Zeller, Christian: Revolution für das Klima –
warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen;
München, 2020; oekom Verlag; Paperback, 242 Seiten;
ISBN 978-3-9623-8188-2; Preis 22,00 Euro.
Das fängt ja gut an! Von wegen „Revolution für das Klima“! Der Titel dieses Buches ist blanker Verbalradikalismus, der nicht ansatzweise ernst gemeint ist und im gesamten weiteren Textverlauf nicht eingehalten wird. Wer sich in der Geschichte sozialistischer Bestrebungen auskennt, der weiß: „Die Revolution ist ein Aufstand, ein Gewaltakt, durch den eine Klasse eine andere Klasse stürzt.“ Aber genau das meint der Salzburger Wirtschaftsgeograph Christian Zeller nicht, wenn er von „Revolution“ spricht. Bei ihm klingt das nämlich ganz brav so: „Eine ökosozialistische Umwälzung der Gesellschaft zielt auf die demokratische gesellschaftliche Aneignung der Produktion, der Transportinfrastruktur und einen massiven Ausbau der gesellschaftlichen Infrastruktur, die weitgehend gratis anzubieten ist. (…) Das bedeutet, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten in einem Prozess der Selbstermächtigung (was immer das heißen soll – Anm. d. Verf.) sich der wirtschaftlichen und politischen Macht der bürgerlichen Klasse erfolgreich entgegenstellen und diese beenden.“ Alles klar – und die Klasse der Ausbeuter und Unterdrücker sagt dann einfach „tschüs“. Oder wie?
Ironie beiseite: Zeller liefert eine Menge spannender und aufschlussreicher Analysen und eine mindestens ebenso umfangreiche Liste von Ideen und Anregungen, was denn zu tun sein könnte. Und, ja, er geht von umfassenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen aus, die zwingend erforderlich sind, um die Klimaerwärmung wirklich zu begrenzen. Er hält den Klimawandel für eine systemisch bedingte Folge kapitalistischen Wirtschaftens, er begründet dies ausführlich und in verständlich lesbarer Form (wenngleich er vereinzelt in platten Propagandasprech abgleitet). Er verwendet viel Mühe und noch mehr Zeilen, um mit etlichen Überlegungen jener Kräfte schlüssig abzurechnen, die nach wie vor behaupten, sie könnten die vielfältigen Folgen des Kapitalismus – für die Menschen, ihre Umwelt, für natürliche Ressourcen oder die Entwicklung des Klimas – mit Tricks aus der eigenen Systemkiste bremsen: Das geht gegen technokratische Ansätze wie etwa CCS-Anwendungen ebenso wie gegen börsianische Eskapaden, die letztlich nur die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander klaffen lassen.
Manchmal neue Denkanstöße
Zeller liefert zwar nicht wirklich eigene Ansätze zur Problemlösung, er verknüpft aber häufig Fragmente aus anderen Diskussionszusammenhängen schlüssiger als vielleicht bisher geschehen – beispielsweise, wenn er herleitet, dass Antimilitarismus zwingend Bestandteil einer globalen Klimabewegung sein müsse. Viele seiner Vorschläge sind im Prinzip bekannt, werden aber manchmal ungewohnt kombiniert und geben durch diese Herangehensweise neue Denkanstöße. Klar, der bei ihm auf die Klimabewegung fokussierte Vorschlag eines breiten Bündnisses von Umweltinitiativen, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Kräften ist auch nicht neu – die „Aktionskonferenz Nordsee“ (AKN), aus der WATERKANT entstanden ist, hatte das schon 1984 im Programm –, trotzdem gelingt es ihm, diese bislang vielfach gescheiterte Idee aktuell und unabdingbar erscheinen zu lassen.
Oft ist er aber leider auch zu oberflächlich: Selbstverständlich ist seine Forderung, die Konzerne der fossilen Industrie zu vergesellschaften, im Interesse einer anderen Klimapolitik richtig und notwendig – aber in die entsprechenden Ausführungen hätte schon einmal der Hinweis gehört, dass diese Konzerne vielfach aus einst kommunalen und dann „privatisierten“ Gesellschaften hervorgegangen sind; dass es also gilt, Fehler von früher – die damals auch von links bereits heftig kritisiert worden sind – schleunigst zu beheben. Was übrigens für seine Kapitel etwa über den erforderlichen Umbau von Infrastruktur für klimagerechteres Leben und Wohnen genauso gilt: Auch Verkehrs- und Kommunikationsnetze oder die Gesundheitsversorgung waren einst Bestandteile staatlicher Daseinsvor- und -fürsorge, wären also im Zuge einer ökosozialistischen Wende (um nicht fälschlich „Revolution“ zu sagen) erheblich leichter zu vergesellschaften, hätte es seinerzeit die privatisierende Zerschlagungswelle nicht gegeben.
Christian Zeller hat, bilanzierend formuliert, ein spannendes und trotz gelegentlicher Ausrutscher in Plattparolen gut lesbares Buch geschrieben. Nur sollte es mit Bedacht gelesen werden.
Peer Janssen