Ein anderes Meer ist möglich!

Erklä­rung der Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Zivil­ge­sell­schaft­li­chen Kon­fe­renz zum Euro­päi­schen Tag des Mee­res 2014

17. Mai 2014

Für eine gerech­te und umwelt­scho­nen­de Mee­respo­li­tik sind die fol­gen­den For­de­run­gen vordringlich:

Ende der Überfischung

Trotz immer zer­stö­re­ri­sche­rer Fang­tech­ni­ken sinkt die Men­ge des glo­bal gefan­ge­nen Fischs, weil die Bestän­de unter der Über­fi­schung zusam­men­bre­chen. Der Preis dafür ist der Ver­lust an Sta­bi­li­tät der mari­nen Öko­sys­te­me, an hand­werk­li­cher Fische­rei und Ernäh­rungs­si­cher­heit in den Län­dern des Südens.

Wir wol­len eine umfas­sen­de Reform der Fische­rei hin zur Nach­hal­tig­keit. Wir for­dern Fang­quo­ten nach dem Prin­zip des „maxi­mum sus­tainable yield“ (MSY) auf der Basis des Vor­sor­ge­prin­zips und öko­sys­te­ma­rer Ansät­ze. Fang­men­gen dür­fen allein nach wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en fest­ge­legt wer­den. Eben­so wich­tig ist der Abbau schäd­li­cher Sub­ven­tio­nen bis 2020, die umwelt­schäd­li­che Fische­rei­tech­no­lo­gien und Fische­rei­me­tho­den fördern.

Unter ande­rem gilt es ein Ver­bot für Tiefsee- und Boden­schlepp­net­ze umzu­set­zen und in die­sem Kon­text die ent­spre­chen­den UNGA-Resolutionen, wel­che unter ande­rem Boden­schlepp­net­ze auf See­ber­gen ver­bie­ten, zu unter­stüt­zen. 2030 muss in einem zwei­ten Schritt eine Bewirt­schaf­tung der Bestän­de von 20 Pro­zent unter dem MSY eta­bliert wer­den, um damit die ille­ga­le Fische­rei mit in die Berech­nun­gen ein­zu­be­zie­hen, den Schutz der mari­nen Bio­di­ver­si­tät zu berück­sich­ti­gen sowie natür­li­chen Bestands­schwan­kun­gen bes­ser Rech­nung zu tragen.

Anstel­le des domi­nie­ren­den Zugriffs der Indus­trie­län­der und der indus­tri­el­len Fang­flot­ten auf die welt­wei­ten Fisch­be­stän­de for­dern wir par­al­lel zum Abbau in den Indus­trie­län­dern die Ent­wick­lung eigen­stän­di­ger Fischerei-Kapazitäten im glo­ba­len Süden bis 2020 zur Sicher­stel­lung des Rechts auf Nah­rung und ein Umschwen­ken auf die Bevor­zu­gung der hand­werk­li­chen Fische­rei bei struk­tu­rel­len Ent­schei­dun­gen. Die Ver­ga­be von Fische­rei­li­zen­zen an Fang­flot­ten in den AWZ von Län­dern, in denen die Ernäh­rungs­si­cher­heit gefähr­det ist, darf nur nach einer unab­hän­gi­gen, wis­sen­schaft­li­chen Bestim­mung eines ent­spre­chen­den Über­schus­ses und trans­pa­ren­ten sowie par­ti­zi­pa­ti­ver Mecha­nis­men erfol­gen. Dazu sind ent­spre­chend des See­rechts­über­ein­kom­mens bis 2020 flä­chen­de­ckend „Regio­nal Fishe­ries Manage­ment Orga­ni­sa­ti­ons“ (RFMOs) auf­zu­bau­en, die alle Fisch­fang­na­tio­nen ein­bin­den. In die­sem Kon­text muss auch die Bekämp­fung der ille­ga­len Fische­rei kon­se­quent umge­setzt werden.

Mee­res­schutz ausbauen

Wir wol­len die Aus­wei­tung der Mee­res­schutz­ge­bie­te im offe­nen Meer und an der Küs­te. Die For­de­rung der „Biodiversitäts-Konvention“ (CBD) im Stra­te­gi­schen Plan nach zehn Pro­zent Mee­res­schutz­ge­bie­ten im offe­nen Meer und an der Küs­te bis 2020 ist als Mei­len­stein einer neu­en Zukunfts­agen­da zu set­zen. Bis 2030 soll sich die Flä­che der Mee­res­schutz­ge­bie­te auf 20 Pro­zent ver­grö­ßert haben.

