Schmidt, Olaf: Friesenblut; Roman; Eichborn Verlag, Berlin 2006; ISBN 3-8218-0770-9; Preis 19,90 Euro
Eines ist mal sicher: Die spinnen, die Insulaner! – Diese Aussage gilt sowohl für den Autoren dieses Romans als auch für seine Figuren. Olaf Schmidt, so ist zu lesen, stammt von der Insel Föhr, hat dort lange gelebt und ist dann in die große, weite Welt gezogen (Tübingen, Amsterdam, Leipzig). Und nun schreibt er einen Roman über Föhr, der die unterschiedlichsten, ja, teilweise gegensätzliche Kriterien unter einen Hut bringt: Dieser Roman ist auf durchgeknallte Weise amüsant, er ist spannend und lehrreich – und er ist eine Liebeserklärung an Insulaner, Inseln und die sie umgebende Nordsee.
Der berühmte rote Faden dieses Romans ist schnell abgespult: Es gab mal einen Schulmeister und Maler auf Föhr, der hieß Oluf Braren und lebte von 1787 bis 1839. Die Geschichte beginnt im Jetzt mit der Rückkehr eines Insulaners nach Föhr: Der Mann ist Kunsthistoriker, promoviert über Braren und wird von einem Freund gerufen, weil ein verschollen geglaubtes Gemälde Brarens wieder aufgetaucht sein soll. Aus dieser Rückkehr und der Suche nach dem sogleich wieder mysteriös verschwundenen Bild entwickelt Olaf Schmidt mit sprachlicher Eleganz ein vielschichtiges Porträt der Insel Föhr, ihrer Geschichte und etlicher Eigenheiten ihrer Bewohner.
Schmidt springt dabei erzählerisch durch dreieinhalb Jahrhunderte: Der Hauptstrang der Handlung spielt zwar in einer – wenn auch nicht exakt definierten – Gegenwart, aber drei Nebenstränge wirbeln den Leser mal in die Ära Oluf Brarens, dann in die deutsch-dänischen Auseinandersetzungen um Schleswig (und auch Föhr) im 19. Jahrhundert sowie in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und schließlich spielt der Roman etappenweise auch noch in Zeiten des deutschen Faschismus und seiner Judenverfolgung. Sorry: Was diese historischen Phasen miteinander zu tun haben, wo die Schnittstellen sind (und wo die Brüche), das kann und darf hier leider nicht erläutert werden – es hieße, der Lektüre dieses Romans einen wesentlichen Teil ihrer Spannung zu nehmen.
Soviel aber sei hier verraten: Olaf Schmidts Roman lebt, ja, pulsiert durch seine Beschreibungen der Insel und vor allem einzelner Menschen – Typen wie aus einem Bilderbuch, schräge oder skurrile Originale mit Herz und vielen Macken. Lustvoll und mit teilweise stilistischer Brillanz lässt sich Schmidt über seine Protagonisten in ihrer jeweiligen Zeit aus, sorgfältig und humorvoll beschreibt er sowohl die Charaktere als auch deren Lebensumstände und Umgebung. Es ist die liebevolle Akribie dieser Erzählweise, die diesen Roman zu einem Erlebnis macht. Und zu einem Vergnügen. (-bi-)