World Oceans Day & Corona – z. B. Westafrika

Heu­te ist der „Welt­tag der Ozea­ne“: Auf Initia­ti­ve der Ver­ein­ten Natio­nen fand der ers­te World Oce­ans Day im Jah­re 2009 statt und ist seit­dem welt­weit jähr­lich wie­der­keh­ren­der Anlass, einen Blick auf die Situa­ti­on der Ozea­ne und Mee­re zu wer­fen. WATER­KANTs Partner-Organisation „Fair Oce­ans“ nimmt die­sen Tag zum Anlass, auf die beson­de­re Situa­ti­on in vie­len Küs­ten­re­gio­nen der Welt ange­sichts der Corona-Krise hin­zu­wei­sen – am Bei­spiel der Fische­rei­wirt­schaft in Westafrika. 

An sich soll­te der Welt­tag in die­sem Jahr in Lis­sa­bon zu einem der Höhe­punk­te der zwei­ten gro­ßen Oze­an­kon­fe­renz der Ver­ein­ten Natio­nen wer­den. Doch wie so vie­le ande­re inter­na­tio­na­le Ver­an­stal­tun­gen muss­te auf­grund der Corona-Krise auch die Oze­an­kon­fe­renz abge­sagt wer­den und es wird nach neu­en Wegen gesucht, um die inter­na­tio­na­len Debat­ten um die Zukunft der Mee­respo­li­tik fortzuführen.

Wäh­rend­des­sen befin­den sich die Ozea­ne in der Kri­se und dies hat weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen auf die Men­schen, die vom und mit dem Meer leben. Beson­ders hart trifft es die Küs­ten­ge­mein­den in den Ent­wick­lungs­län­dern, die beson­ders stark von intak­ten Mee­res­öko­sys­te­men abhän­gig sind. Plas­tik­müll, Über­fi­schung und Mee­res­spie­gel­an­stieg gefähr­den ihre Exis­tenz­grund­la­gen zuneh­mend. Die Corona-Krise ver­schärft der­zeit die­se Pro­ble­me noch ein­mal deut­lich. Beson­ders die Fische­rei und der Tou­ris­mus, zwei glo­bal enorm wich­ti­ge Wirt­schafts­sek­to­ren in den Küs­ten­re­gio­nen, sind hier­von betrof­fen. Die dar­aus erwach­sen­den, mög­li­cher­wei­se dra­ma­ti­schen Kon­se­quen­zen für die betrof­fe­nen Län­der wer­den in Deutsch­land bis­her aller­dings kaum in den Blick genommen.

Ernäh­rungs­si­cher­heit in Gefahr

So stellt die Corona-Krise durch ihre nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf die Fische­rei in West­afri­ka eine ernst­haf­te Gefähr­dung der Ernäh­rungs­si­cher­heit dar. Im Inter­view führt Fran­cis­co Mari, Refe­rent für Welt­ernäh­rung, Agrar­han­del und Mee­respo­li­tik bei Brot für die Welt, dazu aus:

Brot für die Welt hat in den letz­ten Wochen inten­si­ve Gesprä­che mit sei­nen afri­ka­ni­schen Part­nern zu den Fol­gen von Coro­na für die Klein­fi­sche­rei und die Ernäh­rungs­si­cher­heit geführt. Der Ver­band der afri­ka­ni­schen Klein­fi­scher hat dabei sehr deut­lich gemacht, dass es zu hohen Ein­nah­me­aus­fäl­len für Fischer und Fisch­ver­ar­bei­te­rin­nen durch die Schlie­ßung von Märk­ten und Anlan­de­stel­len kommt. Dies wird ohne eine aus­rei­chen­de Unter­stüt­zung zu Preis­stei­ge­run­gen und einer Ver­sor­gungs­kri­se für die Bevöl­ke­rung füh­ren. Das gilt nicht nur an den Küs­ten, son­dern beson­ders auch in mee­res­fer­nen Regio­nen und benach­bar­ten Bin­nen­län­dern. Zusätz­lich ver­su­chen aus­län­di­sche Fang­schif­fe die Kri­se aus­zu­nut­zen. Im Sene­gal haben tür­ki­sche und chi­ne­si­sche Fir­men für über 50 neue Schif­fe Fang­li­zen­zen bean­tragt. Damit machen sie den Fischern vor Ort ihre Fang­grün­de strei­tig. Fisch ist im Sene­gal das zweit­wich­tigs­te Export­pro­dukt, beschäf­tigt rund 600.000 Men­schen und ist uner­läss­lich für die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit tie­ri­schen Eiwei­ßen. Auf kei­nen Fall darf die loka­le Klein­fi­sche­rei, die den größ­ten Anteil an all dem hat, am Ende als Ver­lie­rer daste­hen, wäh­rend die indus­tri­el­le Fische­rei von der Kri­se profitiert.“

