Mehr Respekt, bitte! – Rezension

Green­berg, Paul: Vier Fische – Wie das Meer auf unse­ren Tel­ler kommt;
Ber­lin Ver­lag, Ber­lin 2011; 320 Sei­ten, Hard­co­ver; ISBN 978-3-8270-1012-4; Preis 24,00 Euro.

Paul Green­berg ist lei­den­schaft­li­cher Ang­ler und Fisch­lieb­ha­ber – und mahnt genau des­halb zur dras­ti­schen Ein­schrän­kung des Fisch­kon­sums. Sein Buch nennt er einen Ver­such, „die Vor­aus­set­zun­gen für einen gleich­be­rech­tig­ten und dau­er­haf­ten Frie­den zwi­schen Mensch und Fisch zu umrei­ßen“. Nur im ers­ten Moment wirkt das über­trie­ben – wer sich auf die­ses Buch ein­lässt, erfährt erschre­cken­de und blu­ti­ge Details über einen Krieg, von dem vie­le gar nicht wis­sen, dass es ihn gibt. Green­berg, ein New Yor­ker Jour­na­list länd­li­cher Her­kunft (Con­nec­ti­cut), for­dert Respekt: „Fische“, bilan­ziert er am Schluss, „sind nicht nur dazu da, um uns als Nah­rung zu die­nen. (…) Wenn wir sie jagen und ver­zeh­ren, müs­sen wir sie mit Bedacht jagen und mit unse­rer gan­zen Wert­schät­zung ver­zeh­ren. Wir müs­sen begrei­fen, dass der Ver­zehr … vor allem ein gro­ßes Pri­vi­leg ist.“ Das klingt nach Pathos, ist aber glaub­wür­di­ge Ehr­lich­keit in einer eben­so ange­neh­men wie lehr­rei­chen Lektüre.

Green­berg ist ein Meis­ter einer flüs­si­gen und abwechs­lungs­rei­chen Schrei­be, die auch kom­ple­xe Inhal­te auf span­nen­de Wei­se ver­mit­teln kann. „Vier Fische“ hat er aus­ge­wählt, deren Gegen­wart und Zukunft er unter die Lupe nimmt: Er erzählt über Lachs, Barsch, Kabel­jau und Thun­fisch und nimmt sei­ne Leser dabei mit auf eine Rei­se kreuz und quer um den Glo­bus – Mas­sa­chu­setts, Alas­ka, Nor­we­gen, Kana­da, Isra­el, Grie­chen­land, Utah, Shet­lands, Neu­see­land, Viet­nam, Japan oder Hawaii sind nur die Haupt­sta­tio­nen die­ser „Tour de Fisch“; ande­re Orte und Regio­nen streift er flüch­tig, wenn er sei­ne viel­fäl­ti­gen Geschich­ten über die­se vier (und wei­te­re) Arten präsentiert.

Es geht um Wild­be­stän­de und Zucht­for­men, um Bestands­schutz und Aus­rot­tung, um Hun­ger und Pro­fit, um mensch­li­che Gier, die jeden Ansatz auch gut gemein­ter Nach­hal­tig­keit ad absur­dum führt. Green­berg ver­knüpft Berich­te aus dem All­tag von Fischern, Wis­sen­schaft­lern, Züch­tern oder Mee­res­schüt­zern mit auf­schluss­rei­chen Erläu­te­run­gen natür­li­cher Grund­la­gen und bio­lo­gi­scher Zusam­men­hän­ge, mit dras­ti­schen Schil­de­run­gen anthro­po­ge­ner Ein­grif­fe in „die Natur“. Ist das Ver­füt­tern von gewal­ti­gen Men­gen Beu­te­fisch in Gehe­gen öko­no­misch sinn­voll oder öko­lo­gisch zu ver­ant­wor­ten? Wel­che Ver­un­rei­ni­gun­gen, Krank­hei­ten oder gene­ti­schen Ver­än­de­run­gen ris­kie­ren Züch­ter? Wel­che Mee­respo­li­tik ist nötig, um die aktu­el­len Wild­po­pu­la­tio­nen zu bewah­ren? War­um sind „Ein­kaufs­rat­ge­ber“ von WWF oder Green­peace eben­so wie das blaue Eti­kett des „Mari­ne Ste­ward­ship Coun­cil“ (MSC) oder diver­se Bio­sie­gel nicht mehr als Tün­che aufs Verbraucher-Bewusstsein?

Green­bergs Ant­wor­ten auf die­se und vie­le wei­te­re Fra­gen sind emo­tio­nal und offen­ba­ren Begeis­te­rung, ohne zugleich die nöti­ge sach­li­che Distanz zu ver­nach­läs­si­gen. Man­che sei­ner Detail­schil­de­run­gen machen den Mund wäss­rig, ande­re sind geeig­net, Fisch­ge­nuss auf Dau­er zu ver­lei­den. Aber er for­mu­liert auch Vor­schlä­ge für kla­re Prin­zi­pi­en künf­ti­ger Fische­rei­po­li­tik. Und über allem steht, wie die ein­gangs zitier­ten Wor­te zeig­ten, der hohe Respekt gegen­über einer Art, die in ihrer Viel­falt und Schön­heit eben­so uner­setz­lich ist wie in ihrer Bedeu­tung für den Lebens­raum Meer.

Nach­be­mer­kung 1: Das Buch hat lei­der ein Han­di­cap, von dem nicht klar ist, ob es sich um eine Eigen­heit nur der deut­schen Aus­ga­be han­delt. Der Text ent­hält null Hin­wei­se auf den Anhang mit vie­len wert­vol­len Anmer­kun­gen; statt des­sen muss man sich von hin­ten nach vorn die zuge­hö­ri­gen Text­pas­sa­gen her­aus­su­chen: eine äußerst unprak­ti­sche und schlecht zu nut­zen­de Struktur.

Nach­be­mer­kung 2: Es mutet schon ein biss­chen skur­ril an, dass der Ver­lag der deut­schen Aus­ga­be ein Lese­zei­chen bei­fügt, das den von Green­berg kri­ti­sier­ten, aktu­el­len WWF-Fischratgeber ent­hält. Viel­leicht soll­ten Ver­lags­pla­ner vor sol­chen Ent­schei­dun­gen lesen, was sie da publi­zie­ren.… (-bi-)