Werner-Lobo, Klaus, & Weiss, Hans: Schwarzbuch Markenfirmen – Die Welt im Griff der Konzerne; Wien, 2014; Deuticke Verlag; 335 Seiten; ISBN 978-3-5520-6259-7; Preis 19,90 Euro
So ändern sich die Zeiten: Als im Jahre 2003 eine frühere Ausgabe dieses brillanten Handbuchs hier vorgestellt wurde, lautete dessen Untertitel noch: „Die Machenschaften der Weltkonzerne“. Das war damals. Inzwischen befindet sich, alle wissen und erleben es alltäglich, „die Welt im Griff der Konzerne“. Und das hat einen ebenso schlichten wie erschreckenden Grund: Zu wenige haben sich in der Vergangenheit gewehrt.
„Die Ausbeutung von Menschen durch Konzerne ist näher gerückt“, schreiben die beiden österreichischen Erfolgsautoren, sie bahne sich nach jahrzehntelanger Verlagerung nach Asien, Afrika und Lateinamerika nun wieder ihren Weg zurück in die Industrieländer. Das allerdings ist nur bedingt richtig – denn eigentlich hat Ausbeutung hier ja nie aufgehört, ist lediglich vorübergehend in ihren Erscheinungsformen vermitbestimmt und vernebelt worden. Wenn es aber enger wird an der Profitfront, fallen auch etliche Hemmungen – und beispielsweise soziale Netze werden zerschlissen.
Grundlegend hat sich an dem Aufbau des Buches nichts geändert: Die Autoren geben zunächst in vier gut lesbaren Kapiteln einen Überblick über die Mechanismen und Strukturen der Konzernherrschaft über diese Welt – das liest sich ein bisschen wie der Versuch, auf rund 110 Seiten das Wesen von Kapitalismus und Globalisierung zu erläutern: Für Informierte ein Schnelldurchgang mit viel Bekanntem, aber auch etlichen nützlichen Beispielen, für weniger Unterrichtete ein prima Grundkurs. Beeindruckend ist vor allem die Versuchsrechnung einer „fair tax“, die Konzerne eigentlich zahlen müssten – leider nur ein Versuch, weil für eine gewissenhafte Berechnung zu viele Zahlen nicht verfügbar sind. Es folgen vier weitere – ebenso lesenswert einführende wie agitierende – Kapitel über die miesen Geschäfte mit Lebensmitteln, Medikamenten, Spielzeug oder Elektronikartikeln oder der Energiepolitik. Selbstverständlich fehlen nie die Hinweise, was Einzelne tun können: Wobei die üblichen Mechanismen wie „Bio“ oder „Fair Trade“ ebenfalls plastisch-kritisch durchleuchtet werden, gefolgt von dem Appell, es bei so oberflächlichen Konsumismen nicht bewenden zu lassen. Abschließend als übliche Krönung der sehr informative – wenngleich trocken lesbare und eher als Nachschlageteil geeignete – Abschnitt mit 50 ausgewählten Konzernporträts. Plus Register. Plus Quellen.
Perfekt? Fast! Es gibt aus küstenaffiner-maritimer Sicht einen Schatten auf diesem Loblied: Immer wieder geißeln die Autoren zu recht die Handelswege der globalisierten Wirtschaft – aber sie verwenden nicht ein Wort auf die Transportmittel. Ohne dreckschleudernde, ausgeflaggte, von sklavenähnlich gehaltenen Besatzungen manövrierte Handelsschiffe wäre „die Globalisierung“, wie man sie kennt, weit weniger attraktiv; diese Beschreibung ist krass, aber leider nicht untypisch. Klar würden solche Betrachtungen in Ausführlichkeit den Rahmen dieses Buches sprengen. Vielleicht bedarf es mal eines „Schwarzbuchs Maritime Logistik“?
Burkhard Ilschner