Am Vorabend eines „Gemetzels“?

Der Macht­kampf im Welt­con­tai­ner­ver­kehr nimmt neue For­men an und gewinnt zugleich an Schär­fe: Jüngst ver­kün­de­ten die Bran­chen­füh­rer, das Gen­fer Fami­li­en­un­ter­neh­men Medi­ter­ra­ne­an Ship­ping Com­pa­ny (MSC) und der däni­sche Kon­zern Mærsk, sie wür­den ihre Alli­anz „2M“ im Jah­re 2025 aus­lau­fen las­sen und künf­tig wie­der getrenn­te Wege gehen. In der mari­ti­men Wirt­schaft sorgt das für Unruhe. 

Alli­an­zen“ sind bekannt­lich in der Schiff­fahrt übli­che Ver­ein­ba­run­gen meh­re­rer Ree­de­rei­en, um glo­bal – also fahrt­ge­biets­über­grei­fend – logis­tisch wie orga­ni­sa­to­risch zu koope­rie­ren: Durch gemein­sa­me Nut­zung von Schiffs­raum kann man kos­ten­ef­fi­zi­en­ter arbei­ten, arbei­tet aber, bei­spiels­wei­se bei Fracht­ra­ten, wei­ter durch­aus in Kon­kur­renz. Weil das kar­tell­ähn­lich funk­tio­niert, ohne for­mal ein Kar­tell zu sein, sind die­se Alli­an­zen indes nicht unumstritten.

Der­zeit gibt es in der Con­tai­ner­schiff­fahrt drei sol­cher Alli­an­zen: Die bei­den welt­größ­ten Bran­chen­ree­de­rei­en MSC und Mærsk stel­len mit „2M“ rund 33,7 Pro­zent der glo­ba­len Trans­port­ka­pa­zi­tät. An zwei­ter Stel­le folgt die „Oce­an Alli­ance“ des fran­zö­si­schen Fami­li­en­un­ter­neh­mens CMA CGM, der chi­ne­si­schen Staats­ree­de­rei COSCO sowie Tai­wans Ever­green mit 30,1 Pro­zent. Das Bünd­nis „THE Alli­ance“ schließ­lich, zu dem sich Deutsch­lands Hapag-Lloyd, Japans Ver­bund ONE, Tai­wans Yang Ming und Süd­ko­re­as HMM zusam­men­ge­schlos­sen haben, kommt auf wei­te­re 18,4 Pro­zent. Übri­gens gehö­ren alle Part­ner die­ser drei Alli­an­zen der Spit­zen­grup­pe der zehn größ­ten Con­tai­ner­ree­de­rei­en an: 82,2 Pro­zent aller Con­tai­ner­trans­port­leis­tung wer­den aktu­ell von die­sen neun Unter­neh­men angeboten.

Der Online­dienst Han­sa erwar­tet nun eine „Neu­ord­nung der Lini­en­bünd­nis­se“ – eine, sie­he unten, ver­hal­te­ne For­mu­lie­rung. Zum Ver­ständ­nis aber zunächst ein Blick zurück: Die Kon­zen­tra­ti­on in der Bran­che ver­schärft sich seit Jah­ren mit extre­mer Ten­denz zu einem von immer weni­ger Unter­neh­men getra­ge­nen Oli­go­pol. Als die Alli­anz 2M vor acht Jah­ren ihre Koope­ra­ti­on auf­nahm, war Mærsk noch Bran­chen­pri­mus und stell­te mit 611 gema­nag­ten Schif­fen 2,97 Mil­lio­nen TEU Kapa­zi­tät. MSC ran­gier­te auf Platz 2 der Größten-Liste mit 497 Schif­fen und 2,53 Mil­lio­nen TEU.

Wech­sel an der Spitze

Bereits damals war MSC-Patriarch Gian­lui­gi Apon­te gewillt, sich an die Spit­ze zu arbei­ten – sein Order­buch wies zu die­sem Zeit­punkt 297 Neu­be­stel­lun­gen mit 0,66 Mil­lio­nen TEU aus, wäh­rend Mærsk nur 16 Schif­fe mit 0,16 Mil­lio­nen TEU beauf­tragt hat­te. Apon­te, dem Han­sa beschei­nigt, er habe „Abhän­gig­kei­ten von Ande­ren noch nie gemocht“, soll „2M“ immer nur als tem­po­rä­res Zweck­bünd­nis gese­hen haben – und setz­te sei­nen Aus­bau dras­tisch fort: Vor rund einem Jahr ver­dräng­te er Mærsk von der Posi­ti­on des Welt­markt­füh­rers; er hat­te nicht nur sei­ne Neu­bau­po­li­tik mas­siv fort­ge­setzt, son­dern zugleich in den Pandemie-Wirren auch etli­che gebrauch­te Schif­fe ande­rer Ree­de­rei­en aufgekauft.

Aktu­ell managt MSC laut Info­dienst alpha­li­ner 721 Schif­fe mit 4,63 Mil­lio­nen TEU Kapa­zi­tät – und hat wei­te­re 133 Schif­fe (1,83 Mil­lio­nen TEU) in sei­nen Order­bü­chern ste­hen. Mærsk ran­giert nun auf dem zwei­ten Platz, hat zwar mit 702 Schif­fen (4,22 Mil­lio­nen TEU) nur knapp weni­ger als der momen­ta­ne Part­ner, aller­dings sind ledig­lich 29 wei­te­re Schif­fe (0,36 Mil­lio­nen TEU) bestellt.

Obwohl MSC und Mærsk bei ihrer Bekannt­ga­be der 2M-Auflösung in 2025 beteu­er­ten, die „Part­ner­schaft geschätzt“ zu haben, sieht der bri­ti­sche Dienst Dre­wry nun Mærsk in Bedräng­nis gera­ten: „Der däni­sche Mega-Carrier ist zu groß, um sich einer bestehen­den Alli­anz anzu­schlie­ßen, und zu klein, um es allei­ne zu schaf­fen.“ Bezo­gen auf MSC wählt Dre­wry gar brachial-militaristischeTöne: Die Schwei­zer hät­ten schon seit gerau­mer Zeit ihre „Pan­zer in Stel­lung gebracht, … die Gebraucht- und Char­ter­märk­te aggres­siv über­fal­len und mit Neu­be­stel­lun­gen auf­ge­stockt“. Dre­wry warnt gar vor einer „radi­ka­len Umstruk­tu­rie­rung der Alli­an­zen“, die „zu einem Gemet­zel auf dem Fracht­ra­ten­markt füh­ren“ könne.

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WATERKANT-Redaktion