Mee­res­schutz­ge­bie­te müs­sen unter Berück­sich­ti­gung von Trans­pa­renz und natur­schutz­fach­li­chen Grund­la­gen fest­ge­legt wer­den. Die Schutz­ge­bie­te müs­sen auf einem aus­rei­chend finan­zier­ten Manage­ment beru­hen, das auf einer par­ti­zi­pa­to­ri­schen und gerech­ten Grund­la­ge fußt, die Rech­te der loka­len Bevöl­ke­rung berück­sich­tigt sowie Betrof­fe­ne in die Umset­zung der gebiets­spe­zi­fi­schen Schutz­zie­le und -regeln ein­be­zieht. Schutz­ge­bie­te sol­len aus­rei­chend gro­ße unge­nutz­te Flä­chen (Null­nut­zungs­zo­nen) ent­hal­ten. Für die euro­päi­schen Gewäs­ser bedeu­tet dies min­des­tens 50 Prozent.

Eben­falls berück­sich­tigt wer­den muss ein voll­stän­di­ger Aus­schluss von Fische­rei­tech­ni­ken aus Schutz­ge­bie­ten, die zum Bei­fang von Mee­res­säu­gern und ande­ren Nicht­ziel­ar­ten füh­ren und Lebens­räu­me zer­stö­ren – allen vor­an Grund­schlepp­netz­fi­sche­rei und Stell­net­ze. Die Redu­zie­rung von Bei­fang muss in der Fische­rei eines der obers­ten Zie­le sein, ent­spre­chend geför­dert und durch selek­ti­ve Fang­tech­ni­ken umge­setzt und dies auch kon­trol­liert werden.

Der Pro­zess um ein „Imple­men­ting Agree­ment on Mari­ne Bio­di­ver­si­ty of the High Seas“ im Rah­men des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) muss zu einem erfolg­rei­chen Abschluss gebracht wer­den. Mee­res­schutz muss auch auf dem Mee­res­bo­den eta­bliert wer­den. Auf der Hohen See und dem Mee­res­bo­den soll ein umfas­sen­des Netz­werk von Schutz­ge­bie­ten errich­tet werden.

Eigen­stän­dig sicher­ge­stellt wer­den müs­sen im Rah­men des Mee­res­schut­zes der Arten­schutz und der Erhalt der Bio­di­ver­si­tät. Wesent­li­che Schrit­te hier­zu sind das Ver­bot des Fangs und der Tötung von Walen und Del­fi­nen, ein Ver­bot des Fin­nings von Hai­en, eine Ein­däm­mung des ille­ga­len Han­dels mit Mee­res­tie­ren und des Bei­fangs von See­vö­geln und ande­ren Meeresbewohnern.

Damit der Mee­res­um­welt­schutz eine Chan­ce hat, muss die Ver­saue­rung und Erwär­mung der Mee­re durch den Kli­ma­wan­del ein­ge­dämmt wer­den. Eine kon­se­quen­te Umset­zung der Ver­ein­ba­run­gen zum Kli­ma­schutz ist hier­für die Voraussetzung.

Über die Mee­res­schutz­ge­bie­te hin­aus ist für alle Mee­re das Ziel eines Guten Umwelt­zu­stan­des im Sin­ne der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu verfolgen.

Schluss mit der Vermüllung

Die Müll­ein­trä­ge ins Meer sol­len bis 2020 um min­des­tens 50 Pro­zent redu­ziert wer­den, in Anleh­nung an den zu errei­chen­den Guten Umwelt­zu­stand nach der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Bis spä­tes­tens 2035 muss das Pro­blem der „Müll­kip­pe Meer“ end­gül­tig gelöst sein, das heißt, der Ein­trag muss auf Null redu­ziert wer­den. Um den Ein­trag von Land zu ver­rin­gern, müs­sen effek­ti­ve Maß­nah­men im Bereich der Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz, des Pro­dukt­de­signs und der Abfall- und Recy­cling­wirt­schaft in enger Zusam­men­ar­beit mit dem Umwelt­pro­gramm der Ver­ein­ten Natio­nen ent­wi­ckelt und mit den regio­na­len Mee­res­schutz­über­ein­kom­men vor­an­ge­trie­ben wer­den. Die 2011 ver­ab­schie­de­te „Honolulu-Strategie“, die „Mes­sa­ge from Ber­lin“ (2013) und die auf der Rio+20-Konferenz begrün­de­te „UN-Partnership on Mari­ne Lit­ter“ sol­len vor­an­ge­trie­ben werden.

Tief­see unan­ge­tas­tet lassen

Wir for­dern ein inter­na­tio­na­les Mora­to­ri­um für den Abbau von Erzen aus der Tiefsee.

