Rosing, Norbert, und Walter, Andrea: „Deutschlands Küsten und Inseln“ – Naturwunder an
Nordsee und Ostsee; Hamburg, 2015; NG Malik Buchgesellschaft mbH („National Geographic“);
Hardcover 25x30 cm, gebunden mit Kastenrücken und Schutzumschlag; 220 Seiten, ca. 180 Fotos;
ISBN: 978-3-86690-418-7; Preis 39,99 Euro.
Anmerkung zur digitalen Veröffentlichung: Die Original-Überschrift im gedruckten Heft lautet „Für Meeresverliebte – und solche, die es werden wollen“.
Dies ist ein Buch für Abende im bequemen Sessel: ein Glas mit ansprechendem Inhalt in Reichweite, gegebenenfalls der Aschenbecher daneben; gutes Licht, das Buch auf dem Schoß, langsam blättern. Der Rest ergibt sich dann von selbst: Die Photographien, die Norbert Rosing hier von Nord- und Ostsee zusammengetragen hat, packen den Betrachter und lassen ihn so schnell nicht wieder los. Und sollte doch die eine oder andere Ablenkung mal stören, helfen einem die engagierten, teilweise persönlichen Texte von Andrea Walter wieder zurück in eine Welt, die es so leider nur noch in Büchern wie diesem gibt. Aber es ist eine tolle Welt und sie auf Papier anzuschauen, kann helfen, sich zu erinnern; kann motivieren, sich einzusetzen gegen alle Einflüsse, die dazu beigetragen haben (und weiter beitragen), dass die reale Welt nur noch fragmentarisch so ist wie sie hier betrachtet werden kann. Klingt schwülstig? Ist aber nicht so gemeint.
Von den Ostfriesischen Inseln übers Elbe-Weser-Dreieck, Neuwerk, Helgoland, Dithmarschen und die Halligen bis Sylt führt der eine Abschnitt der Reise, zu der Rosing und Walter einladen. Anschließend geht es weiter von der Flensburger Förde und der Schlei über die Lübecker Bucht nach Mecklenburg-Vorpommern, über Darß und Bodden, Rügen und Vilm bis Usedom. Große Photos, kleine Photos, Bildkompositionen, die – mit Andrea Walters Worten – zeigen, wo die Küsten Kunstwerke sind. Ihre Texte erzählen übrigens mal von eigenen Eindrücken, mal von Erfahrungen anderer, die mit und an Meer und Küste aufgewachsen sind und hier leben – und drittens von Menschen, die es an Nord- oder Ostsee buchstäblich verschlagen hat und die sich hier verwurzelt haben. Es sind kleine Geschichten, die Erlebnisse und Bilder vermitteln, es sind Reportagen, die die beeindruckenden Landschaften näher bringen und erklären. Zwei Infografiken tragen zum Verständnis bei.
Aber all dies soll – die Schreiberin möge verzeihen – nicht davon ablenken, dass Rosings Photographien die bestimmenden Elemente dieses Buches sind. Langsames Durchblättern kann im Kopf einen Film entstehen lassen, eine bildgewaltige Reise von West nach Ost. Das Faszinierende an diesen Photos ist, dass sie Meeres- und Küstenlandschaften zeigen, die fast keine menschlichen Aktivitäten, keine die Schönheit, die Ruhe und die Naturgewalt störenden Einflüsse erkennen lassen. Hier ein Krabbenkutter vor einer Hallig; dort ein paar Leuchttürme, vereinzelt auch ein fernes Haus; hier ragt ein Stück Mole ins Bild; dort schweben am Horizont fast mikroskopisch klein ein oder zwei Schiffe vorbei: Das ist alles. Ach, ja: Ein Bild von Hörnum zeigt, was Offshore-Windkraftgegner unter „Horizontverschmutzung“ verstehen.
Sonst aber ist dies ein Buch, dass erkennbar nur einen Zweck zu verfolgen scheint: Die Natur der Meere und Küsten in ihrer ganzen Pracht nahe zu bringen. Kein Beton, kein Bagger, kein Container, keine Pipeline – wer die Küsten kennt, kann ermessen, welch anstrengende Suche Rosing auf sich genommen haben muss, um diesen Bildband so ganz ohne anthropogene Elemente komponieren zu können. Es ist diese Pracht, die im oben genannten Sinne packt und motiviert. Grandios. (-bi-)