Reise, Karsten: Das Watt – erlebt, erforscht und erzählt;
Hamburg, 2021; KJM-Buchverlag; Hardcover, 224 Seiten;
ISBN 978-3-9619-4137-7; Preis 20,00 Euro.
Der Untertitel ist programmatisch zu verstehen – „erlebt, erforscht und erzählt“: Dieses Buch ist nicht weniger als ein Leseabenteuer, das sich ebenso lehrreich und spannend wie lebensfroh und engagiert präsentiert. Der Autor, Professor Dr. Karsten Reise, war viele Jahre lang Leiter der Wattenmeerstation auf Sylt und gilt als einer der besten Kenner jener tideabhängigen, sensiblen und vielfältigen Schlickflächen entlang der Küsten der südlichen Nordsee. Der mittlerweile 74 Jahre alte Zoologe und Meereskundler, seit 2013 im (Un-)Ruhestand, hat mit diesem (nicht nur wegen seiner brillanten bibliophilen Ausstattung) schwergewichtigen Werk eine Autobiographie der besonderen Art vorgelegt: Es ist eine fragmentarische Sammlung erzählter Lebensgeschichte, die aber zugleich über diese „Wunderwelt zwischen Land und Meer“ informiert, sie detailreich beschreibt und so eindringlich für ihren Schutz wirbt.
Mit mehr als 50 teils knappen, teils ausführlichen Kapiteln lässt Karsten Reise, Kennern dieser Seite und unserer einstigen Zeitschrift als gelegentlicher Autor bekannt, teilhaben an einer Forschungsexpedition der besonderen Art: Anknüpfend zum Beispiel an persönliche Kindheits-, Jugend- oder Lebenserinnerungen, stellt er nicht nur die hiesigen, sondern ebenso die Wattlandschaften anderer Regionen vor, schildert Eindrücke, Beobachtungen und Forschungsergebnisse. Wattwurm, Seehund, Garnele, Miesmuschel, Austern, Wattwandervögel – mal geht es um einzelne Arten, mal um Tiden, Sände, Priele oder klimatische Entwicklungen; mal reicht die immer mitnehmende und verständliche Schreibe zurück in vergangene Zeiten, mal vermischen sich wissenschaftliche Fakten mit individuellen Erlebnissen, werden anthropogene Einflüsse gegeißelt oder politische Entwicklungen geschildert und kommentiert: Begünstigt durch eine ansprechend liebevolle typographische Gestaltung und illustriert teils durch Zeichnungen des Autors, teils durch eindrucksvolle Photos, entsteht so ein abwechslungsreiches Potpourri gut erzählter Geschichten.
„Im Watt muss man nur lange genug herumlaufen, bis einmal für unmöglich Gehaltenes doch passiert“, schreibt Karsten Reise an einer Stelle: Eigentlich geht es dabei nur um eine zufällige Kollision zwischen ihm und einer Pfuhlschnepfe – tatsächlich könnte man das auch als Motto des gesamten Buches verstehen. Obwohl die thematische Gliederung beim Lesen manchmal etwas sprunghaft wirkt, verliert man doch nie den Zusammenhang. Und so fällt es schon nach den ersten Seiten leicht, sich auf dieses Buch einzulassen, auf eine ebenso interessante wie unterhaltsame Entdeckungsreise voller Überraschungen. Toll.
Burkhard Ilschner