Soli­da­ri­sche Meerespolitik“

Kai Kasch­in­ski, Pro­jekt­ko­or­di­na­tor von „Fair Oce­ans“, fasst die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen wie folgt zusam­men: „Die Ozea­ne ste­hen durch die erheb­li­chen Belas­tun­gen ihrer Meeres- und Küs­ten­öko­sys­te­me welt­weit unter gro­ßem Druck. Aktu­ell sorgt die Corona-Krise stel­len­wei­se für eine Ent­las­tung der Mee­res­welt, dies soll­te jedoch kei­ne fal­schen Hoff­nun­gen wecken. Letzt­lich ent­schei­dend wird es sein, ob eine dau­er­haft nach­hal­ti­ge Umstruk­tu­rie­rung der Mee­respo­li­tik gelingt. Dafür brau­chen wir vor allem ein welt­weit soli­da­ri­sches Han­deln, das die Men­schen im glo­ba­len Süden ein­be­zieht und die Ozea­ne als etwas Ver­bin­den­des begreift. Mee­res­schutz und ent­wick­lungs­po­li­ti­sche Pro­gram­me müs­sen zusam­men­ge­dacht wer­den, denn ohne die Küs­ten­be­völ­ke­run­gen ein­zu­be­zie­hen und Armut und Hun­ger zu bekämp­fen wird kei­ne Mee­respo­li­tik lang­fris­tig erfolg­reich sein. In die­sem Sin­ne ist die Corona-Krise viel­leicht ein Anstoß, aber sicher kei­ne Lösung, son­dern zunächst nur ein wei­te­res Pro­blem, das es zu lösen gilt.“

Fair Oce­ans“ begrüßt das Corona-Sofortprogramm des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung und for­dert das Minis­te­ri­um dazu auf, die Küs­ten­re­gio­nen und die Fische­rei­wirt­schaft durch eigen­stän­di­ge Maß­nah­men im Pro­gramm zu berücksichtigen.

Aktu­el­les Bei­spiel aus Gui­nea: Fisch­räu­che­rin Dje­nab Cama­ra muss jede Woche von Mon­tag bis Sonn­abend auch über Nacht im Hafen von Témi­ne­taye (Con­a­kry) blei­ben, weil hohe Trans­port­prei­se und nied­ri­ge Erlö­se wäh­rend der Covid-19-Zeit sie dazu zwin­gen.
Foto: Mama­dou Ali­ou Dial­lo / CAPE

Ein aktueller Bericht zu den Auswirkungen der Corona-Krise
auf die handwerkliche Fischerei in Westafrika

Fischverarbeiterinnen fordern sichere und
menschenwürdige Arbeits- und Gesundheitsbedingungen

Ein Bericht von Cornelia Wilß für Brot für die Welt und Fair Oceans, Juni 2020

Wenn den hand­werk­li­chen Fischern und Ver­ar­bei­te­rin­nen nicht schnell gehol­fen wird, wird der gesam­te Sek­tor schrump­fen“, warnt Miche­li­ne Dion. Sie ver­tritt die USCOFEP-CI und ihre 14 Frau­en­ko­ope­ra­ti­ven aus ganz Côte d’I­voi­re, die sich zusam­men­ge­tan haben, um die Situa­ti­on der Frau­en in der Fischerei-Industrie zu ver­bes­sern. „Dies wird“, sagt die Akti­vis­tin, „sich auch auf die lang­fris­ti­gen Aus­sich­ten für die Ernäh­rungs­si­cher­heit des Lan­des aus­wir­ken“ (USCOFEP-CI ist die Uni­on der Genos­sen­schaf­ten von Frau­en in der Fische­rei und ver­wand­ter Beru­fe in Elfen­bein­küs­te, Anm. d. Red.).

