Lieferketten ohne Schifffahrt?

Vor weni­gen Tagen hat die Bun­des­re­gie­rung den lan­ge dis­ku­tier­ten Ent­wurf eines so genann­ten Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes (im Amts­deutsch: Sorg­falts­pflich­ten­ge­setz) vor­ge­stellt. Angeb­lich soll es deut­sche Unter­neh­men – aber nicht alle – ver­pflich­ten, bei ihren Rohstoff- und Produkt-Zulieferern – aber nicht allen – auf die Ein­hal­tung von Menschen- und Arbeits­rech­ten – aber nicht allen – zu ach­ten. Die­se Auf­zäh­lung deu­tet bereits an, dass der Ent­wurf erheb­li­che Schwä­chen hat; eine wich­ti­ge ist die­se: Die Han­dels­schiff­fahrt scheint nach Bun­des­auf­fas­sung kein Teil der Lie­fer­ket­te zu sein, sie kommt im Ent­wurf schlicht nicht vor. 

Zwar haben sich nach lan­gem Rin­gen die drei zustän­di­gen Bun­des­mi­nis­ter auf den nun vor­lie­gen­den Ent­wurf geei­nigt – die Rede ist von Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Alt­mai­er (CDU), Arbeits- und Sozi­al­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) und Ent­wick­lungs­hil­fe­mi­nis­ter Gerd Mül­ler (CSU). Der Ent­wurf samt Stand des Gesetz­ge­bungs­ver­fah­rens kann hier auf der Web­sei­te des Arbeits­mi­nis­te­ri­ums ein­ge­se­hen wer­den. Aber abge­se­hen von etli­chen Stel­lung­nah­men zivil­ge­sell­schaft­li­cher Kräf­te, die schwe­re Unter­las­sun­gen und Män­gel des Ent­wurfs bean­stan­den, hat vor Kur­zem das WDR-Magazin „moni­tor“ in einem beein­dru­cken­den Bei­trag ent­hüllt, dass jah­re­lan­ges Lobbyisten-Gerangel sei­tens diver­ser Unter­neh­mens­ver­bän­de vor allem mit dem Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um dazu geführt habe, dass von einem „ursprüng­lich ambi­tio­nier­ten Geset­zes­vor­ha­ben wenig übrig geblie­ben“ sei. Eine ziem­lich umfas­sen­de Über­sicht über Reak­tio­nen und Kri­tik­punk­te lie­fert das LABOURNET in einem Dos­sier auf die­ser Sei­te.

Was bis­lang nicht nur im Ent­wurf, son­dern – soweit der­zeit über­schau­bar – auch in den bis­he­ri­gen Reak­tio­nen von Ver­bän­den und Initia­ti­ven, von Gewerk­schaf­ten und Par­tei­en nicht vor­kommt, ist die ein­gangs ange­ris­se­ne Fest­stel­lung: Ins­be­son­de­re im glo­ba­li­sier­ten Han­del – also im inter­kon­ti­nen­ta­len Rohstoff-, Dienstleistungs-, Vor- und Endprodukt-Austausch – gehört zu einer so genann­ten „Lie­fer­ket­te“ von A nach B zwin­gend auch die Han­dels­schiff­fahrt. Es ist nicht damit getan, wenn Lie­fer­ket­ten vom fer­nen Ort bei­spiels­wei­se einer land­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­ti­on bis zum nächs­ten Hafen – und dann vom hie­si­gen Ziel­ha­fen bis zum Super­markt ver­folgt wer­den. Denn dazwi­schen fährt ein Han­dels­schiff, das (in der Regel, von weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen) von einem in sei­ner Hei­mat hoch­sub­ven­tio­nier­ten Ree­der oder Schiffs­eig­ner aus steu­er­li­chen, oft sozia­len und manch­mal auch öko­lo­gi­schen Grün­den unter einer „Bil­lig­flag­ge“ betrie­ben wird.

An Bord die­ser Han­dels­schif­fe fährt eine meist gemisch­te, über­wie­gend aus frem­den Län­dern stam­men­de Besat­zung, deren Mit­glie­der nur, wenn sie Glück haben, nach den unzu­rei­chen­den Mini­mal­stan­dards der Mari­ti­me Labour Con­ven­ti­on (MLC) beschäf­tigt und bezahlt wer­den; alle, die die­ses Glück nicht haben, müs­sen häu­fig aus­beu­te­ri­sche, recht­lo­se und manch­mal skla­vi­sche Lebens- und Abreit­sbe­din­gun­gen ertra­gen – und zwar nicht erst, seit Coro­na die Crew­wech­sel erschwert. Von die­sen Schif­fen und ihren Besat­zun­gen aber ist im Lie­fer­ket­ten­ge­setz nicht die Rede.

Wer immer hier­zu Nähe­res wis­sen möch­te, kann sich durch einen Klick auf das rechts oben ste­hen­de Logo kos­ten­los über die zivil­ge­sell­schaft­li­che Kam­pa­gne „Fair übers Meer!“ informieren.

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WATERKANT-Redaktion