Neue Köhlbrandbrücke – braucht’s die denn?

Eine neue Giga-Brücke für Ham­burgs Hafen: Die jetzt schon stadt­bild­prä­gen­de Que­rung des Elb­ne­ben­arms Köhl­brand soll mit Mil­li­ar­den­auf­wand erneu­ert wer­den, für die Schiff­fahrt 20 Meter höher als die über­al­ter­te jet­zi­ge Brü­cke. – Die Berich­te über den jüngs­ten Senats­be­schluss hier­zu las­sen eines unbe­rück­sich­tigt: Die Fra­ge, ob die Rie­sen­schif­fe, denen das nüt­zen soll, künf­tig über­haupt noch kom­men werden. 

Der Ham­bur­ger Logis­tik­pro­fes­sor Jan Lin­ne­mann prä­sen­tier­te kürz­lich eine Stu­die im Auf­tra­ge des Unter­neh­mens­ver­bands Hafen Ham­burg (UVHH) und der loka­len Han­dels­kam­mer, in deren Ein­lei­tung zu lesen ist: „In der Pres­se wird der Abstieg des Ham­bur­ger Hafens in die 2. Liga the­ma­ti­siert“, der UVHH wäh­ne „den Hafen gar in einer der schwers­ten Kri­sen der letz­ten Deka­den“. Die kürz­lich von der Ber­li­ner Ampel vor­ge­stell­te Natio­na­le Hafenstra­te­gie (NHS) lie­fer­te auch auf drän­gen­de Fra­gen zur Zukunft des Ham­bur­ger Hafens kei­ne kon­kre­ten Ant­wor­ten – und klam­mer­te, wie berich­tet, jed­we­de Maß­nah­men­fi­nan­zie­rung weit­ge­hend aus. Und der jahr­zehn­te­lan­ge Kampf Ham­burgs für eine Elb­ver­tie­fung hat viel Geld ver­schlun­gen, den geplan­ten Erfolg teil­wei­se vor­ent­hal­ten und dafür neue Pro­ble­me geschaffen.

Angriff auf die Belegschaft

Lin­ne­mann stellt fest, der Con­tai­ner­um­schlag in Ham­burg sei „unter das Niveau des Jah­res 2010 zurück­ge­fal­len“. Der For­scher von der Ham­burg School of Busi­ness Admi­nis­tra­ti­on (HSBA) bezeich­net die Ursa­chen der Pro­ble­me als „grund­sätz­lich bekannt“: Im Wett­be­werbs­ver­gleich habe der Hafen deut­lich zu hohe Kos­ten und „zu nied­ri­ge Pro­duk­ti­vi­tät an den Ter­mi­nals“; sei­ne Kri­tik etwa an gel­ten­den Tari­fen darf indes auch als Angriff auf die kämp­fe­ri­sche Beleg­schaft ver­stan­den wer­den. Zudem erwei­se sich „die ver­kehrs­geo­gra­phi­sche Lage Ham­burgs immer stär­ker als Hemm­schuh“: Ins­be­son­de­re die see­sei­ti­ge Erreich­bar­keit – lan­ge und tide­ab­hän­gi­ge Zufahrt von der Nord­see – und die Flä­chen­re­ser­ven bedeu­te­ten täg­li­che Her­aus­for­de­run­gen wegen der innen­stadt­na­hen Lage.

Der Con­tai­ner­um­schlag ent­wi­cke­le sich „abge­kop­pelt vom glo­ba­len Trend“, stellt Lin­ne­mann unter ande­rem fest – und auch „von der … des deut­schen Außen­han­dels“. 2010 hat­te eine amt­li­che Pro­gno­se für 2025 einen Jah­res­um­schlag von 25 Mil­lio­nen TEU (Stan­dard­maß für Con­tai­ner) vor­her­ge­sagt. Tat­säch­lich waren es 2023 nur 7,7 Mil­lio­nen TEU – 6,9 Pro­zent weni­ger als 2022 mit 8,3 Mil­lio­nen TEU. In der so genann­ten Nord­ran­ge – das umfasst die Häfen von Rot­ter­dam, Ant­wer­pen (mit Brüg­ge), Ham­burg und Bre­men – habe die Elb­me­tro­po­le in den Jah­ren 2007-2022 die stärks­ten Umschlags­ver­lus­te hin­neh­men müs­sen. Unter ande­rem ver­weist Lin­ne­mann in die­sem Kon­text auf die Hafen­ent­wick­lung im Ost­see­raum, den star­ken Aus­bau gro­ßer Häfen wie Gdansk oder Göte­borg: Weil immer häu­fi­ger Lini­en­ree­de­rei­en Ost­see­hä­fen direkt anfah­ren, büßt Ham­burg wesent­li­che Umschlags­men­gen ein, weil das so genann­te Trans­ship­ment, der Umschlag vom gro­ßen Interkontinental-Frachter auf klei­ne­re Ein­hei­ten zur intra­kon­ti­nen­ta­len Ver­tei­lung, zurück­geht oder entfällt.

Ham­burg auf „abstei­gen­dem Ast“?

Lin­ne­manns Fazit: Ham­burgs Umschlag wer­de „sich mit­tel­fris­tig vor­aus­sicht­lich auf dem Niveau von weni­ger als 10 Mil­lio­nen TEU ein­pen­deln“. Sol­che Kri­tik ist nicht neu: Erst vor weni­gen Mona­ten hat­te das Maga­zin Schiff­fahrt und Tech­nik in sei­nem News­let­ter sar­kas­tisch fest­ge­stellt: „Nie­man­dem fallt es leicht anzu­er­ken­nen, dass er auf dem abstei­gen­den Ast ist. Das gilt offen­sicht­lich auch für Hamburg.“

Die Brü­cke über den Köhl­brand über­spannt die Zufahrt zum HHLA-Terminal Alten­wer­der, gele­gent­lich hat sich die jet­zi­ge Durch­fahrts­hö­he von rund 50 Metern für man­che Rie­sen­schif­fe als zu nied­rig erwie­sen. Aber sowohl die Ana­ly­sen eines Jan Lin­ne­mann als auch jüngs­te Ent­wick­lun­gen in der Schiff­fahrts­bran­che las­sen es doch frag­lich erschei­nen, ob die Grö­ße der Ham­burg anlau­fen­den Schif­fe wei­ter zu- oder eher abneh­men wer­de. Als kürz­lich der däni­sche Reederei-Riese Mærsk und Ham­burgs Hapag-Lloyd ihre „Gemini“-Kooperation ankün­dig­ten, spra­chen bei­de unter ande­rem von einer Fle­xi­bi­li­sie­rung im Trans­ship­ment – Giga-Schiffe nur noch in Giga-Häfen. Was, wenn ande­re Ree­der dem fol­gen? Was, wenn nur noch mit­tel­gro­ße Con­tai­ner­schif­fe Ham­burg anlau­fen – benö­tigt man dann eine 5-Milliarden-Brücke der jetzt geplan­ten Dimensionen?

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WATERKANT-Redaktion