Vor wenigen Tagen sorgte das manager magazin für Unruhe an der Elbe: „Berlin verbietet chinesischer Reederei Einstieg in Hamburger Hafen“, meldete das Fachblatt – und erntete einen Sturm der Entrüstung. Angeblich plane Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Zuge eines Investitionsprüfverfahrens im Bundeskabinett ein Veto gegen das Vorhaben: Für HHLA-Chefin Angela Titzrath laut manager magazin „ein herber Rückschlag“, später war sogar von einer „zornigen“ Reaktion der Konzernchefin die Rede.
Seit dem vergangenen Jahr wartet der teilstaatliche Hamburger Hafen- und Logistikkonzern HHLA auf die Genehmigung des Deals: Im Spätsommer 2021 hatte die HHLA, zu 69 Prozent im Besitz der Freien und Hansestadt Hamburg, einen Vertrag mit dem staatlichen chinesischen Terminalkonzern COSCO Shipping Ports Limited (CSPL) unterzeichnet, wonach COSCO einen 35-Prozent-Anteil am HHLA-Containerterminal Tollerort (CTT) übernehmen sollte. Das Vorhaben war aber von Anfang an umstritten. Im Sommer vorigen Jahres hatte sich Hamburgs Regierungschef Peter Tschentscher während der Verhandlungen öffentlich zu dem Vorhaben bekannt, die Gewerkschaft ver.di hingegen hatte massiven Protest angemeldet. Für die oppositionelle Linksfraktion in der Bürgerschaft kritisierte deren Hafenexperte Norbert Hackbusch die Entscheidung des Senats, ohne Beteiligung des Parlaments eine derart strategisch bedeutende Terminal-Beteiligung zu vergeben, als „Provokation“ und nannte die geplante Privatisierung „weiterhin einen Fehler“. Es gelte, das Augenmerk stärker auf die Jobs der Hafenarbeiter zu richten – und nicht auf Privilegien für COSCO.
Überproportionale Profite?
Ein wesentlicher Grund für diese aufgeregte Reaktion waren unter anderem Medienberichte, wonach die HHLA der CSPL für den CTT-Einstieg eine „asymmetrische Gewinnbeteiligung“ versprochen habe – obwohl der COSCO-Anteil nur 35 Prozent beträgt, soll das Unternehmen vom Gewinn des Terminals überproportional profitieren. Ein weiterer Grund: Immer wieder wird an den Fall Piräus erinnert, dessen Container-Terminal COSCO mit Zustimmung der EU-Kommission zu 100 Prozent betreibt – und wo Syriza und die lokalen Gewerkschaften wiederholt auf miserable Arbeitsbedingungen und hohe Unfallrisiken hingewiesen und vereinzelt auch dagegen gestreikt haben – vergeblich.
Auf die jetzige Veto-Meldung folgte ein mehrtägiges mediales Zanken: Habecks Ministerium bestätigte zwar ein laufendes „Investitionsprüfverfahren im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes“, nicht aber, dass bereits eine Entscheidung gefallen sei. Auch ein HHLA-Sprecher dementierte dies und betonte, man gehe nach wie vor davon aus, „dass die Bedingungen für eine Genehmigung“ erfüllt seien und eine außenwirtschaftliche Freigabe erreicht werden könne. Kurz darauf erschien auf der HHLA-Webseite – ohne jede Bezugnahme zum Anteilsstreit – ein Loblied auf die 40 Jahre währende „erfolgreiche Partnerschaft zwischen dem Hamburger Hafen und … China“. Das Fachblatt DVZ wusste schließlich zu berichten, dass die Entscheidung der Bundesregierung auf Ende Oktober vertagt worden sei.
Zu der anhaltenden Heimlichtuerei des Hamburger Senats und der HHLA über Details der geplanten COSCO-Beteiligung gehört auch, dass bis heute unklar bleibt, was denn die angeblich von CSPL zugesagte CTT-Einstufung als „preferred hub“, einem bevorzugten Umschlagshafen, in Europa bedeuten beziehungsweise für Hamburg bringen kann: Niemand in der Fachwelt geht davon aus, dass COSCO nach einem CTT-Einstieg etwa Verkehre von Hamburgs großen Konkurrenzhäfen Rotterdam oder Antwerpen abziehen und an die Elbe umlenken werde. Denn an den Nordostatlantik-Standorten unterhält CSPL eigene Beteiligungen an einzelnen Terminals – in Rotterdam 35 Prozent, in Antwerpen 20 Prozent und im demnächst mit Antwerpen fusionierenden Hafen von Zeebrügge sogar 85 Prozent. Nach Angaben der DVZ ist COSCO der mit Abstand größte Terminalbetreiber der Welt – knapp 142 Millionen TEU in 2019.