Seit Mit­te März hat die ivo­ri­sche Regie­rung – wie alle afri­ka­ni­schen Län­der – im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie nach und nach Maß­nah­men ergrif­fen: Aus­gangs­sper­ren, Abstands­ge­bo­te und das Schlie­ßen tra­di­tio­nel­ler Märk­te stel­len für die hand­werk­li­che Fische­rei, ins­be­son­de­re für die Frau­en, eine gro­ße Belas­tung dar. In vie­len Län­dern des glo­ba­len Südens sind die­se Beschrän­kun­gen weit­rei­chen­der als in Deutsch­land. Da die Gesund­heits­sys­te­me in einem deut­lich schlech­te­ren Zustand sind, wird ver­sucht, die Anste­ckungs­ra­ten so nied­rig wie mög­lich zu halten.

Akti­ons­plan vorgelegt

USCOFEP-CI hat nun einen Akti­ons­plan vor­ge­legt, der sicher­stel­len soll, dass die Frau­en in der hand­werk­li­chen Fische­rei ihrer Beschäf­ti­gung unter siche­ren Bedin­gun­gen wei­ter nach­ge­hen kön­nen, nicht zuletzt „damit für ihre Fami­li­en, aber auch für die ivo­ri­sche Bevöl­ke­rung aus­rei­chend Lebens­mit­tel auf den Tel­ler kommen“.

Die Schwie­rig­kei­ten begin­nen bereits am Hafen. Um Zusam­men­künf­te von vie­len Men­schen zu ver­hin­dern, wird der öffent­li­che Zugang zum Hafen stark regu­liert. Die Frau­en kön­nen nur noch alle vier­zehn Tage dort Fisch ein­kau­fen, den sie dann wei­ter­ver­ar­bei­ten und oder selbst auf den Märk­ten vor Ort anbie­ten. Sie kön­nen es sich jedoch nicht leis­ten, den Fisch in so gro­ßen Men­gen zu kau­fen, um den Ver­ar­bei­tungs­pro­zess zwei Wochen lang auf­recht­zu­er­hal­ten. Auch besteht das Risi­ko, dass Fisch­vor­rä­te ver­der­ben, weil kei­ne aus­rei­chend gekühl­ten Lager­mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung stehen.

Die Schlie­ßung eini­ger Märk­te und Restau­rants macht die Sache noch dazu kom­pli­ziert. Immer weni­ger Gäs­te besu­chen die „gar­badrô­mes“, die Restau­rants, die den belieb­ten ver­ar­bei­te­ten Thun­fisch „gar­ba“ ser­vie­ren. Der Thun­fisch bleibt lie­gen und lan­det letzt­lich im Abfall. Die Frau­en von USCOFEP-CI schla­gen vor: „Wenn die Regie­rung den Koope­ra­ti­ven einen Kühl­wa­gen zur Ver­fü­gung stel­len könn­te oder wenn sie das ver­ar­bei­te­te Pro­dukt kau­fen und an Bedürf­ti­ge ver­tei­len wür­de…“, dies ist eine For­de­rung, die zum Bei­spiel auch Fisch­ver­ar­bei­te­rin­nen im Sene­gal gestellt haben.

Schlim­mer noch: Auf­grund der finan­zi­el­len Ein­bu­ßen kön­nen die Frau­en, die die Aus­fahrt der Fischer oft­mals vor­fi­nan­zie­ren, auch den Treib­stoff für die Piro­gen nicht mehr bezah­len. Nun man­gelt es bereits am Ben­zin für die Außen­bord­mo­to­ren. Des­halb müs­sen vie­le Fischer trotz inzwi­schen gelo­cker­ter Aus­gangs­sper­re an Land blei­ben. Infol­ge­des­sen steht immer weni­ger Fisch zum Ver­kauf und es ent­spinnt sich ein sich selbst­ver­stär­ken­der Kreislauf.

