Klose, Alexander: Das Container-Prinzip – Wie eine Box unser Denken verändert; mareverlag, Hamburg 2009; ca. 370 Seiten, Paperback; ISBN 978-3-8664-8115-2; Preis 24,00 Euro
„Du bist kein Unsichtbarer
Nicht unendlich bist Du!
Sondern zwei Meter hoch.
In Dir ist kein Geheimnis
Sondern Ware.
Und Du verfährst mit uns
Nicht nach Gutdünken, noch unerforschlich
Sondern nach Berechnung.“
Diese Zeilen stammen aus dem sarkastischen Gedicht „Ode an den Container“, das der Hamburger Förderkreis „Rettet die Elbe“ e. V. vor mehreren Jahren frei nach einem Brecht-Epos geschrieben hatte (1). Der aufgrund eigener Interessenbestimmung zum „Containerforscher“ mutierte Wissenschaftler Alexander Klose (2) geht – mutmaßlich, ohne diese Ode zu kennen – in seinem Buch der Frage nach, ob und wie der Container nicht nur die Logistikwelt, sondern uns alle und unseren Alltag verändert, ja, möglicherweise uns auch manipuliert hat. Um es vorwegzunehmen: Trotz der schwierigen Fragestellung(en) und folglich der teilweise sehr komplexen Antworten (teilweise auch nur Antwortversuchen… – nobody is perfect!) hat Klose ein Lesebuch geschrieben; die knapp 330 Seiten (plus Anhängen) sind ob ihres flüssigen und fesselnden Stils nichts weniger als eine empfehlenswerte Lektüre.
„Standardisierte bewegliche Transporteinheit, Universalbehälter und universeller Behältername, Generalmetapher für alles Füll- und Leerbare, Raumkonstruktionsbegriff, Denk- und Ordnungsform, Symbol, Ikone, Piktogramm – in diesem Spektrum bewegen sich die Antworten, die die Frage ‚Was ist ein Container?‛ hervorruft.“ – Kloses Ansatz ist vorsätzlich unbescheiden, wenn er versucht, die Gegenwart des globalen Konsumkapitalismus einerseits aus der Verpackungseinheit Container ursächlich herzuleiten und andererseits die Wirkung der Containerisierung nicht nur auf Produktion, Warentransport und Konsum, sondern weit darüber hinaus auf Kultur und Wissen sowie auf die Organisation gesellschaftlichen Lebens zu hinterfragen. Klar, dass diese anspruchsvolle Gedankenreise jedem, der sich ihr stellt, Überraschungen ebenso beschert wie Bestätigungen nach dem Motto „ich hab‛s doch geahnt“.
Anspruchsvoll? Der Begriff könnte gelegentlich noch als Untertreibung angesehen werden. Von künstlerischen Schachtel-Versuchen Andy Warhols schlägt Klose den Bogen zu antiken und mittelalterlichen Philosophen. Er widmet sich pragmatisch der Geschichte der Logistikwelt von intermodalen Gehversuchen über die Containerisierung der bloßen Transportkette Lkw-Schiff-Lkw bis hin zu Folgen für umfassende Distributionsnetze. Er beschreibt die jeweiligen Wechselwirkungen und -beziehungen der „Twenty Foot Equivalent Unit“ (TEU) als standardisierte Maßeinheit sowohl mit der Welt der Mikrochips und digitalen Datenflüsse als auch mit handfesten regionalen, kontinentalen und globalen Lebensstrukturen. Er schlägt den Bogen von den Einflüssen der Containerisierung auf Teile der Architektur über TV-Shows à la „Big Brother“ und über die Entmenschlichung containerisierter Flüchtlingslager zur Problematik blinder Passagiere in Containern (3). Und er leitet von der Kritik der US-amerikanischen CSI-Beschlüsse, weltweit alle US-bestimmten Container durchleuchten zu lassen, über zu den Gefahren eines in Blechbox-Kategorien zerlegten Denkens und Seins für demokratische Prozesse und gesellschaftliche Solidarität.
Bedauerlicherweise hat Kloses Untersuchung ihn noch keinen Ausweg finden lassen aus der mit manchmal erschreckenden Beispielen beschriebenen Entwicklung – sie möge nicht „zu einer weiteren Verkapselung“ der Individuen führen, lautet frustrierend mager seine schlussfolgernde Hoffnung. Was dem Rezensenten den Rückverweis auf eine weitere Verszeile der eingangs zitierten Ode von „Rettet die Elbe“ gestattet:
„Wo ehedem Gras war
Da stehest jetzt Du, Container!
Und vor Dir ist ein Gefühl
Nichts.“
Autor: Burkhard Ilschner
Anmerkungen:
1. siehe auch Nix, Herbert: „Eine Kiste rationalisiert den Transport“; in:
WATERKANT, Jg. 21, Heft 2 (Juni 2006), S. 19 f.
2. Auf seiner Webseite www.containerwelt.info hat Klose eine vielfältige Sammlung
ernst zu nehmender Texte mit originellen (teils auch skurrilen) Video- und Soundclips
sowie augenzwinkernden Anmerkungen bereit gestellt.
3. siehe auch Dohrn, Reimer: „Schmutziges Spiel mit Menschen in Not“; in:
WATERKANT, Jg. 12, Heft 4 (Dezember 1997), S. 11 f.