CCS – der beschleunigte Weg in die Klimakatastrophe

Von Reinhard Knof *

Die Abkür­zung CCS bedeu­tet „Car­bon Cap­tu­re and Sto­rage“, über­setzt „Koh­len­stoff ein­fan­gen und spei­chern“. Eine Irre­füh­rung: Tat­säch­lich soll Koh­len­di­oxid ein­ge­fan­gen und in Depo­nien end­ge­la­gert wer­den. Es geht weder um Koh­len­stoff noch um Spei­cher – die fal­schen Begrif­fe sol­len nur einem „wei­ter so“ der fos­si­len Ener­gie­wirt­schaft den Weg ebnen. Den Plä­nen nach wäre auch die Nord­see unmit­tel­bar betroffen.

Mit „CCS“ gehen 50 Jah­re Falsch­in­for­ma­ti­on der fos­si­len Ener­gie­wirt­schaft in die nächs­te Run­de. Wie die aktu­el­le Geset­zes­pla­nung offen­bart, geht es bei CCS vor­ran­gig um die dau­er­haf­te Nut­zung von Erd­gas. Die Bun­des­re­gie­rung beab­sich­tigt, dass die geplan­ten neu­en Gas­kraft­wer­ke in Deutsch­land bau­lich „CCS-ready“ gebaut, also Haupt­lie­fe­ran­ten für die CO2-Depo­nien wer­den sol­len. Bereits exis­tie­ren­de Bio­gas­kraft­wer­ke will Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grü­ne) hin­ge­gen mas­sen­haft still­le­gen, um Kon­kur­renz für sei­ne Was­ser­stoff­stra­te­gie inklu­si­ve neu­er Gas­kraft­wer­ke zu ver­hin­dern (1). Die Unter­neh­men, die uns seit 50 Jah­ren bewusst in die Kli­ma­ka­ta­stro­phe geführt haben, sol­len jetzt ein Fei­gen­blatt für die Fort­set­zung ihres Geschäfts­mo­dells bekom­men, um die Erde wei­ter in den Abgrund der Kli­ma­ka­ta­stro­phe füh­ren zu können.

Erd­gas besteht aus Methan. Das ist das zweit­wich­tigs­te kli­ma­ak­ti­ve Gas und für rund ein Drit­tel der men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­er­wär­mung ver­ant­wort­lich. Eine, wenn nicht sogar die Haupt­quel­le des von Men­schen emit­tier­ten Methans ist die Öl- und Gas­in­dus­trie (2). Gera­de das Fracking-Erdgas aus den USA, das der­zeit in stei­gen­den Men­gen als LNG (ver­flüs­sig­tes Erd­gas) nach Deutsch­land impor­tiert wird, ist deut­lich schäd­li­cher für das Kli­ma als die Nut­zung von Stein­koh­le (3). CCS plus LNG bil­den eine gefähr­li­che Kom­bi­na­ti­on, die die Kli­ma­ka­ta­stro­phe zusätz­lich beschleunigt.

sie­he Anmer­kung 4

Der Euro­päi­sche Rech­nungs­hof hat 2018 fest­ge­stellt, dass alle zwölf von der EU geför­der­ten CCS-Projekte ihre Zie­le nicht erreicht haben (4). Auch welt­weit ist CCS von geschei­ter­ten Pro­jek­ten gekenn­zeich­net (5) oder wur­de vor­ran­gig genutzt, um noch mehr Öl und Gas zu för­dern (6) und die Kli­ma­ka­ta­stro­phe wei­ter anzu­hei­zen (7). Wäh­rend die CO2-Min­de­rungs­zie­le ver­fehlt wur­den, sind die Kos­ten explo­diert (8). Die Ver­bren­nung von Müll wird als eine der „unver­meid­ba­ren“ CO2-Quel­len bezeich­net, die CCS unbe­dingt not­wen­dig machen wür­den. Fakt ist aber: Die Anla­ge mit der höchs­ten Abschei­de­ra­te einer Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge hat gera­de ein­mal elf Pro­zent des ent­ste­hen­den CO2 ein­ge­fan­gen, also 89 Pro­zent CO2 emit­tiert (9). Da die Zusam­men­set­zung von Müll stark schwankt, ist eine Opti­mie­rung der CO2-Abschei­dung auch kaum mög­lich. Gera­de dort, wo CCS angeb­lich unver­zicht­bar ist, ist es tech­nisch bis­her gescheitert.

