JWP-Ladungsmenge „durch die Decke“?

Ges­tern ist der Jade­We­ser­Port (JWP) in Wil­helms­ha­ven, Deutsch­lands ein­zi­ger so genann­ter Tief­was­ser­ha­fen, zehn Jah­re alt gewor­den. Trotz mas­si­ver Unter­aus­las­tung und erheb­li­chen Zuschuss­be­darfs aus Steu­er­gel­dern fei­ern Eig­ner und Betrei­ber den Ter­mi­nal als Erfolg…
(Aus­schnitt aus Ori­gi­nal­fo­to vom 18. April 2022 von Olga Ernst / wiki­me­dia / CC-BY)

In fünf bis sechs Jah­ren Voll­aus­las­tung – so lau­te­te bei Inbe­trieb­nah­me des Wil­helms­ha­ve­ner Tief­was­ser­ha­fens Jade­We­ser­Port (JWP) am 21. Sep­tem­ber 2012 die Pro­gno­se des Exper­ten Burk­hard Lem­per vom Bre­mer Insti­tut für See­ver­kehrs­wirt­schaft und Logis­tik (ISL): Jüngst erin­ner­te der NDR in einem aktu­el­len Bericht an die­se Ein­schät­zung. Ges­tern wur­de die­ser Hafen, aus­ge­legt auf einen Jah­res­um­schlag von 2,7 Mil­lio­nen Stan­dard­con­tai­nern (TEU), zehn Jah­re alt – und ist von die­sem vor­her­ge­sag­ten Ziel noch immer weit ent­fernt. Lem­per indes sieht dar­in kein Pro­blem: Man sei, so erläu­tert er dem NDR im Gespräch, von bestimm­ten Annah­men aus­ge­gan­gen und die sei­en so nicht ein­ge­tre­ten; „das ist eben die Natur von Prognosen“.

Der Haken an der Sache ist nur: Jahr für Jahr benö­tigt die­ser Hafen, für mehr als eine Mil­li­ar­de Euro Steu­er­gel­der und unter erheb­lich ver­zö­gern­den Pan­nen, Bau­schä­den und Rechts­strei­tig­kei­ten in das Jade-Watt gerammt, hohe Zuschüs­se der öffent­li­chen Hand. Erst vor knapp zwei Jah­ren war es des­halb zu einer kur­zen Kri­se gekom­men, als in der Frei­en Han­se­stadt Bre­men „grund­sätz­lich eine Been­di­gung der bre­mi­schen Betei­li­gung“ erwo­gen wur­de, die jedes Jahr sieben- oder acht­stel­li­ge Zuschüs­se ver­langt. Aber der Streit ver­sank in jenem Jade­schlick, der neben der Unter­aus­las­tung maß­geb­lich zur Kos­ten­trei­be­rei bei­trägt, weil immer mehr gebag­gert wer­den muss: Auch heu­te noch ist der JWP ein Gemein­schafts­pro­jekt der Bun­des­län­der Nie­der­sach­sen (50,1 Pro­zent) und Bre­men (49,9 Prozent).

Pan­nen, Schä­den, Streitigkeiten…

Rück­blick: Anfang der 1990er Jah­re kam die Idee auf, an der Jade einen neu­en Con­tai­ner­ha­fen zu bau­en, der mit einer Fahr­was­ser­tie­fe von rund 18 Metern („Tief­was­ser­ha­fen“) imstan­de sein soll­te, die immer grö­ßer wer­den­den Con­tai­ner­schif­fe abzu­fer­ti­gen und so den immer rasan­ter wach­sen­den inter­kon­ti­nen­ta­len Waren­um­schlag zu bewäl­ti­gen. Zur Jahr­tau­send­wen­de wur­de die Pla­nung kon­kret, im Mai 2008 began­nen die Bau­ar­bei­ten, vor zehn Jah­ren dann folg­te die Inbe­trieb­nah­me. Zwar hat­ten sich seit­her vie­le Annah­men der Pla­ner ver­än­dert oder erle­digt, hat­ten besag­te Pan­nen die Kosten-Nutzen-Prognosen gesprengt, hat­te eine Welt­wirt­schafts­kri­se die Trans­port­strö­me erst ein­bre­chen und dann (etwa bei den Ostsee-Feederverkehren) teils dras­tisch ver­än­dert neu auf­le­ben las­sen – nichts konn­te den Opti­mis­mus der nord­west­deut­schen mari­ti­men Wirt­schaft und der betei­lig­ten Lan­des­po­li­ti­ker bremsen.