Wir for­dern die Durch­set­zung eines inter­na­tio­na­len Ver­bots zur För­de­rung von Öl und Gas aus der Tief­see und der Ark­tis bis 2020. Die Ölför­de­rung in der Tief­see (ab 200 Meter) und in der Ark­tis ist beson­ders ris­kant, wie sich beim Unter­gang der „Deep­wa­ter Hori­zon“ bereits gezeigt hat. Unter der Berück­sich­ti­gung von öko­lo­gi­schen, sozia­len und öko­no­mi­schen Kri­te­ri­en müs­sen statt­des­sen alter­na­ti­ve Roh­stoff­stra­te­gien ent­wi­ckelt wer­den, die vor­ran­gig auf eine Ein­spa­rung und ein effek­ti­ves Recy­cling setzen.

Ver­stärkt geför­dert wer­den muss die wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen­for­schung zur Öko­lo­gie der Tief­see. Von vorn­her­ein muss der Abbau von Methan aus der Tief­see auf­grund der extrem kli­ma­trei­ben­den Aus­wir­kun­gen des Gases ver­bo­ten wer­den, eben­so die Ein­la­ge­rung von CO2 in der Tief­see, auf­grund des gro­ßen Gefah­ren­po­ten­ti­als die­ser Technologien.

Menschen- und Arbeits­rech­te auf See durchsetzen

Die Ret­tung von Men­schen aus See­not, eines der ältes­ten Geset­ze auf See, muss ver­bind­lich durch­ge­setzt wer­den. Obwohl sie im See­rechts­über­ein­kom­men der UN, in der „Inter­na­tio­nal Con­ven­ti­on for the Safe­ty of Life at Sea“ (SOLAS) und der „Inter­na­tio­nal Con­ven­ti­on on Mari­ti­me Search and Res­cue“ der „Inter­na­tio­nal Mari­ti­me Orga­niza­ti­on“ (IMO) ver­an­kert ist, wird sie immer öfter miss­ach­tet, vor allem wenn es um die See­not­ret­tung von Flücht­lin­gen geht.

Bil­lig­flag­gen müs­sen abge­schafft wer­den. Die Aus­flag­gung von Schif­fen dient all­zu oft der Aus­he­be­lung von Arbeits-, Umwelt- und Men­schen­rech­ten auf See. Ent­spre­chend der International-Transport-Workers’-Federation-Initiative von 1948 muss bis 2020 ein inter­na­tio­na­les Ver­trags­werk rati­fi­ziert wer­den, das die Flag­ge an die Natio­na­li­tät bezie­hungs­wei­se den Wohn­sitz der Eigen­tü­mer bin­det und dadurch eine bes­se­re Kon­trol­le der Abläu­fe und Ver­ant­wort­lich­kei­ten an Bord erlaubt.

Gene­rell gilt es die Ein­hal­tung von Menschen-, Arbeits- und Sozi­al­rech­ten auf See, ein­schließ­lich Offshore-Anlagen und Häfen, auf Werf­ten und bei der Abwra­ckung von Schif­fen kon­se­quent zu kon­trol­lie­ren. So ist bei­spiels­wei­se die Umge­hung von Umwelt- und Sozi­al­rech­ten in der mari­ti­men Wirt­schaft durch die Aus­la­ge­rung von Schiffs­ab­wra­ckun­gen zu unter­bin­den. Ins­be­son­de­re muss Wert dar­auf gelegt wer­den, Kon­trol­len (Hafen­staat) zur Umset­zung und Ein­hal­tung der „Mari­ti­me Labor Con­ven­ti­on“ von 2006, die ab dem 20. August 2014 welt­weit gel­ten wird, durchzuführen.

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Die Kon­fe­renz wur­de ver­an­stal­tet von:

  • Bre­mer ent­wick­lungs­po­li­ti­sches Netzwerk
  • Brot für die Welt - Evan­ge­li­scher Entwicklungsdienst
  • Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutschland
  • Bun­des­ver­band Bür­ger­initia­ti­ven Umweltschutz
  • Deep­wa­ve e. V.
  • Deut­sche Seemannsmission
  • IntKom/Fair Oce­ans
  • För­der­kreis WATERKANT e. V.
  • Forum Umwelt und Entwicklung
  • Green­peace
  • med­ico international
  • Natur­schutz­bund Deutschland
  • Robin Wood
  • Ship­b­rea­king Platform
  • Slow Food Deutschland
  • Inter­na­tio­nal Trans­port Workers‘ Fede­ra­ti­on / ver.di
  • Wha­le and Dol­phin Conservation
  • World Wide Fund For Nature