Immer wieder, immer mehr – die neuere Geschichte der Meyer Werft scheint undenkbar ohne ständige Subventionen und andere öffentliche Hilfen. Jetzt will das Papenburger Familienunternehmen schon wieder Geld von den Steuerzahlern und die Politik scheint gewillt, dem nachzukommen.
Soeben berichtete der Norddeutsche Rundfunk (NDR) über eine Ankündigung des Landes Niedersachsen, bei dem Unternehmen direkt mit einzusteigen. Seit Wochen ist der knapp 225 Jahre alte Familienkonzern wieder mal in den Schlagzeilen: Er braucht angeblich dringend viel Geld, es gebe eine „Finanzierungslücke“ bis Ende 2027 in Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro, um zu überleben und um möglichst viele der zur Zeit rund 3300 Arbeitsplätze zu erhalten.
Das klingt erschreckend, ist aber nur der momentane Gipfel eines bereits Jahrzehnte eskalierenden Skandals. Jedoch sind im Emsland, in Niedersachsen und im Bund nur Wenige bereit, das auch so zu nennen. Richtig ist, dass die Meyer Werft in der strukturschwachen Region um Papenburg die mit Abstand meisten Arbeitsplätze bietet. Sie sorgt zudem bei vielen Zulieferern für relativ sichere Beschäftigung, was über den Konsum wiederum die regionale Wirtschaft stärkt. Wer also die Familie Meyer kritisiert, riskiert böse Worte nicht nur von deren Seite. Auch mehrfache Enthüllungen über schlechte Arbeitsbedingungen oder empörende Zustände bei Leiharbeitern änderten daran wenig.
Kreuzfahrt-Häfen wehren sich
Die Meyer Werft gehört seit langem zur Weltelite der Kreuzfahrtschiffbauer. In Papenburg entstehen gigantische schwimmende Vergnügungspaläste, die anschließend, Weltmeere querend, jeweils Tausende Passagiere in Küstenstädte tragen. Die profitieren zwar von diesem Boom, drohen aber zunehmend auch unter ihm zu ersticken – und beginnen, sich zu wehren. Venedig oder Barcelona bieten dazu neben immer mehr anderen Häfen aktuelle Beispiele.
Schiffbau wie am Fließband: Die Werft hat an ihrem Geschäftsmodell lange exorbitant verdient und ist dabei vom Staat immer wieder „gepampert“ worden (siehe unten). Auch zur Zeit hat das Unternehmen volle Auftragsbücher bis 2028, kann die georderten Schiffe aber angeblich nicht bauen. Branchenüblich würden nur rund 20 Prozent der Baukosten vom Auftraggeber angezahlt, etwa 80 Prozent müssten jeweils von der Werft vorgeschossen werden. Nicht nur die Werftleitung selbst, auch die Gewerkschaft sowie etliche Lokal- und Landespolitiker beklagen, dieses Geld fehle derzeit – besagte 2,7 Milliarden Euro. Schuld seien Pandemiefolgen, gemeint ist der temporäre Zusammenbruch des Kreuzfahrtgeschäfts, sowie der massive Energie- und Rohstoffkostenanstieg.
Jüngst hat ein Sanierungsgutachten Medienberichten zufolge „Zuversicht“ verbreitet, allerdings müssten ein niedriger dreistelliger Millionen-Betrag eingespart und rund 340 Stellen – „weniger als befürchtet“ – abgebaut werden. Und es werde „frisches Geld“ benötigt, konkret Kreditbürgschaften für rund 2,3 Milliarden sowie etwa 400 Millionen Eigenkapitalaufstockung. Woher und wie, ist momentan noch etwas unklar. Sicher scheint, dass die öffentliche Hand, also die Steuerzahler, Bürgschaften gewähren soll, von Zwischenfinanzierungen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist ebenso die Rede wie von einer direkten Landesbeteiligung. Die aktuelle Zusage Niedersachsens soll angeblich die Hälfte der Eigenkapitalaufstockung bringen, allerdings „nicht direkt“ zu Lasten des Haushalts, vermutlich also über einen der inzwischen üblichen Schattenetats. Hannover fordert dafür Zugeständnisse, etwa, dass Meyer seinen vor Jahren ins Steuerparadies Luxemburg verlegten Firmensitz wieder nach Deutschland „umbucht“ – das aber ist traditionell eigentlich nicht Meyers „Ding“.
Millionen-Poker
Die Werft und vor allem ihr Patriarch Bernard Meyer – bestens vernetzt in regionaler Politik und maritimer Wirtschaft – sind eher bekannt für immer neue Unterstützungsforderungen. Das Kernproblem: Meyer baut Schiffe in einer Größe, für die die Ems nicht geeignet ist. Standortverlagerung an die Küste, etwa nach Emden, hat er abgelehnt. Pläne eines eigens für ihn gebauten Kanals haben sich zerschlagen. Für mehrere hundert Millionen Euro Steuergeld entstand ein Sperrwerk, ständige Baggerarbeiten im Fluss kosten das Land jährlich zweistellige Millionenbeträge. Naturschützer ließen sich mit weiteren Millionen geplante Einsprüche abkaufen, in den fünf Jahren von 2019-23 kassierte allein die Stammwerft mehr als zehn Millionen Euro Subventionen etwa als Innovationsförderung.
Das sind nur einige Fakten über die Meyer Werft. Eines aber bleibt bislang in allen Berichten unerwähnt, von allen Medien unrecherchiert: Patriarch Meyer, einer der reichsten Deutschen, hatte 2006 laut manager magazin ein Privatvermögen von rund 400 Millionen Euro, 2012 gar 700 Millionen. Wie viel zudem in der Familienstiftung oder verbundenen Firmen steckt, ist nicht bekannt. Wäre völlige Offenlegung vor weiterer Subvention oder Bürgschaft nicht fair gegenüber allen Steuern zahlenden Menschen?