Deponie-Eigenschaften unsi­cher

Frü­he­re Ver­mu­tun­gen, dass sich Erkennt­nis­se ein­zel­ner CO2-Depo­nien auf ande­re über­tra­gen lie­ßen, haben sich nicht bewahr­hei­tet. Eine aktu­el­le Stu­die zu den „Vorzeige“-Deponien in Nor­we­gen zeigt die erheb­li­chen Pro­ble­me sowie feh­len­de Vor­her­sag­bar­keit und Über­trag­bar­keit von Erkennt­nis­sen der Deponie-Eigenschaften auf (10). In den für die Errich­tung von CO2-Depo­nien vor­ge­se­he­nen Fel­dern in der Nord­see gibt es wahr­schein­lich rund 1.800 undich­te Bohr­lö­cher (11) sowie ein­zel­ne Blo­wouts. Es fin­det weder ein sys­te­ma­ti­sches Moni­to­ring statt noch wer­den undich­te Alt­boh­run­gen abge­dich­tet. Für eine Abdich­tung even­tu­el­ler Lecka­gen in CO2-Depo­nien in der Nord­see gibt es noch kei­ne eta­blier­ten Verfahren.

Aus dem Blo­wout von 1990 vor Schott­land tre­ten jedes Jahr zusätz­lich 300.000 Ton­nen Methan aus (12). Dort lässt sich auch beob­ach­ten, wel­che gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen Lecka­gen auf die Umwelt und die Arten­zu­sam­men­set­zung haben. Daher kann nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die CO2-Depo­nien dicht sein wer­den. Das CO2 wür­de sich durch die Sedi­men­te hin­durch bewe­gen und die dor­ti­ge Arten­zu­sam­men­set­zung mas­siv beein­träch­ti­gen (13), das Meer­was­ser wei­ter ver­sau­ern und teil­wei­se wie­der in die Atmo­sphä­re gelan­gen. Das Ein­brin­gen von Mil­lio­nen Ton­nen CO2 in den Unter­grund könn­te Jahr für Jahr zu Auf­trieb und Erd­be­ben füh­ren, ähn­lich dem Vor­fall vom 22. Novem­ber 2022 im kana­di­schen Alber­ta (14). Bereits seit 2015 ist aus den USA bekannt, dass das Ver­pres­sen von Flüs­sig­kei­ten Erd­be­ben aus­löst (15). Das gefähr­det nicht nur CO2-End­la­ger, son­dern eben­so Wind­parks, Erdgas- oder Erd­öl­platt­for­men, Schiff­fahrt und die Nord­see samt Fau­na und Flora.

Zu wenig Mine­ra­li­en im Boden

In den Sand­stein­for­ma­tio­nen der Nord­see und des Nord­deut­schen Beckens feh­len jene Mine­ra­li­en, die benö­tigt wür­den, um ver­press­tes CO2 in Gestein umzu­wan­deln und so im Unter­grund fest zu bin­den. Die­se wich­ti­ge Trans­for­ma­ti­on kann also nur zu einem sehr gerin­gen Teil erfol­gen, mit dem Ergeb­nis, dass das CO2 dort auch nach Jahr­tau­sen­den weit­ge­hend mobil bleibt (16). Das aber lässt die CO2-End­la­ger zu dau­er­haft ticken­den Zeit­bom­ben für das Kli­ma und die Umwelt werden.

Die Kos­ten der Über­wa­chung wer­den schon nach weni­gen Jahr­zehn­ten auf die All­ge­mein­heit abge­wälzt wer­den, falls es über­haupt zu einer dau­er­haf­ten Über­wa­chung die­ser End­la­ger kom­men soll­te. Die ein­zi­ge CO2-For­schungs­de­po­nie in Deutsch­land, der „Pilot­stand­ort“ im havel­län­di­schen Ket­zin, wur­de nach Ende der Injek­ti­ons­pha­se nur fünf Jah­re lang über­wacht (17). Seit­her gibt es kei­ne Erkennt­nis­se mehr über den Ver­bleib des ver­press­ten CO2. Trotz­dem wird die­ses CO2-Lager in Erman­ge­lung ande­rer Vor­zei­ge­stand­or­te als „Demonstrations“projekt für das Koh­len­di­oxid­spei­cher­ge­setz her­an­ge­zo­gen und als Erfolg bezeichnet.

