Noch mehr akute Warnsignale – Rezension

Lozán, José L.; Rachor, Eike; Rei­se, Kars­ten; Sün­der­mann, Jür­gen; Wes­tern­ha­gen, Hein v. (Hrsg.): Warn­si­gna­le aus Nord­see und Wat­ten­meer – eine aktu­el­le Umwelt­bi­lanz; Bro­schur, 448 Sei­ten;
Selbst­ver­lag „Wis­sen­schaft­li­che Aus­wer­tun­gen“ in Koope­ra­ti­on mit „GEO“-Magazin; Ham­burg 2003,
ISBN 3-0001-0166-7; Preis 25 Euro

Der Auf­wand ist beträcht­lich – und beacht­lich: Mehr als 120 Exper­ten aus Wis­sen­schaft, Insti­tu­ten und Ver­bän­den haben an die­ser aktu­el­len Aus­ga­be der „Warnsignale…“-Reihe mit­ge­ar­bei­tet. Wer die Serie nicht kennt, hat etwas ver­passt. Seit Anfang der neun­zi­ger Jah­re erscheint alle paar Jah­re ein wei­te­rer Band – Warn­si­gna­le aus der Nord­see (1990), aus dem Wat­ten­meer (1994), aus der Ost­see (1996), aus Flüs­sen und Ästua­ren (eben­falls 1996). All die­sen Wer­ken – und auch der hier vor­zu­stel­len­den neu­es­ten Aufsatz-Sammlung – gemein­sam ist ihr hoher Anspruch: Immer geht es um einen mög­lichst viel­sei­ti­gen Über­blick über den Stand der öko­lo­gi­schen Belas­tun­gen, über die Ent­wick­lung der ver­schie­de­nen Nut­zungs­for­men, über lau­fen­de oder jüngs­te Monitoring- und Mess­pro­gram­me, über deren Aus­wer­tun­gen – und über die Leh­ren, die dar­aus zu zie­hen sind. „Viel­sei­tig“ – die­ser Begriff ist beson­ders zu beto­nen: Nie rekla­mie­ren Her­aus­ge­ber oder AutorIn­nen für sich das von ande­ren Wer­ken ger­ne benutz­te Eti­kett, „voll­stän­dig“ zu sein. Dafür sind sie – meis­tens – viel zu ver­sier­te Exper­ten und wis­sen, dass das nicht geht.

Als vor 13 bezie­hungs­wei­se neun Jah­ren die ers­ten „Warn­si­gna­le“ aus der Nord­see­re­gi­on publi­ziert wur­den, wur­de in der Dis­kus­si­on über die­se Bücher ger­ne Bezug genom­men auf das Nordsee-Gutachten des Sachverständigen-Rates der Bun­des­re­gie­rung (1980/81); es gel­te, so hieß es hier und da, das Daten­ma­te­ri­al der dama­li­gen Sach­ver­stän­di­gen zu aktua­li­sie­ren, um die Debat­te über den Schutz des Mee­res mit dem inzwi­schen fort­ge­schrit­te­nen Stand der Wis­sen­schaft zu syn­chro­ni­sie­ren. So gese­hen, ist die Ent­schei­dung der „Warnsignale“-Herausgeber, jetzt wie­der die neu­es­ten Erkennt­nis­se zusam­men­zu­tra­gen (und, wie das Buch zeigt, oft mit den frü­he­ren Daten zu ver­glei­chen), mehr als gerecht­fer­tigt. Aber auch neue Aspek­te fan­den Ein­gang in die­ses Werk, bei­spiels­wei­se die Dis­kus­si­on um Offshore-Windparks oder die Pro­ble­ma­tik des stän­di­gen Häfen-Ausbaus durch anhal­ten­de Städte-Konkurrenz.

Kon­se­quent fort­ge­setzt wur­de die publi­zis­ti­sche Linie, kein Werk für jedermann/jedefrau auf den Markt zu wer­fen. Zwar rich­ten sich die Her­aus­ge­ber ihrer eige­nen Dar­stel­lung nach „an einen gro­ßen Inter­es­sen­ten­kreis“, schrän­ken dies aber von selbst ein mit der Fest­stel­lung, gemeint sei­en „beson­ders Stu­die­ren­de, Leh­rer, Wis­sen­schaft­ler sowie Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen“. Soll hei­ßen: Um das aktu­el­le Buch zu ver­ste­hen, sind ein paar Grund­kennt­nis­se über das Meer und sei­nen Zustand schon ange­bracht, sonst wird es gele­gent­lich schwie­rig; nicht immer wer­den alle benö­tig­ten Basis­in­for­ma­tio­nen auch ver­ständ­lich mit­ge­lie­fert, son­dern eher ein Stück weit als bekannt vorausgesetzt.

Ein Wer­muts­trop­fen aller­dings darf nicht ver­schwie­gen wer­den: Wäh­rend die frü­he­ren „Warnsignale“-Ausgaben alle­samt pro­fes­sio­nell bei der Ver­lags­grup­pe Blackwell/Parey erschie­nen sind, ist das aktu­el­le Werk im Selbst­ver­lag erstellt – und dabei allem Anschein nach auch selbst, das heißt: von typo­gra­phi­schen Lai­en, lay­outet wor­den. Offen­bar haben die Her­aus­ge­ber geglaubt, moder­ne Umbruch­pro­gram­me könn­ten das Know­how sorg­fäl­tig geschul­ter Fach­kräf­te der Druck­in­dus­trie in der Buch­ge­stal­tung pro­blem­los erset­zen. Denks­te! Das Erschei­nungs­bild des Buches beweist das Gegen­teil, es ist punk­tu­ell etwas unüber­sicht­lich; so etwa, wenn hier auf eine Tabel­le ver­wie­sen wird, die dort, fünf Sei­ten wei­ter, erst erscheint; oder wenn Gra­fi­ken, Tabel­len und sogar eini­ge Text-Teile mun­ter quer durch alle Sti­le for­ma­tiert oder beschrif­tet sind, wenn Schwarzweiß- und Farb­druck eben­so unsys­te­ma­tisch gemixt wer­den wie die Schreib­wei­sen man­cher Fach­be­grif­fe. Schus­ter, bleib‘ bei Dei­nem Leis­ten! Schade.

Übri­gens, „Warn­si­gna­le aus Nord­see und Wat­ten­meer“ ist zugleich auch ein Kongress-Reader: Vom 31. März bis 2. April die­ses Jah­res tagt in Ham­burg das Sym­po­si­um „Warn­si­gna­le aus dem Meer“, zu dem die­ses Buch eine Art Leit­fa­den und Mate­ri­al­samm­lung dar­stellt, und auf dem etli­che der AutorIn­nen und Her­aus­ge­ber ihre aktu­el­len Erkennt­nis­se vor­stel­len und dis­ku­tie­ren wol­len. (-bi-)