Vor wenigen Tagen hat die Mitgliedervollversammlung der ver.di-Fachgruppe Schifffahrt in Hamburg einen richtungweisenden Antrag auf den Weg durch die Gremien der Organisation geschickt: Das Papier fordert, die gesamte staatliche Schifffahrtsförderung „in ihrer jetzigen Form“ abzuschaffen geschafft und künftig nur noch zu gewähren, wenn die Schiffe begünstigter Reeder unter deutscher Flagge fahren.
Eine Durchsetzung dieses Antrags würde die seit Jahrzehnten geübte Praxis beenden, nach der Reeder mit Hunderten Millionen Euro subventioniert werden, zugleich aber den überwiegenden Anteil ihrer Schiffe unter fremden Flaggen fahren lassen. Das ist laut Flaggenrechtsgesetz zulässig (Details erläutert die Hintergrund-Broschüre unserer „Fair-übers-Meer!“-Kampagne, die hier kostenlos heruntergeladen werden kann – siehe dort Beitrag auf Seite 7 ff.). Dieses Gesetz beschränkt zwar die Ausflaggung auf längstens zwei Jahre – lässt aber zugleich die Wiederholung der Genehmigung für ein- und dasselbe Schiff beliebig oft zu. Früher mussten noch wirtschaftliche Gründe angeführt werden, um ausflaggen zu dürfen; ganz früher war sogar die Gewährung staatlicher Subventionen an eine Flaggenbindung geknüpft. Das alles ist Vergangenheit, wurde Stück um Stück von der Politik unter dem lobbyistischen Einfluss der maritimen Wirtschaft abgeschafft.
Der Antrag der Hamburger ver.di-Fachgruppe verweist auf die amtlichen Zahlen von Ende Mai dieses Jahres: Nur 309 Schiffe führten zu diesem Termin die eigene Flagge führten – das schließt aber Dienstfahrzeuge auf Flüssen und in Häfen ebenso ein wie größere Sport- oder Angelboote. Im so genannten Zweitregister (siehe o. a. Broschüre) waren knapp 170 Schiffe erfasst, das sind die einzigen unter deutscher Flagge fahrenden größeren Seeschiffe.
Hingegen waren Ende Mai dieses Jahre 1918 Schiffe als „ausgeflaggt“ gelistet. Die mit Abstand beliebteste Billigflagge deutscher Reeder ist die von Antigua und Barbuda (604 Schiffe), die man übrigens in einem Büro im niedersächsischen Oldenburg bekommt; kein Schiff muss zur Anmeldung in die Karibik fahren. Weitere hierzulande beliebte Billigflaggen sind die von Liberia, Madeira, Malta oder Zypern.
Die ver.di-Fachgruppe kritisiert den Trend, Schiffe in Fernost bauen zu lassen und sie dann mit Seeleuten aus Drittländern zu Heimatlöhnen zu betreiben – und das trotz eines „in der Industrielandschaft beispiellosen Förderinstrumentariums“: weitgehende Steuerbefreiung durch so genannte Tonnagesteuer, Senkung der Lohnnebenkosten, Ausbildungsplatzförderung oder die erst kürzlich auf 100 Prozent erhöhte Option, dass Reeder ihren Seeleuten zwar Lohnsteuer abzuziehen haben, diese aber einbehalten dürfen; schließlich sei noch die Schiffsbesetzungsverordnung auf Reeder-Wunsch geändert worden. „Deutschland ist dabei, sich als traditionelles Schifffahrtsland zu verabschieden“, heißt es im Antrag. Immer weniger junge Menschen wählten nautische oder technische Berufe in der Schifffahrt, der Nachwuchsmangel habe gravierende Folgen auch für Bereiche wie Lotswesen oder Schleppschifffahrt sowie für alle Logistikbereiche, in denen seemännisches Können vonnöten ist.
„Ein ‚weiter so‘ kann es nicht geben“, spitzt die Fachgruppe Schifffahrt abschließend zu: Seeleute – und auch deutsche Steuerzahler – fragten sich, welche Gegenleistung deutsche Reeder denn für diese umfassende Subventionierung erbrächten. Richtig sei es vielmehr, solche staatlichen Unterstützungen an genau definierte Gegenleistungen zu knüpfen und so „für Ausbildung und Beschäftigung in der deutschen Seeschifffahrt Sorge zu tragen“.
Mitte November wird der Antrag auf der Hamburger ver.di-Fachbereichskonferenz Verkehr beraten – wir wünschen der Fachgruppe Schifffahrt viel Erfolg!
UPDATE: Die Hamburger ver.di-Fachbereichskonferenz Verkehr hat den Antrag am Wochenende 10. November ohne inhaltliche Änderungen einstimmig angenommen, damit wird dies nun an die Bundesfachbereichskonferenz, die am 19. / 20. März kommenden Jahres tagen wird, und an den Bundesfachbereichsvorstand weitergeleitet.