaren einander gegenüber. Der Abschnitt über den Meeresbergbau ist in gewisser Weise vergleichbar strukturiert: Das beginnt bei den Utopien über das Verhältnis von Weltall und Ozean – outer space / inner space. Das setzt sich fort in den Machbarkeitsphantasien der 1960er Jahre zwischen Rohstoffpolitik und großtechnischer Aufrüstung, dann im Zerren um das Entstehen von UNCLOS. Und es endet bei den aktuellen Widersprüchen: hier Gier und „Goldgräberstimmung“, dort Machbarkeitsskepsis und Mahnung vor Verwundbarkeit.
Ruppenthals Buch mag für Umweltschutzpraktiker nicht in allen Teilen bedeutend sein – es ist aber sehr gut lesbar und wegen seines detaillierten Faktenreichtums wertvoll.
Burkhard Ilschner
Anmerkungen:
1. siehe WATERKANT, Jg. 33, Heft 3 (September 2018), Seite 22.