Comeback für legendäre Öko-Anarchisten – Rezension

Abbey, Edward: Die Mon­key Wrench Gang – Roman, mit Illus­tra­tio­nen von Robert Crumb;
Wal­de + Graf Ver­lag AG, Zürich 2010; Hard­co­ver, 470 Sei­ten; ISBN 978-3-0377-4015-6; Preis 24,95 Euro.

Stuttgart-21-Gegner, Wendland-Anti-Castor-Reisende, Windspargel-Betroffene und Autobahnbau-Protestierer – auf­ge­passt: Ihr seid hier­mit auf­ge­for­dert, die nach­fol­gen­den Zei­len eben­so wie das hier bespro­che­ne Buch aus­schließ­lich als Unterhaltungs-Lektüre und aus­drück­lich nicht als Hand­lungs­an­lei­tung auf­zu­fas­sen. Alles klar soweit?

Ätzen­der Humor über den Zeit­geist der sieb­zi­ger Jah­re des vori­gen Jahr­hun­derts und jede Men­ge skur­ri­ler Ideen: Aus die­sem Stoff ist der Roman „Die Mon­key Wrench Gang“ geschmie­det. Viel­leicht soll­te man bes­ser „zusam­men­ge­schraubt“ sagen – denn der eng­li­sche Begriff „mon­key wrench“ beschreibt jenes Vielzweck-Werkzeug, das hier­zu­lan­de als „Uni­ver­sal­schrau­ben­schlüs­sel“ oder umgangs­sprach­lich als „Eng­län­der“ bekannt ist. Im Roman steht es aller­dings für bra­chia­le, jedoch über­wie­gend komi­sche Ver­su­che, die Umwelt zu beschüt­zen, indem zer­stört wird, was sie zu zer­stö­ren droht. Macht kaputt, was Natur kaputt macht…

Vier sehr unter­schied­li­che Men­schen beschlie­ßen gemein­sam, es künf­tig in Sachen Umwelt­schutz nicht mehr bei blo­ßen Wor­ten zu belas­sen: Maschi­nen für Straßen-, Staudamm- oder Strom­tras­sen­bau und ande­re anthro­po­ge­ne Natur­zer­stö­run­gen müs­sen eben­so weg wie die Pis­ten, Däm­me und Mas­ten, die mit ihrer Hil­fe ent­ste­hen. Men­schen dür­fen dabei aber nicht zu Scha­den kom­men, das gilt als ver­ein­bart. Durch­ge­knall­te Freaks sind sie alle vier:

– Doc Sar­vis, als Medi­zi­ner sowohl Menschen- als auch Natur­freund, zün­delt ger­ne an allem, was Indus­trie, Han­del oder Wer­bung der Natur antun.
– Geor­ge W. Hay­du­ke, Vietnam-Veteran der Spe­cial Forces („Green Berets“), hegt eine archai­sche Zunei­gung zu Dosen­bier und Spreng­stoff (oder umgekehrt).
– Sel­dom Seen Smith ist „Mor­mo­ne auf Urlaub“ (die genaue Beschrei­bung ist nur begrenzt jugend­frei) und ver­dient sei­nen kar­gen Unter­halt mit Tou­ris­ten­rei­sen durch Wüs­te und Wildwasser.
– Bon­nie Abb­zug ist eine lang­haa­ri­ge Bronx-Pflanze mit „allen mög­li­chen Aus­zeich­nun­gen“ der Uni von Albu­quer­que, die Hes­se, Sex und Frei­heit liebt.

US-Autor Edward Abbey (1927-1989) hat meh­re­re Roma­ne und Sach­bü­cher über den Süd­wes­ten der USA, sei­ne Wahl­hei­mat, ver­fasst. Aber dies­seits des Atlan­tiks wur­de er nur durch die­sen einen Roman bekannt. Sei­ne Beschrei­bung der vier Haupt­ak­teu­re wie auch ihrer Gegen­spie­ler, das chao­ti­sche Mit- und Gegen­ein­an­der sowie die Details der Sabotage-Feldzüge – dank Abbeys tro­cke­nen Humors und zugleich dank sei­ner oft blu­mi­gen Aus­drucks­wei­se ergibt das alles zusam­men einen Lese­spaß ers­ter Güte.

Die sprü­hen­de Öko-Anarcho-Komödie wur­de in den USA schnell zu einem Kult­ti­tel des lite­ra­ri­schen Under­ground. Als sie 1975 erschien, war der Vietnam-Krieg gera­de vor­bei, Wood­stock bereits Legen­de und „Umwelt­schutz“ noch weit ent­fernt von einer Mas­sen­be­we­gung. Aus der aus­trock­nen­den Hip­pie­kul­tur spros­sen etli­che Freaks, denen das Enga­ge­ment für „Mut­ter Erde“ ein mehr oder weni­ger erns­tes Anlie­gen war. Abbeys Roman wur­de in den Acht­zi­gern und Neun­zi­gern zum Leit­bild der so genann­ten „Earth-First!“-Bewegung, einem spä­ter sogar inter­na­tio­na­len Netz­werk radi­ka­ler Umwelt­ak­ti­vis­ten. Ihr Sym­bol: Uni­ver­sal­schrau­ben­schlüs­sel und Ham­mer – dia­go­nal gekreuzt, wie es sich damals für selbst­er­nann­te Wider­ständ­ler gehör­te. Und der ver­ba­li­sier­te Begriff für den Schrau­ben­schlüs­sel – „mon­key wren­ching“ – wur­de zum glo­bal ver­stan­de­nen Syn­onym für Sabo­ta­ge, selbst­ver­ständ­lich für „gute“ Zwe­cke wie etwa Umweltschutz.

In Deutsch­land erschien der Roman im Jah­re 1987: Bei den Grü­nen hat­ten eini­ge gera­de begon­nen, die basis­de­mo­kra­ti­schen Wur­zeln zu kap­pen und der jun­gen Par­tei den Tram­pel­pfad zur Eta­blie­rung zu pla­nie­ren, Klaus Töp­fer wur­de nach dem Wallmann-Desaster der ers­te „rich­ti­ge“ Umwelt­mi­nis­ter und die Bri­ten waren Aus­rich­ter der legen­dä­ren zwei­ten Nordsee„schutz„konferenz: Damals blieb der als schmuck­lo­ses Taschen­buch erschie­ne­ne Roman („Die Uni­ver­sal­schrau­ben­schlüs­sel­ban­de“, rororo) ein schnell ver­grif­fe­ner Insider-Tipp – scha­de eigent­lich, aber das kann sich jetzt ja ändern: Denn die lie­be­voll gestal­te­te Neu­auf­la­ge als Hard­co­ver ist vor dem Hin­ter­grund immer neu­er Technokraten-Attacken auf Natur und Umwelt nicht nur ein durch­aus zeit­ge­mä­ßer Lese­spaß, son­dern dank der Illus­tra­tio­nen des ful­mi­nan­ten Underground-Comic-Zeichners Robert Crumb auch ein visu­el­les Vergnügen.
Autor: Burk­hard Ilschner

Die­se Rezen­si­on erschien in ähn­li­cher Form auch in der Bre­mer Sonn­tags­zei­tung „Kurier am Sonn­tag“ am 12. Juni 2011.