Rotes Meer: Folgenreiche Angriffe auf Schiffe

Die Angrif­fe auf Fracht­schif­fe im Roten Meer haben im Dezem­ber die Anzahl trans­por­tier­ter Con­tai­ner dras­tisch ein­bre­chen las­sen: Das gab Mit­te die­ser Woche das Kie­ler Insti­tut für Welt­wirt­schaft (IfW) im jüngs­ten Monats­be­richt bekannt. Die Trans­port­men­ge lie­ge aktu­ell „fast 70 Pro­zent unter dem eigent­lich zu erwar­ten­den Aufkommen“. 

Kon­kret bezif­fert das IfW die täg­li­che Container-Menge im letz­ten Monat des ver­gan­ge­nen Jah­res mit rund 200.000 TEU, im Monat zuvor (Novem­ber) sei­en es noch mehr als 500.000 gewe­sen. Betrof­fen von den Angrif­fen sind zwar auch Tan­ker oder Mas­sen­gut­trans­por­te, hier feh­len aber momen­tan noch belast­ba­re Zah­len über Umfang und Fol­gen der Rückgänge.

Seit knapp acht Wochen meh­ren sich bekannt­lich Angrif­fe der wei­te Tei­le Jemens kon­trol­lie­ren­den Ansarollah-Miliz (Hut­hi) auf See­schif­fe im Roten Meer. Zwar wird in die­sem Kon­text immer wie­der betont, Angriffs­zie­le sei­en Schif­fe von und nach israe­li­schen Häfen oder mit Fracht für Isra­el – aller­dings gibt es in der Schiff­fahrt Zwei­fel, dass das so auch unein­ge­schränkt zutref­fe: Als Bei­spiel wird der Über­fall auf den Hapag-Lloyd-Frachter Al Jas­rah genannt – das kurz vor Weih­nach­ten von einer Droh­ne getrof­fe­ne Con­tai­ner­schiff war qua­si nur „auf Durch­rei­se“ von Pirä­us nach Sin­ga­pur. Es hat aber einst zur Flot­te der 2017 von Hapag-Lloyd über­nom­me­nen Ree­de­rei UASC gehört – der mit den Ansa­rol­lah ver­fein­de­ten Sau­dis. Zufall?

Tau­sen­de Kilo­me­ter Umweg

Nach Anga­ben des Info­por­tals Mari­ti­me Insight haben die Ansa­rol­lah vor weni­gen Tagen via X (ehe­mals Twit­ter) ver­langt, dass Schif­fe vor Pas­sa­ge des Roten Meers Routen- und Fracht­da­ten über­mit­teln soll­ten, um Angrif­fe zu ver­mei­den. Etli­che Schiff­fahrts­un­ter­neh­men haben auf die bis­lang mehr als 25 Angrif­fe reagiert, knapp 20 gro­ße Lini­en­ree­der mei­den der­zeit das Rote Meer und fah­ren im Asien-Europa-Verkehr alter­na­tiv um Süd­afri­ka. Das bedeu­tet je nach Start- und Ziel­ha­fen einen Umweg zwi­schen 5500 und 6500 Kilo­me­tern und damit eine län­ge­re Fahrt­zeit zwi­schen zehn und 14 Tagen. Nicht nur höhe­re Kos­ten für Schiffs­aus­rüs­tung oder Treib­stoff sind die Fol­ge, son­dern das ver­langt auch deut­lich mehr Schif­fe, um die nach der Pan­de­mie gera­de wie­der sta­bi­li­sier­ten Fahr­plä­ne ein­hal­ten zu kön­nen: Die Flot­te wächst zwar – aber für so über­ra­schen­de Ent­wick­lung nicht schnell genug. Län­ge­re Fahrt­zeit, mehr Ein­hei­ten – bei­des erschwert das Crew-Management erheb­lich, sowohl die Bord­zei­ten für See­leu­te als auch ihre Hei­mat­ur­lau­be gera­ten wie­der durch­ein­an­der. Und es droht erneut, wie wäh­rend der Pan­de­mie, ein Man­gel an Leercontainern.

Die Ree­der legen die­se Kos­ten um, die Fracht­ra­ten stei­gen dras­tisch, Kun­den müs­sen trotz erheb­li­cher Ver­zö­ge­run­gen kräf­tig drauf­zah­len: Der Shang­hai Con­tai­ne­ri­zed Freight Index (SCFI), welt­weit meist ver­wen­de­ter See­fracht­ra­ten­in­dex im Asi­en­han­del, offen­bart aktu­ell pro Stan­dard­con­tai­ner (TEU) einen Preis­an­stieg von rund 580 US-Dollar Ende Okto­ber auf knapp 2900 Dol­lar zu Beginn der ver­gan­ge­nen Woche, in nur vier Wochen stieg der Wert um 74 Pro­zent. Dabei ent­spricht es der Logik kapi­ta­lis­ti­scher Märk­te, dass dies zugleich die Bör­sen­kur­se der Ree­de­rei­en in die Höhe schie­ßen lässt: Hapag-Lloyds Akti­en etwa erreich­ten jüngst den höchs­ten Stand seit Mit­te Okto­ber, Møller-Mærsk leg­te seit Mit­te Dezem­ber um fast zwei Drit­tel zu.

Ent­wick­lung treibt Prei­se hoch

Nicht nur die­se bei­den, auch der Gen­fer Welt­markt­füh­rer MSC oder Frank­reichs CMA CGM ver­zich­ten der­zeit ganz oder über­wie­gend auf Pas­sa­gen durchs Rote Meer. Auch ande­re gro­ße Schiff­fahrts­un­ter­neh­men – egal, ob Süd­ko­re­as HMM, Japans Oce­an Net­work Express (ONE), die Cosco-Reederei OOCL aus Hong­kong oder Tai­wans Yang Ming –, sie alle fah­ren um Süd­afri­ka. Tai­wans Ever­green, so das Info­por­tal GCap­tain, habe gar kon­se­quent die Annah­me israe­li­scher Fracht vor­erst kom­plett eingestellt.

Die Fol­gen für hie­si­ge Ver­brau­cher­prei­se wer­den unter­schied­lich bewer­tet: Kiels IfW stell­te fest, außer etwas län­ge­ren Lie­fer­zei­ten und erhöh­ten Fracht­kos­ten sei­en „kei­ne nega­ti­ven Fol­gen für den welt­wei­ten Han­del zu erwar­ten“. Lon­dons Bera­tungs­bü­ro Dre­wry ist da etwas vor­sich­ti­ger: Die nächs­ten vier bis fünf Wochen könn­ten „ent­schei­dend“ sein. Der Lon­do­ner Ver­si­che­rungs­markt, so das Por­tal Mari­ne­Link, hat das süd­li­che Rote Meer zum Hoch­ri­si­ko­ge­biet hoch­ge­stuft: Schif­fe müss­ten ihre Ver­si­che­rer benach­rich­ti­gen und Zusatz­prä­mi­en zah­len, wenn sie hin­durch fah­ren wollen.

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WATERKANT-Redaktion