„Auswirkungen der Inflation bekämpfen“ – die Fraktion DIE LINKE in der hamburgischen Bürgerschaft schlägt für diese aktuelle Forderung eine brisante Ergänzung vor: „Tonnagesteuer abschaffen – auch Reedereien sollen ihren Beitrag leisten“. Am kommenden Mittwoch berät das Landesparlament über einen Antrag der Fraktion, der bei Annahme die maritime Wirtschaft kräftig durcheinander wirbeln würde.
Vorgeschlagen wird die Streichung jenes Paragraphen aus dem Einkommensteuergesetz, der eben diese „Tonnagesteuer“ definiert: Eine Regelung, mit der die bundesdeutschen Steuerzahler seit fast 25 Jahren die Handelsschifffahrt ungeachtet deren jeweiliger wirtschaftlicher Lage – also auch während prosperierender, hoch profitabler Zeiten – subventionieren.
Eigentlich ist der öffentlich weit verbreitete Begriff „Tonnagesteuer“ falsch. Denn es handelt sich nicht um eine zu entrichtende Steuer, sondern eher fast um eine Art Besteuerungsverzicht: Eingeführt 1998 von der SPD-Grünen-Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder, zahlen Reeder – statt der üblichen Gewinnversteuerung, der alle Unternehmen unterworfen sind – nur eine von der Schiffsgröße abhängige Mini-Pauschale, sozusagen eine Tonnage-Gewinnermittlung; sie liegt deutlich niedriger als alles, was bei normaler Besteuerung fällig wäre. Berechnungsgrundlage ist die so genannte Nettoraumzahl (NRZ), ein dimensionsloser technischer Wert, der aus Laderaum-Volumen, Tiefgang und Bordhöhe gebildet wird.
„Höchst ungerecht“
In der Praxis, so illustriert die Hamburger Linksfraktion die Folgen dieses Verfahrens, verliert beispielsweise der öffentliche Haushalt der Hansestadt Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro Einnahmen: Allein Hapag-Lloyd, die größte der ortsansässigen Reedereien und zudem in teilweisem Staatsbesitz, habe „2021 bei einem Gewinn von 9,4 Milliarden Euro nur 61,3 Millionen Euro Steuern bezahlt. Das sind genau 0,65 Prozent“. Zudem sei diese Tonnagesteuer „in sich höchst ungerecht, denn mit steigender Tonnage sinkt auch noch die Steuerlast“. Genauer: Der fällige Satz für große Schiffe – mit einer NRZ größer als 25.000 – beträgt nur ein Viertel des Satzes für kleine Schiffe. „Große Reedereien mit großen Schiffen werden also gegenüber kleineren Tonnagen privilegiert.“
Laut Bundesverkehrsministerium, das muss ausdrücklich hinzugefügt werden, ist „das Führen der deutschen Flagge … keine Voraussetzung für die Gewinnermittlung nach der Tonnagesteuer.“ Das bedeutet, dass hiesige Reeder ihre Schiffe unter einer so genannten Billigflagge registrieren, damit verbundene niedrigere Steuer-, Sicherheits- und/oder Sozialnormen als hierzulande nutzen und dennoch die Vorteile der Tonnagebesteuerung genießen können. Die Präsidentin des Verbands Deutscher Reeder (VDR), Gaby Bornheim, selbst Chefin einer solchen Reederei, hat gerade im aktuellen Heft des Verbandsmagazins eine Philippika gegen die vielfach geforderte „Übergewinnsteuer“ publiziert – und weist dabei Kritik an dem Instrument der Tonnagesteuer deutlich zurück.
Vorwurf des Missbrauchs
Die Hamburger Linksfraktion möchte dem ein Ende setzen. Der Senat wird in dem Antrag aufgefordert, im Bundesrat die Streichung des besagten Paragraphen vorzuschlagen und auch auf EU-Ebene entsprechend tätig zu werden – denn das Subventionsinstrument Tonnagesteuer ist beileibe keine deutsche Erfindung; es ist davon auszugehen, dass der Ruf nach ihrer Streichung großes Wehgeschrei über Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit auslösen wird. Die LINKE von der Elbe hält dagegen und verweist auf die in vielen Reedereien verbuchten Milliardengewinne, „ohne dass die öffentliche Hand etwas davon abbekommt, obwohl sie große Teile der Infrastruktur … bereitstellt, weil sie Häfen baut und unterhält“. Und sie geißelt in ihrem Antrag auch den Missbrauch dieser begünstigenden Besteuerungsweise, weil etwa Konzerne, die neben Schifffahrt auch andere wirtschaftliche Aktivitäten betreiben, durch Verrechnung so genannter Overhead-Kosten beispielsweise aus dem Bereich Hafenlogistik ihre Gesamtsteuerlast zusätzlich senken könnten.
Kritik am Instrument „Tonnagesteuer“ ist nicht neu. Schon 2019 hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer Studie verschiedene Schifffahrtsbeihilfen in den Mitgliedsländern untersucht und dabei unter anderem die Tonnagesteuer als (sinngemäß) unwirksame Subventionen zugunsten der Liquidität geförderter Reedereien mit teilweise negativen Folgen für die nationale Entwicklung bezeichnet. Die Gewerkschaft Verdi fordert seit langem die Bindung der Tonnagesteuer an die nationale Flagge.