Auch man­gelt es oft am Not­wen­digs­ten, um die Hygie­ne­auf­la­gen zur Ein­däm­mung der Epi­de­mie an Bord der Schif­fe, an den Anlan­dungs­stel­len, Ver­ar­bei­tungs­stät­ten und Märk­ten zu erfül­len. Des­halb haben die Berufs­ver­bän­de der hand­werk­li­chen Fische­rei vie­ler­orts die Initia­ti­ve ergrif­fen und ver­su­chen mit ihren begrenz­ten Mit­teln die Situa­ti­on zu ver­bes­sern. Für die Frau­en von USCOFEP-CI ist Prä­ven­ti­on hier­bei von zen­tra­ler Bedeu­tung. Des­halb haben sie Ende März begon­nen an den beleb­ten Anlan­dungs­stel­len, an denen oft­mals vie­le hun­dert Men­schen zusam­men­kom­men, dar­auf hin­zu­wei­sen, Distanz unter­ein­an­der zu wah­ren und Hygie­ne­maß­nah­men zu respek­tie­ren. „Wir sen­si­bi­li­sie­ren, damit sich die Men­schen beim Betre­ten des Mark­tes die Hän­de waschen und Hand­schu­he tragen“.

Appell an Euro­päi­sche Union

Für die USCOFEP-CI-Frauen zeigt die aktu­el­le Gesund­heits­kri­se in grund­sätz­li­cher Wei­se den Man­gel an men­schen­wür­di­gen Arbeits- und Gesund­heits­be­din­gun­gen in der hand­werk­li­chen Fische­rei. Sie betrach­ten die Covid-19-Pandemie so auch als eine Chan­ce, Refor­men durch­zu­set­zen. USCOFEPCI appel­liert an die Regie­rung und an die Part­ner des Lan­des in der Fische­rei­wirt­schaft, ins­be­son­de­re an die Euro­päi­sche Uni­on: „Wir haben uns für das Part­ner­schafts­ab­kom­men über nach­hal­ti­ge Fische­rei mit der Euro­päi­schen Uni­on aus­ge­spro­chen“, sagt Miche­li­ne Dion, „weil in dem Abkom­men Trans­pa­renz herrscht, die Gemein­den ein­be­zo­gen wer­den und uns bestimm­te dar­in vor­ge­se­he­ne Maß­nah­men zur Unter­stüt­zung des Fische­rei­sek­tors, wie das Ermög­li­chen der Anlan­dung und Ver­mark­tung von Bei­fang aus der indus­tri­el­len Fische­rei, hel­fen kön­nen. Doch im Moment kön­nen die ivo­ri­schen Fisch­ver­ar­bei­te­rin­nen kei­ne kon­kre­te Umset­zung die­ser Maß­nah­men erken­nen. Ange­sichts der Kri­se, die wir erle­ben, darf sich die EU aber gera­de jetzt nicht zurück­leh­nen und schweigen.“

Auch die FAO warnt auf­grund des Corona-Szenarios vor „schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen auf den Lebens­un­ter­halt von Fischern und Fisch­züch­tern sowie auf die Ernäh­rungs­si­cher­heit … von Bevöl­ke­rungs­grup­pen, die in hohem Maße auf Fisch ange­wie­sen sind, wenn es um tie­ri­sches Pro­te­in und not­wen­di­ge Mikro­nähr­stof­fe geht.“ In einem im April ver­öf­fent­lich­ten Papier gibt die Welt­ernäh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on einen Über­blick über die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen und schlägt Pro­gram­me zum Schutz der Fische­rei­sek­tors sowie der am stärks­ten gefähr­de­ten Bevöl­ke­rungs­grup­pen vor. Des Wei­te­ren for­dert die FAO, dass die Ver­sor­gungs­ket­ten auf­recht­erhal­ten wer­den müs­sen, um die Ernäh­rungs­si­cher­heit dau­er­haft zu gewährleisten.

Brot für die Welt und „Fair Oce­ans“ unter­stüt­zen die­se For­de­run­gen der FAO wie auch die Anlie­gen der Frau­en in der USCOFEP-CI ausdrücklich.

Quel­len und Hinweise:

WATERKANT bedankt sich bei „Fair Oce­ans“ für die Abdruckerlaubnis.

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WATERKANT-Redaktion