Das hat sich bis heu­te nicht geän­dert. Jüngst erst lob­te Nie­der­sach­sens Wirt­schafts­mi­nis­ter Bernd Alt­hus­mann (CDU) die Ent­schei­dung für den Bau des JWP als „stra­te­gisch rich­tig und klug“, sein Allein­stel­lungs­merk­mal (des tie­fen Fahr­was­sers) stär­ke die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des mari­ti­men Stand­orts Deutsch­land. Bre­mens Regie­rungs­chef Andre­as Boven­schul­te (SPD) zeig­te sich laut Radio Bre­men „davon über­zeugt“, in zehn Jah­ren wer­de man „heil­froh sein, dass man das gemacht hat“.

…und Umlei­tun­gen

Ob der JWP bis dahin sei­ne vor­han­de­ne Kapa­zi­tät über­haupt aus­schöp­fen kann, bleibt offen – was die Macher nicht hin­dern dürf­te, für Pla­nung und viel­leicht auch Aus­bau wei­te­re Steu­er­gel­der aus­zu­ge­ben. Fakt ist: Für das ers­te vol­le Betriebs­jahr 2013 sag­ten Pro­gno­sen 700.000 TEU Umschlag vor­aus, es wur­den aber nur rund 76.000 TEU – man erin­nert sich an den Satz: „Das ist eben die Natur von Pro­gno­sen“. In den Fol­ge­jah­ren ging es zwar sehr lang­sam auf-, mit Coro­na dann wie­der abwärts. Als aktu­ell im Febru­ar 2022 Alt­hus­mann stolz das 2021-Ergebnis von knapp 713.000 TEU ver­mel­de­te, muss­te er ein­räu­men, die­ser Erfolg sei vor allem unge­plan­ten Schiffs­an­läu­fen zuzu­schrei­ben, weil pan­de­mie­be­dingt Lini­en­diens­te aus ande­ren Häfen umge­lei­tet wurden.

Jahr für Jahr gibt es immer neue Ankün­di­gun­gen – etwa der Ein­stieg von Hapag-Lloyd oder das ver­ein­bar­te, aber bis­lang nicht rea­li­sier­te chi­ne­si­sche Logis­tik­zen­trum –, die immer auch mit neu­en Vor­her­sa­gen und Erwar­tun­gen ver­knüpft wer­den. Nur sind eben davon schon vie­le geplatzt oder ver­zö­gern sich. Aktu­ell ver­steigt sich die JWP-Marketinggesellschaft sogar (*) zu der mar­kan­ten Pro­gno­se: „Es darf als sicher gel­ten, dass um die Mit­te kom­men­den Jah­res her­um die Ladungs­men­gen durch die Decke gehen wer­den.“ – Immer wie­der wird auch nach einer nord­deut­schen Hafen-Kooperation geru­fen. Jüngst erst ist das wie­der ein­mal geplatzt: Ham­burg, das Anfang des Jahr­tau­sends aus der gemein­sa­men Län­der­pla­nung aus­ge­stie­gen war, bleibt wei­ter­hin außen vor, seit rund andert­halb Jah­ren lau­fen­de Gesprä­che der Hafen­be­trei­ber an Elbe und Weser sind im Juli die­ses Jah­res ohne Anga­be von Grün­den abge­bro­chen worden.

(*) In dem Bei­trag wird nicht deut­lich, ob es sich um eine
Mei­nung der Mar­ke­ting­ge­sell­schaft oder ein Zitat aus der Fach­zei­tung DVZ handelt.

Nach­trag 20. Okto­ber 2022: Soeben hat die Wil­helms­ha­ve­ner Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV) laut einer Mit­tei­lung der JWP-Marketinggesellschaft „in einem Schrei­ben die neue Lan­des­re­gie­rung Nie­der­sach­sens dazu (auf­ge­for­dert), sich ernst­haft mit der Umset­zung der 2. Bau­stu­fe des Jade­We­ser­Port zu befas­sen“. Der Lob­by­is­ten­zir­kel erin­nert dabei sogar mah­nend an die „der­zeit noch lan­gen Geneh­mi­gungs­zei­ten“ – was ver­klau­su­liert wohl den häu­fig zu ver­neh­men­den Ruf nach Beschnei­dung von gel­ten­den Bür­ger­rech­ten mei­nen soll.

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WATERKANT-Redaktion