Gefah­ren für Grundwasservorkommen

Der Bedarf an Was­ser für den geplan­ten Umfang an CCS könn­te etwa dem Was­ser­ver­brauch ent­spre­chen, den das Umwelt­bun­des­amt für die gesam­te Land­wirt­schaft in Deutsch­land angibt, denn die CO2-Abschei­dung benö­tigt viel Kühl­was­ser und hin­ter­lässt „Fil­trat­was­ser“ (18). Dar­über hin­aus ist damit zu rech­nen, dass bei der Ver­pres­sung von CO2 durch den dabei aus­ge­üb­ten Druck Salz­was­ser aus dem Unter­grund weit­räu­mig ver­drängt wird. Damit könn­ten die Grund­was­ser­vor­kom­men auch noch in 50-100 Kilo­me­tern Ent­fer­nung gefähr­det wer­den, wie eine Kar­te der bei­den 2009 in Schleswig-Holstein geplan­ten CO2-End­la­ger ver­deut­licht (Bild oben). In jedem Fall wird die Ver­drän­gung sali­ner For­ma­ti­ons­wäs­ser durch CO2 zwangs­läu­fig zu aus­ge­dehn­ten Ver­sal­zun­gen höhe­rer Süßwasser-Stockwerke füh­ren (19).

Für Deutsch­land ist der­zeit ein neu zu errich­ten­des CO2-Pipe­line­netz von rund 4.600 Kilo­me­tern Län­ge geplant. Dafür müss­te jeweils auf rund 45 Metern Brei­te eine Bau­stel­le ent­ste­hen, die anschlie­ßend eine deut­lich ver­schlech­ter­te land­wirt­schaft­li­che Flä­che bezie­hungs­wei­se zer­stör­te Umwelt hin­ter­las­sen wür­de (20). Die­se CO2-Pipe­lines wären dar­über hin­aus eine dau­er­haf­te Gefahr für Mensch und Umwelt, da mit Unfäl­len zu rech­nen wäre. So gab es gera­de erst in die­sem Jahr einen Unfall mit einer neu gebau­ten Erd­gas­pipe­line in Sta­de, bei der 60.000 Kubik­me­ter Erd­gas aus­tra­ten bezie­hungs­wei­se abge­fa­ckelt wer­den muss­ten (21). Ein ver­gleich­ba­rer Unfall mit einer CO2-Pipe­line in einem besie­del­ten Gebiet könn­te zu tau­sen­den Todes­fäl­len füh­ren, da CO2 die Luft ver­drängt und zu Ersti­ckung füh­ren kann. Erfah­run­gen mit CO2-Pipe­line­un­fäl­len gibt es ins­be­son­de­re auch aus den USA (22).

Land­schafts­fres­sen­der Pipe­line­bau – ein Beispiel

Je dich­ter besie­delt das Gebiet ist, durch das die Pipe­lines lau­fen, des­to mehr Men­schen wer­den durch Unfäl­le geschä­digt (23). In Deutsch­land sind die CO2-Pipe­lines auch für die am dich­tes­ten besie­del­ten Gebie­te geplant, so dass es nicht eine Fra­ge ist, ob töd­li­che Unfäl­le auf­tre­ten wer­den, son­dern ledig­lich, wann, wie oft und mit wel­chen Fol­gen. Unfäl­le mit CO2 sind auch des­halb so gefähr­lich, weil Fahr­zeu­ge mit Ver­bren­nungs­mo­to­ren plötz­lich ste­hen blei­ben und Ret­tungs­fahr­zeu­ge oft gar nicht erst zum Unfall­ge­sche­hen vor­drin­gen kön­nen (24).

