Ein Gutachten der Umweltverbände BUND, NABU und WWF klatscht den Eignern und Betreibern der großen norddeutschen Seehäfen harsche Worte um die Ohren: Noch länger vom „unbegrenzten Wachstum im Containerverkehr“ zu reden, sei ein „überholtes Geschäftsmodell“ und „zum Scheitern verurteilt“. Die vorige Woche präsentierte Studie verlangt grundlegendes Umdenken in der deutschen Hafenpolitik.
Autoren der Untersuchung sind die Ökonomen Henning Vöpel und André Wolf vom gemeinnützigen Centrum für Europäische Politik (cep) aus Freiburg; beide kommen vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), wo Vöpel sich schon vor Jahren verhalten gegen die inzwischen vollzogene Elbvertiefung als „ultima ratio“ der Hafenzukunft ausgesprochen hatte. Das aktuelle Gutachten ist fokussiert auf Hamburg, mahnt aber auch, die Ergebnisse „bei der Planung einer weiteren Weservertiefung“ zu berücksichtigen.
Kurzer Rückblick: Seit Jahrzehnten peilen die großen deutschen Seehäfen Hamburg und Bremerhaven/Bremen in immer neuen Prognosen hohe Wachstumsraten insbesondere beim Containerumschlag an, die dann aber nie erreicht werden. Und immer wieder sind vor allem die angeblich zu niedrigen Fahrwassertiefen der Zufahrten via Elbe und Weser dafür verantwortlich, folglich werden weitere Ausbaggerungen gefordert. An der Elbe ist die jüngste erfolgt und entpuppt sich als Fehlplanung, an der Weser wird die nächste trotz Warnungen und ökonomischer Umbrüche weiter verfolgt.
Vöpel und Wolf halten dagegen: Die Häfen klammerten sich viel zu stark an traditionelle Modelle; in Hamburg wie Bremerhaven sei der Containerumschlag „im Trend rückläufig“ und habe sich längst „deutlich vom allgemeinen Wirtschaftswachstum abgekoppelt“. Zwar seien die deutschen Nordseehäfen für die Versorgung unentbehrlich, doch hätten sie im Vergleich etwa zu Rotterdam und Antwerpen „erhebliche Marktanteile verloren“.
Auf weitere Flussvertiefungen verzichten
Jeder Versuch, durch „interventionistische Maßnahmen wie Flussvertiefungen“ weiteres Wachstum zu erzwingen, ignoriere die sich stark verändernden Trends im globalen Handel. Das Gutachten beschreibt erhebliche geoökonomische Verschiebungen von Lieferketten, gestützt auf Daten etwa der Welthandelsorganisation WTO oder der Weltbank. Gerade die maritime Wirtschaft stehe vor strukturellen und technologischen Veränderungen, auch lokal – von Digitalisierung und Automatisierung ist die Rede, von Künstlicher Intelligenz oder von den Herausforderungen der Dekarbonisierung. Diesem Wandel müssten die Häfen sich stellen statt ihr „Business-as-Usual“-Geschäftsmodell weiter auf Kosten von Natur und Umwelt zu organisieren.
Die Umweltverbände schlussfolgern aus der Studie, Flussvertiefungen an Elbe oder Weser ließen sich „wegen des geringen volkswirtschaftlichen Nutzens bei gleichzeitig hohen ökologischen Schäden durch Ausbau und Instandhaltung von Gewässern“ nicht mehr rechtfertigen. Dreistellige Millionenbeträge etwa für die jährlichen Unterhaltungskosten allein für die Elbe entbehrten jeder ökonomischen Vernunft – in konjunkturell guten Zeiten und erst recht in der aktuellen Situation. Jede Schiffspassage von und nach Hamburg, die den bestehenden Tiefgang ausnutzt, werde quasi mit einem sechsstelligen öffentlichen Betrag subventioniert.
Fazit der Untersuchung ist die nicht nur von den Umweltverbänden schon wiederholt vorgetragene Forderung nach einer anderen Hafenpolitik. Zum einen zielt das auf Kooperation Hamburgs, Bremerhavens und des Tiefwasserhafens JadeWeserPort, und zwar so, „dass maximale Wertschöpfung bei minimalem negativen Einfluss auf Natur und Umwelt garantiert wird“. Zum anderen sei – eine passende Mahnung vor der Bundestagswahl – der Bund gefordert, sich finanziell und strategisch in die Hafenentwicklung einzumischen, „notfalls auch gegen föderale Eigeninteressen“. Das schließe ein, sich auch um neue Wertschöpfungspotenziale für die Seehäfen „vor allem als Produktionsstandorte und Hubs für erneuerbare Energien“ zu bemühen.