Huismann, Wilfried: Schwarzbuch WWF – Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda; Gütersloh, 2012; Gütersloher Verlagshaus; Paperback, 256 Seiten; ISBN 978-3-5790-6631-8; Preis 29,99 Euro.
Selten hat ein Sachbuch solch ein Aufsehen erregt: Seit Wilfried Huismann nach seinem WDR-Film über den WWF seine Recherche-Ergebnisse über diese Organisation im April dieses Jahres auch in gedruckter Form veröffentlicht hat, ist die Kampagne der WWF-Spitze gegen ihn keinen Tag zur Ruhe gekommen. Mitte Juni landete die Sache vor Gericht – noch ohne Ergebnis, aber mit beachtlichem Richter-Wort: „Der WWF muss sich auch Kritik gefallen lassen.“
Wir schreiben das Jahr 1986. In der ersten Ausgabe der neuen Zeitschrift WATERKANT erscheint ein Artikel, in dem sich der Wattenmeerbeauftragte des Naturschutzverbandes Niedersachsen (NVN), Manfred Knake, mit der „Missachtung von Naturschutz-Interessen“ im neu gegründeten Nationalpark-Beirat und insbesondere mit der Rolle des damaligen Bremer WWF-Funktionärs Holger Wesemüller auseinandersetzt. „Wesemüller hat von unserem Angebot, zu Knakes Kritik Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch machen wollen“, heißt es im Vorspann zu dem Artikel. Im Kern hat Knake damals dem WWF-Mann vorgeworfen, zu sehr mit den Mächtigen zu mauscheln, zu wenig zu opponieren – und eben Kritik auszusitzen und weiter zu mauscheln. Das war 1986. Heute Huismanns Buch zu lesen, löst ein Déjà-Vu-Gefühl aus: Alles schon mal dagewesen…
Um nicht missverstanden zu werden: Jeder, der die WATERKANT kennt, weiß, dass hier immer auch WWF-MitarbeiterInnen zu Wort gekommen sind; und die Redaktion pflegt viele gute Kontakte in diese Organisation zu fähigen und engagierten Menschen, die nichts anderes wollen als der Natur zu helfen. Aber das ist eine Erfahrung, von der auch Huismann zu berichten weiß: Die da unten im WWF sind oft „gut drauf“, sei hier mal salopp formuliert – für die da oben gilt das nur eingeschränkt.
Letzteres liegt ursächlich, wie das Buch verdeutlicht, zum einen in der Geschichte der Organisation und ihrer Funktionäre, zum anderen in deren Verquickungen mit jenen Mächtigen, die von der Sache her als Gegner gelten sollten. Es hat zu tun mit dem „Geschäftsmodell“ und der Struktur des WWF. Nicht ohne Grund setzt Huismann in sein Schlusswort ein ausdrückliches Dankeschön an jene WWF-Mitarbeiter, die ihm „wertvolle Einblicke in das Innenleben des grünen Empire gegeben“ hätten in der Hoffnung auf eine kritische Debatte „über die ethischen und politischen Grundsätze von Naturschutzarbeit“.
Die bisherigen Reaktionen des WWF lassen anderes befürchten. Obwohl dies eigentlich eine Rezension der Buchinhalte hätte werden sollen, sei hier gestattet, sich auf eine kurze und präzise Empfehlung zu beschränken: Liebe Leserinnen, liebe Leser, besorgt Euch das „Schwarzbuch WWF“, solange es noch in unzensierter Form zu haben ist – vertraut nicht darauf, dass das eingangs zitierte Richter-Wort langfristig Bestand hat. Wer Huismanns Buch dann liest, erfährt so viel über die Formen und Folgen jener „Umarmungs“-Strategie, die der WWF nach eigenem Selbstverständnis gegenüber den Mächtigen pflegt, dass jedes Erstaunen ausbleibt, falls es doch zu Zensur kommen sollte…
Apropos Zensur: Es ist beschämend, in welchem Ausmaß Versandhandel, Grossisten und Buchhandelsketten sich frühzeitig den Drohgebärden der WWF-Juristen beugten und Huismanns Buch aus ihrem Angebot aussonderten. Was Huismann und das Gütersloher Verlagshaus in den vergangenen Wochen erlebt haben, ist nichts anderes als ein schändliches Beispiel für kulturloses Ersticken von Kritik. Bevor dieser Artikel geschrieben wurde, war der WWF in seiner Drohkampagne gegen das Schwarzbuch zu Hochform aufgelaufen; es war aber klar, dass dieses Heft erst nach dem Gerichtstermin erscheinen würde. Auf Anfrage gab daraufhin die Presseabteilung des Verlagshauses die Empfehlung, diese Rezension nicht mit Zitaten anzureichern, weil es sonst (juristisch) schwierig werden könne.
Huismanns Buch ist ebenso spannend wie schockierend, obwohl es nur einen Bruchteil der WWF-Aktivitäten beschreibt. Auch nachhaltig gefangener Fisch stinkt vom Kopfe her. Dieses Buch könnte der Anstoß sein für ein anderes Naturschutzverständnis beim WWF – aber dafür müsste diese Organisation sich erneuern.
Autor: Burkhard Ilschner
Informationen zum Rechtsstreit auf der Autorenseite des Verlages.