Seit Jahrzehnten wird um den Einsatz etlicher langlebiger Gifte in Landwirtschaft und Technik gestritten, vielfach – aber bis heute noch immer nicht flächendeckend – sind sie längst verboten. Verschwunden sind sie nicht: Britische Meeresbiologen haben in Flohkrebsen aus der Tiefsee extreme Konzentrationen langlebiger organischer Schadstoffe nachgewiesen und ihre im vergangenen Jahr abgeschlossene Untersuchung jetzt im Journal „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlicht.
Aus tiefsten Meeresstellen im Marianen- und im Kermadec-Graben haben die Forscher der Universitäten von Newcastle und Aberdeen das Fettgewebe von Flohkrebsen (Amphipoda) auf langlebige Giftstoffe, wie sie etwa in Dioxinen, DDTs oder Flammschutzmitteln enthalten sind, untersucht – und erschreckende Spitzenwerte solcher Stoffe entdeckt. „Das Erbe und die Reichweite des anthropogenen Einflusses wird am deutlichsten durch seine Auswirkungen auf die entlegensten und unzugänglichen Lebensräume auf der Erde belegt“, heißt es in der Veröffentlichung: Die nachgewiesene Kontamination sei erheblich höher gewesen als es aus industrienahen Regionen dokumentiert sei; das belege die Bioakkumulation anthropogener Kontamination und zeige, dass diese Schadstoffe über die Ozeane der Welt und die volle Ozeantiefe weit verbreitet sind. In einem Kommentar zur Veröffentlichung bilanziert die australische Biologin Katherine Dafforn von der University of New South Wales (Sydney), die Studie werfe durch die unerwartet hohen Giftkonzentrationen in einem bislang vielfach für „rein“ gehaltenen Lebensraum „ein ökotoxikologisches Schlaglicht“ auf die Tiefsee und unterstreiche die allgegenwärtige Schadstoffbelastung.
Die untersuchten, bis zu 11.000 Meter tiefen Meeresgräben, bestätigt Alan J. Jamieson als Leiter der Forschungsgruppe, zählten nicht nur zu den am wenigsten erforschten Ökosystemen der Erde, sondern seien bislang auch als weitgehend unberührte Umgebungen gesehen worden. Aber sie seien eben auch gerade wegen ihrer Topographie Senken für Verunreinigungen, die in die Meeresumwelt eindringen – etwa durch kontaminierte Plastikreste und in den Kadavern anderer toter Tiere. Das Nahrungsangebot für Flohkrebse in großen Meerestiefen ist knapp, also fressen die Tiere, was immer sie erreichen können, bevorzugt natürlich organisches Material. Nahrung ist knapp, und die Tiefseewesen sind hocheffiziente Fresser: Sie verschlingen binnen kurzem das Dreifache ihres Gewichts. Wenn also ihr Fressgut bereits belastet ist, sorgen Nahrungsaufnahme und Bioakkumulation für hohe Belastung durch Schadstoffe – beispielsweise durch langlebige organische Schadstoffe (POPs), die wegen ihrer hohen Bindungsaffinität zu organischen oder anorganischen Partikeln in Organismen leicht bioakkumulieren. Jamieson spricht in diesem Zusammenhang vor allem von zwei „Schlüssel-POPs“, nämlich den Polychlorierten Biphenylen (PCB), die lange wegen ihrer dielektrischen Eigenschaften unter anderem als Kühlflüssigkeit verwendet wurden, und den Polybromierten Diphenylethern (PBDE), die als Flammschutzmittel im Einsatz waren. Mit Blick auf die aktuellen Probleme mit schwer abbaubaren Plastikpartikeln stellt Jamieson fest, einmal mehr sei die Menschheit dabei, einen Fehler zu wiederholen: „Wir haben nichts dazu gelernt.“
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Pressemitteilung der Newcastle University