Fast alle Tech­no­lo­gien wer­den im Lau­fe der Anwen­dung immer preis­wer­ter. CCS ist hier eine unrühm­li­che Aus­nah­me. Die Kos­ten pro abge­schie­de­ner und ver­press­ter Ton­ne CO2 haben sich in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren nicht rele­vant ver­rin­gert (25), son­dern bei direk­ter Abschei­dung aus der Luft sogar erhöht. Die Kos­ten für eine rele­van­te Abschei­dung und Depo­nie­rung von CO(26) wären auch in einem rei­chen Land wie Deutsch­land nicht auf­zu­brin­gen. Für die Welt wäre CCS wegen der Kos­ten erst recht kei­ne Lösung. Damit zeich­net sich eine poli­tisch indu­zier­te dau­er­haft hohe Infla­ti­on ab, die vor­ran­gig die Ärms­ten tref­fen wird, sowohl in Deutsch­land, der EU als auch im glo­ba­len Süden.

Fazit: Die Ener­gie­wen­de kann nur ohne CCS gelin­gen. Mit CCS wür­de die Kli­ma­ka­ta­stro­phe beschleu­nigt wer­den und das zu Las­ten ins­be­son­de­re der Ärms­ten, von Min­der­hei­ten und der Umwelt.

 

* = Dr. Rein­hard Knof ist Che­mi­ker und
Vor­sit­zen­der der Bür­ger­initia­ti­ve gegen CO2-End­la­ger e. V. in Nehm­ten / Plön.

 

Anmer­kun­gen:
1. https://www.topagrar.com/energie/news/habeck-lehnt-biogas-als-vorhandenen-lueckenfueller-im-energiemix-ab-20002611.html
2. https://bg.copernicus.org/articles/16/3033/2019/
3. https://www.research.howarthlab.org/documents/Howarth2022_EM_Magazine_methane.pdf
4. https://www.eca.europa.eu/de/publications?did=47082
5. https://ieefa.org/resources/carbon-capture-has-long-history-failure
6. https://www.desmog.com/2023/09/25/fossil-fuel-companies-made-bold-promises-to-capture-carbon-heres-what-actually-happened/
7. https://energyandpolicy.org/department-of-energy-analysis-says-coal-carbon-capture-project-would-emit-more-greenhouse-gases-than-it-stores/
8. https://ieefa.org/wp-content/uploads/2022/03/Gorgon-Carbon-Capture-and-Storage_The-Sting-in-the-Tail_April-2022.pdf
9. https://www.biofuelwatch.org.uk/wp-content/uploads/BECCS-report-2022-final.pdf
10. https://ieefa.org/sites/default/files/2023-06/Norway%E2%80%99s%20Sleipner%20and%20Sn%C3%B8hvit%20CCS-%20Industry%20models%20or%20cautionary%20tales.pdf
11. https://www.geomar.de/news/article/neue-studie-bestaetigt-umfangreiche-gasleckagen-in-der-nordsee
12. https://de.wikipedia.org/wiki/Erdgasleck_in_der_Nordsee
13. https://www.mpg.de/11936761/kohlendioxid-ccs
14. https://phys.org/news/2023-03-oil-industry-triggered-large-alberta.html
15. https://www.americangeosciences.org/geoscience-currents/induced-seismicity-oil-and-gas-operations
16. https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspa.2014.0853
17. https://www.lbeg.niedersachsen.de/energie_rohstoffe/co2speicherung/co2-speicherung-935.html
18. https://www.bund-sh.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/zementwerk-erweiterung-in-laegerdorf-bund-fordert-ausgleich/
19. https://keinco2endlager.de/geologische-kurzstudie-zu-den-bedingungen-und-moeglichen-auswirkungen-der-dauerhaften-lagerung-von-co2-im-untergrund/
20. https://www.npr.org/2023/05/21/1172679786/carbon-capture-carbon-dioxide-pipeline
21. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/LNG-Terminal-Stade-Rund-60000-Kubikmeter-Gas-muessen-verbrannt-werden,aktuelllueneburg10050.html
22. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0950423023001596
23. https://www.npr.org/2023/05/21/1172679786/carbon-capture-carbon-dioxide-pipeline
24. https://www.wz.de/nrw/moenchengladbach/gas-unfall-mehr-als-100-verletzte-in-moenchengladbacher-lackfabrik_aid-31503165
25. https://www.focus.de/earth/news/ccs-technik-retten-co2-staubsauger-unser-klima-ein-realitaetscheck-der-wunderwaffe_id_228126796.html
26. https://www.dena.de/projekte/projekte/projektarchiv/ccs-system-fuer-die-schweiz/