Pfeiffer, Hermannus: Seemacht Deutschland – Die Hanse, Kaiser Wilhelm II. und
der neue Maritime Komplex; Ch. Links Verlag, Berlin 2009; ca. 220 Seiten, Paperback;
ISBN 978-3-8615-3513-3; Preis 16,90 Euro.
„Schon zwei Mal war Deutschland eine Seemacht“ beginnt der beschreibende Rückentext des Buches und fährt fort: „Die Hanse prägte 500 Jahre europäischer Geschichte und gilt heute als Vorbild für Europa. Das Flottenprogramm Kaiser Wilhelms II. endete dagegen im Ersten Weltkrieg. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, schickt sich das wiedervereinte Deutschland nun zum dritten Mal an, als Seemacht auf der Weltbühne eine Hauptrolle zu spielen.“
Hermannus Pfeiffer erläutert die Ursprünge der Hanse, erklärt ihre innere Organisation, beschreibt ihre Stärken und Schwächen und untersucht ihre Rolle im europäischen Wirtschaftsleben. Ein kurzer – sieben Seiten, vier Jahrhunderte: vielleicht zu kurzer – Sprung führt dann in die wilhelminischen Jahre: „Anders als die Hanse, die trotz ihres militärischen Potentials ihrem Charakter nach vor allem eine Außenhandelsorganisation war, die grundsätzlich den Frieden erhalten wollte, setzte der Maritime Komplex, der im wilhelminischen Kaiserreich entstand, von vornherein auf militärische Stärke.“
Pfeiffer beschreibt plastisch die irrationale Zuneigung des Kaiser zu allem Maritimen und schildert, wie der Monarch durchaus trickreich seine Rüstungspolitik verfolgte, erwähnt aber auch die Verdreifachung der Handelstonnage innerhalb von nur 20 Jahren. Das gleichfalls recht kurze Kapitel endet konsequenterweise mit der Novemberrevolution. Weil der „österreichische Weltkriegsheeresgefreite … Adolf Hitler wenig von Seemacht“ hielt, springt Pfeiffer dann über nur drei Seiten ins Jahr 2000.
Jetzt erst kommt er „richtig in Fahrt“. Fast die Hälfte seines Buches widmet sich der anschaulichen, aber auch sehr informativen Darstellung der „maritimen Erfolgswelle“, deren Auslösung er vor allem dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zuschreibt; aber auch Nachfolgerin Angela Merkel bekommt ihr Fett weg. Dieser Abschnitt verdiente das Prädikat „Polit-Thriller“, weil er teilweise detailliert Verflechtungen und Einflüsse innerhalb des „Maritimen Komplexes“ beschreibt, deren Schilderung durchaus geeignet sein könnten, als Unterrichtsmaterial in einem Leistungskurs „Demokratie“ herangezogen zu werden.
Könnten. Wären da nicht die kleinen Schwächen, die Pfeiffer sich immer wieder leistet. Die Rede ist nicht von gelegentlichen Schreib- und Grammatikfehlern, die sind heute nach den Reformwirren vergangener Jahre leider üblich. Nein, die Rede ist von Fehlern, Vereinfachungen oder Auslassungen, die letztlich dazu führen können, das Gesamtwerk zu diskreditieren – was schade wäre.
– Ein Buch über den bundesdeutschen Maritimen Komplex zu schreiben, ohne ein einziges Wort über Bundeskanzler Helmut Schmidt und sein Fregattenprogramm zu verlieren, ist – pardon – fahrlässig: Schließlich war dieses Programm nicht nur von Finanzskandalen begleitet, sondern auch von Debatten über die Gefahr neuer imperialistischer Ambitionen.
– In der Geschichte der Entwicklung der bundesdeutschen Handelsflotte die siebziger und achtziger Jahre mit ihren Ausflaggungen und Massenentlassungen deutscher Seeleute (bis zum Reeder-Sieg über die Politik namens „Zweitregister“) nur spärlich zu streifen, ist nicht minder unschön.
Das sind nur zwei der größeren Unterlassungen, die kleineren Fehler finden sich in Details über Fragen der Logistik, der Häfen, der Werften und vieles andere mehr: Hermannus Pfeiffer sollte dringend die WATERKANT abonnieren, dann wäre er in vielen Dingen besser informiert. (-bi-)