Nur eine Bestandsaufnahme – Rezension

Roden­berg, Hans-Peter: See in Not – Die größ­te Nah­rungs­quel­le des Pla­ne­ten: eine Bestands­auf­nah­me; mare­buch­ver­lag mit SPIEGEL-TV, Ham­burg 2004; gebun­den, 304 Sei­ten, ca. 300 farb. Abb.; ISBN 3-9369-8449-5; Preis 29,90 Euro

Der „Kabeljau-Krieg“ kommt auch bei Hans-Peter Roden­berg vor. Das „Wie“ aller­dings zeigt pla­ka­tiv den wesent­li­chen Unter­schied zwi­schen „See in Not“ und dem neben­ste­hend bespro­che­nen Buch von Ingo Heid­brink: Es ist nicht zu bean­stan­den, dass Roden­berg den „Kabeljau-Krieg“ ledig­lich in einem von ins­ge­samt 18 Kapi­teln behan­delt, schließ­lich erhebt er ja den Anspruch eines gesamt­pla­ne­ta­ri­schen Über­blicks. Es ist aber feh­ler­haft und irgend­wie typisch für Roden­bergs Arbeits­wei­se, dass er den „Kabeljau-Krieg“ aus­schließ­lich auf die Aus­ein­an­der­set­zung Island-Großbritannien redu­ziert; die deut­sche Fische­rei­po­li­tik wird bei ihm in die­sem Zusam­men­hang nicht mit einem ein­zi­gen Wort erwähnt.

Typisch ist das inso­fern zu nen­nen, als Roden­berg der ver­lags­sei­tig ver­öf­fent­lich­ten Bio­gra­fie nach unter ande­rem als Kul­tur­re­dak­teur beim NDR-Fernsehen sowie als Autor und Regis­seur bei ARD und SPIEGEL-TV tätig gewe­sen ist: Das Buch “See in Not“ mutet an wie eine Print-Wiedergabe von Fern­seh­re­por­ta­gen – der oft locke­re und sprach­lich bild­rei­che Stil, die Län­ge der ein­zel­nen Kapi­tel, ihre Anrei­che­rung durch zwi­schen­ge­schal­te­te „Stich­wor­te“ mit Sach­in­for­ma­tio­nen zum jewei­li­gen The­ma, das alles macht sein Buch zwar leicht les­bar, zumal Roden­berg auch gut erklä­ren kann. Es fällt aber, um zurück zu kom­men zum Ein­stieg in die­se Bespre­chung, auf, dass er ger­ne mal um einer bestimm­ten Wir­kung oder Straf­fung wil­len Details aus­klam­mert oder nur streift: Kei­ne prin­zi­pi­ell ver­werf­li­che Metho­de im TV- oder Print-Journalismus, so lan­ge dabei nicht gepfuscht wird. Wohl­ge­merkt: Es soll nicht der Ein­druck ent­ste­hen, das Buch von Roden­berg sei schlecht oder unbrauch­bar. Gera­de der reportage-artige Stil und das direk­te Anspre­chen eines brei­ten Publi­kums, der Ver­brau­cher, machen sei­ne Stär­ke aus. Aber es ist halt etwas grund­le­gend ande­res als die wis­sen­schaft­li­che Her­an­ge­hens­wei­se eines Ingo Heidbrink.

Roden­bergs Repor­ta­gen füh­ren die Leser buch­stäb­lich ein­mal um die Welt. Er beschreibt Fisch und Fische­rei vom Nord­meer bis zur Ant­ark­tis, auf allen Kon­ti­nen­ten und Mee­ren. Er setzt sich aus­ein­an­der mit alten und neu­en Fang­me­tho­den, mit Ressourcen-Schonung und -Plün­de­rung. Er schil­dert, wie Men­schen ver­schie­de­ner Kul­tu­ren mit und vom Fisch leben, wie Tra­di­tio­nen in Ver­bin­dung mit rei­chen Bestän­den ent­stan­den sind und mit ihrer Schrump­fung ver­lo­ren zu gehen drohen:

  • Im Fern­se­hen läuft ein Bericht über die Walfang-Kommission? – Bei Roden­berg fin­det der inter­es­sier­te Zuschau­er Hintergrund-Material in ver­ar­beit­ba­ren Happen.
  • Die Kin­der wer­den mit der tau­sends­ten Wie­der­ho­lung von „Flip­per“ trak­tiert? – Bei Roden­berg fin­den die Eltern Nähe­res zum Erklä­ren, und zwar so auf­be­rei­tet, dass sie es ohne Vor­kennt­nis alters­ge­recht por­tio­nie­ren können.
  • Die ALDI-Kette ver­ramscht wie­der mal ton­nen­wei­se Lachs? – Roden­berg beschreibt, wie aus dem eins­ti­gen Luxus-Fisch das „Huhn der Mee­re“ wer­den konn­te: aus­ge­forscht, gedopt und „markt­ge­recht“ designt.

In nahe­zu allen Repor­ta­gen sei­nes Buches warnt Roden­berg vor Über­nut­zung, vor Ver­nich­tung von Bestän­den, kri­ti­siert rüde Metho­den und feh­len­de Rück­sicht­nah­me auf öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en, mahnt „Nach­hal­tig­keit“ an; oft nicht mit eige­nen Wor­ten, son­dern indem er Kri­ti­ke­rIn­nen bestehen­der Ver­hält­nis­se zu Wort kom­men lässt. Sicher eine ehren­wer­te Metho­de – aber kei­ne aus­rei­chen­de: Sein Anspruch laut Unter­ti­tel ist „Bestands­auf­nah­me“, und dem wird er in vol­lem Umfang und (sie­he oben) all­ge­mein ver­ständ­lich gerecht. Aber wei­ter in die Zukunft betrach­tet ist die Schwä­che von Roden­bergs Buch sei­ne Unfer­tig­keit. Weder bie­tet er dem ein­zel­nen Ver­brau­cher Hand­lungs­an­lei­tun­gen für Kon­sum­ver­hal­ten oder poli­ti­sche Akti­on noch erör­tert er wei­ter rei­chen­de, etwa inter­na­tio­nal zu erwir­ken­de, Zukunfts­stra­te­gien. Immer wie­der benutzt Roden­berg den Begriff „Nach­hal­tig­keit“ – er lässt aber nicht erken­nen, ob ihm eigent­lich klar ist, dass „nach­hal­tig“ mehr meint als eine tech­no­kra­ti­sche Auf­fas­sung von „Öko­lo­gie“, dass die­ses Wort bei­spiels­wei­se auch „Kon­sum­ver­zicht aus Ver­ant­wor­tung“ beinhaltet.

Ein Nach­satz noch an Autor und/oder Ver­lag zur Illus­tra­ti­on: Etli­che der abge­druck­ten Bil­der wir­ken, als ob sie vom Fern­seh­schirm abfo­to­gra­fiert oder aus TV-Streifen her­aus­ko­piert wor­den sind – unscharf, grob­kör­nig, schlecht auf­ge­löst. Das bringt für ein Buch die­ser Preis­klas­se einen ganz dicken Minus­punkt. Und auch das For­mat etli­cher Fotos lässt deut­lich zu wün­schen übrig: „Arbei­te­rin­nen beim Sor­tie­ren der Shrimps“ oder einen „Leo­par­den­hai“ buch­stäb­lich in Brief­mar­ken­grö­ße abzu­bil­den, ist ein­fach dane­ben – Details sind unmög­lich zu erken­nen und damit ist das Bild ein Farb­klecks ohne Infor­ma­ti­ons­wert. Gesamt­prä­di­kat: Durch­wach­sen. (-bi-)