Ein Stoff, der wütend macht – Rezension

Wolf, Win­fried: Ver­kehr. Umwelt. Kli­ma – Die Glo­ba­li­sie­rung des Tempowahns;
Pro­me­dia Ver­lag, Wien 2007; 385 Sei­ten zzgl. 100 Sei­ten Anhang;
ISBN-13: 978-3-8537-1271-9; Preis 34,90 Euro.

Den Lese­rin­nen und Lesern die­ser Zeit­schrift ist der Name Win­fried Wolf wohl­be­kannt. Der lin­ke Ver­kehrs­exper­te hat in der WATERKANT schon diver­se Bei­trä­ge – unter ande­rem über Trans­ra­pid, Bahn­re­form, Auto­bah­nen oder Tun­nels – geschrie­ben. Und auch sein jüngs­tes Werk hat hier bereits „statt­ge­fun­den“: In unse­rer vori­gen Aus­ga­be hat­ten wir einen von Wolf exklu­siv für uns zusam­men­ge­stell­ten Aus­zug vor­ab ver­öf­fent­li­chen dürfen.

Nun also liegt das Buch vor. Es ist nicht weni­ger als ein umfas­sen­des Werk. Es ist die Geschich­te des Ver­kehrs­we­sens seit Beginn der Indus­tria­li­sie­rung, es ist die Kri­tik der Ver­kehrs­ent­wick­lung unter kapi­ta­lis­ti­schen Vor­zei­chen, und es ist der umfang­rei­che Ver­such, aus die­ser Kri­tik Ansät­ze einer Alternativ-Konzeption zu ent­wi­ckeln. Mehr nicht.
Win­fried Wolf schreibt anschau­lich, beschreibt plas­tisch, führt Lese­rin­nen und Leser mit vie­len Details, gele­gent­lich auch klei­nen, bun­ten Abschwei­fun­gen durch ein sehr viel­schich­ti­ges The­ma. Sein Stil macht es mög­lich, den eigent­lich sehr tro­cke­nen und zwangs­läu­fig mit extrem vie­len Zah­len und Daten ver­knüpf­ten Stoff meist wie einen guten Schmö­ker „in sich rein­zu­zie­hen“. Nur, dass einem dabei die Details nicht gera­de zum Ver­gnü­gen gerei­chen – im Gegen­teil: Vie­le Abschnit­te die­ses lehr­rei­chen Buches machen wütend. Und kampfeslustig.

Wer die­ses Buch gele­sen hat, wird an sich selbst mög­li­cher­wei­se ein unge­wohn­tes Ver­ständ­nis von Zeit und Geschwin­dig­keit, aber auch von Macht und Kor­rup­ti­on fest­stel­len. Denn die Ent­wick­lung des Ver­kehrs­we­sens liest sich bei Wolf wie ein span­nen­der Kri­mi – aller­dings einer, in dem es bru­ta­le Täter und Mil­lio­nen Opfer gibt, aber kei­ne Fahn­der, Ver­fol­ger und schon gar kei­ne Gerech­tig­keit. Noch nicht…

Zwei Klei­nig­kei­ten aller­dings muss der Ver­lag sich vor­hal­ten las­sen, zwei Mängel(chen) schrän­ken die Lese­lust gering­fü­gig ein: Zum einen fehlt die­sem Buch, das das Zeug hat, ein Stan­dard­werk zu wer­den, ein Stich­wort­re­gis­ter. Die Details, die Wolf prä­sen­tiert, könn­ten so durch­aus auch auf lexi­ka­li­sche Art, als Alltags-Handbuch, genutzt wer­den: Mal eben sehen…, da stand doch was bei Wolf…

Zum ande­ren hät­te der Ver­lag, obwohl das Buch als Paper­back erschie­nen ist, den Lese­rin­nen und Lesern so etwas wie ein Lese­bänd­chen gön­nen sol­len: Wolf ver­zich­tet im Inter­es­se der Les­bar­keit in vie­len Kapi­teln auf Details und Quer­ver­wei­se, lis­tet die aber in einem fast hun­dert­sei­ti­gen Anhang umfas­send auf. Und es ist gele­gent­lich müh­sam, stän­dig hin- und her­blät­tern zu müs­sen, ein klei­nes Bänd­chen hät­te da Abhil­fe schaf­fen kön­nen. (-bi-)