Liedtke, Rüdiger: Wem gehört die Republik 2005 – Die Konzerne und ihre Verflechtungen in der globalisierten Wirtschaft; aktuelle und überarbeitete Neuausgabe, broschiert, 509 Seiten; Eichborn-Verlag, Frankfurt/Berlin 2004; ISBN 3-8218-5591-6; Preis 24,90 Euro.
Der Kölner Journalist Rüdiger Liedtke hatte vor mittlerweile 15 Jahren einen richtig guten ”Riecher”, als er sein Nachschlagewerk über die Machtverhältnisse und Verflechtungen in der Wirtschaft konzipierte. ”Wem gehört die Republik” ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, der in keinem Bücherschrank politisch aktiver Menschen fehlen sollte.
Geschichte und Entwicklung der großen Konzerne, Besitzverhältnisse und Beteiligungen werden ebenso aufgelistet wie die aktuellen Strategien ihres Managements. Auch ein Blick in die Arbeitswelt fehlt nicht, die Rubrik ”Betriebliche Bündnisse” gibt Aufschluss über Arbeitszeit- und Bezahlungsmodelle, Tariftreue und Ausbildungsstandards. Schließlich liefert Liedtke auch noch Überblicke über Forschungs- und Innovationskonzepte und analysiert die Leistungen der Unternehmenslenker an Hand eines Management Rankings. Statistiken über Umsätze und Gewinne, Personalkennzahlen oder Vorstandsbezüge runden die Informationspakete ab.
All dies präsentiert Liedtke – wer frühere Ausgaben kennt, weiß das – nicht als trockene Datensammlung. Der Stil des Kölners zeigt, dass er gewohnt ist, für Menschen zu schreiben, um sie – in Maßen unterhaltsam – zu informieren und zu bilden. Und oft hält er auch mit seiner persönlichen Meinung nicht zurück, gibt der gekonnten Aufbereitung an sich trockener Daten dadurch einen Hauch von Engagement, der packend wirkt. Gelegentlich wird er sogar ganz leicht kritisch, etwa mit Sätzen (aus dem Vorwort) wie: “Dazu kommt die hemmungslose Selbstbedienungsmentalität in den Chefetagen, während der Reallohn der Arbeitnehmer weiter sinkt”. Trotzdem sorgen die klare Struktur der einzelnen Firmenkapitel sowie das sehr umfangreiche Stichwortregister (46 Seiten!) dafür, dass dem Buch der Charakter des jederzeit und schnell einsetzbaren Nachschlagewerks nie verloren geht.
Im Vergleich verschiedener Jahrgänge des Klassikers lässt sich gut verfolgen, wie bestimmte Konzerne und Branchen sich im Laufe der Zeit entwickeln: Hier fehlen Namen, die vor wenigen Jahren noch große waren, dort kommen neue hinzu, dann wieder geht es um Fusionen, die einst prominente Akteure unter frischem Label wieder auftauchen lassen. Und weil Liedtke nicht nur die traditionellen deutschen Unternehmen (mit ihren weltweiten Aktivitäten), sondern zunehmend auch im hiesigen Markt engagierte ausländische Konzerne unter seine bewährte Lupe nimmt, entsteht letztlich ein Lexikon der Globalisierung.
Allerdings: Gerade Letzteres ist eine Mammut-Aufgabe, die angesichts der Komplexität des Wirtschaftsgeschehens in einem Deutschland als Teil einer rapide wachsenden Europäischen Union nicht auf Anhieb gelingen kann. Und so fallen denn dem engagierten Bewohner der Nordsee-Region sogleich ein paar Lücken auf, die sozusagen schon heute auf die nächste, wiederum erweiterte Auflage warten lassen: Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) beispielsweise, Mutter des Airbus-Konzerns, findet nur als Randnotiz bei DaimlerChrysler statt; Schiffbau und Schifffahrt sind nur erwähnt, soweit die entsprechenden Firmen nicht eigenständige Ableger größerer Konzerne sind (Hapag-Lloyd bei TUI, Blohm & Voss bei ThyssenKrupp etc.), für den Logistik-Bereich gilt dasselbe, Häfen fehlen völlig. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…
Und dann wäre da noch eine Anregung aufzuschreiben: In Zeiten, da Umweltschutz zunehmend monetarisiert und Umweltbelastungen börsennotiert handelbar werden, wäre es für Autor und Verlag vielleicht eine Überlegung wert, die Struktur der einzelnen Firmen-Kapitel um eine Rubrik “Ökobilanz” zu erweitern. (-bi-)