Meeresbiodiversität unter Schutz?

Ges­tern Abend ist bei der UNO in New York das Hohe-See-Abkommen zum Schutz der bio­lo­gi­schen Viel­falt offi­zi­ell unter­zeich­net wor­den. Das Anfang März nach jah­re­lan­gen, zähen Ver­hand­lun­gen beschlos­se­ne Ver­trags­werk soll den Weg ebnen für den Schutz jener Mee­res­ge­bie­te, die hoheits­recht­lich kei­nem Küs­ten­staat zuzu­ord­nen sind; das betrifft welt­weit rund 64 Pro­zent aller Mee­res­flä­chen – aber die wirk­sa­me Umset­zung dürf­te schwie­rig werden. 

Der offi­zi­el­le Titel des Abkom­mens klingt kom­pli­ziert, erklärt aber viel: Agree­ment under the United Nati­ons Con­ven­ti­on on the Law of the Sea on the con­ser­va­ti­on and sus­tainable use of mari­ne biolo­gi­cal diver­si­ty of are­as beyond natio­nal juris­dic­tion. – wobei die vier hier gefet­te­ten Buch­sta­ben das für den Ver­trag und die Debat­te dar­um gebräuch­li­che Kür­zel „BBNJ“ erklä­ren. Das Abkom­men ist damit offi­zi­el­ler Bestand­teil des 1982 ver­ab­schie­de­ten UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS), das die Welt­mee­re zum „gemein­sa­men Erbe der Mensch­heit“ erklärt und ihre Ver­wal­tung – mit eini­gen wesent­li­chen Ein­schrän­kun­gen – der UNO und ihren Ein­rich­tun­gen unterstellt.

Laut UNCLOS haben alle Küs­ten­staa­ten hoheits­recht­li­chen Anspruch auf eine Zwölf-Seemeilen-Zone, fer­ner steht ihnen in einer angren­zen­den Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­ne (AWZ) zwar das Nut­zungs­recht zu, sie müs­sen aber etwa ver­kehr­li­che Nut­zung ande­rer zulas­sen. Die­se AWZ rei­chen min­des­tens 200 See­mei­len, je nach Geo­lo­gie des so genann­ten Fest­land­so­ckels auch bis zu 350 See­mei­len weit. Das Mee­res­ge­biet zwi­schen die­sen AWZ-Grenzen ist jene Hohe See – jenes Mensch­heits­er­be –, um die es im BBNJ-Abkommen geht. In der UNCLOS-Präambel sind – und das ist häu­fig kri­ti­siert wor­den – „Schutz und Bewah­rung der Mee­res­um­welt“ an letz­ter Stel­le nach Ver­kehrs­er­leich­te­rung, Meeres- und Res­sour­cen­nut­zung auf­ge­zählt. Da erstaunt es kaum, dass es mehr als 40 Jah­re gedau­ert hat, bis nun eine Ver­stän­di­gung über den Mee­res­um­welt­schutz in den Gebie­ten außer­halb ein­zel­staat­li­chen Ein­flus­ses erzielt wer­den konnte.

Kann, muss aber nicht… – kei­ne Schutz-Verpflichtung vereinbart!

Laut BBNJ-Abkommen sol­len künf­tig 30 Pro­zent die­ser Flä­chen unter Schutz gestellt wer­den (kön­nen): Man muss das so for­mu­lie­ren, weil das Ver­trags­werk dies­be­züg­lich kei­ne Ver­pflich­tung vor­schreibt, son­dern nur den Weg zu einer Unter­schutz­stel­lung ebnet. Es geht im Wesent­li­chen um Ver­fah­rens­fra­gen wie etwa, wer ein Schutz­ge­biet vor­schla­gen darf und wie dar­über ent­schie­den wird. Es regelt unter ande­rem, wie eine even­tu­el­le Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung kon­kur­rie­ren­der Nut­zungs­an­sprü­che – zum Bei­spiel beim ohne­hin umstrit­te­nen, geplan­ten Tief­see­berg­bau – abzu­lau­fen hat oder wie ein aus­ge­wie­se­nes Schutz­ge­biet gege­be­nen­falls ver­wal­tet und beauf­sich­tigt wird. So gese­hen, zeigt das Abkom­men Mög­lich­kei­ten auf, bedeu­tet aber zunächst noch kei­ne Schutzgarantie.

Es ist erst weni­ge Tage her, dass in Deutsch­land 17 Initia­ti­ven der Umwelt-, Meeresschutz- und Ent­wick­lungs­po­li­tik in einem sechs Sei­ten lan­gen For­de­rungs­ka­ta­log die Bun­des­re­gie­rung und die Mit­glie­der des Bun­des­ta­ges erneut auf­ge­for­dert haben, „im Rah­men ihrer aktu­el­len Legis­la­tur poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen kon­se­quent dar­auf aus­zu­rich­ten, die Mee­res­öko­sys­te­me zu schüt­zen und ihre Funk­tio­nen zu erhal­ten“. Anlass der Ver­öf­fent­li­chung die­ses Appells war zwar der jähr­li­che World Oce­an Day am 8. Juni, aller­dings schlie­ßen die For­de­run­gen aus­drück­lich die Umset­zung des nun unter­zeich­ne­ten BBNJ-Abkommens mit ein. Damals wie heu­te weist etwa der NABU dar­auf hin, Deutsch­land habe zwar den Pro­zess die­ses Abkom­mens unter­stützt, sei zugleich aber bis heu­te mit der Aus­wei­sung und Qua­li­fi­zie­rung von Schutz­ge­bie­ten in den eige­nen Gewäs­sern – 12-Meilen-Zone wie AWZ – beträcht­lich im Verzug.

Das BBNJ-Abkommen muss nun von min­des­tens 60 Staa­ten rati­fi­ziert wer­den, bevor es 120 Tage spä­ter welt­weit in Kraft tre­ten kann. UNCLOS brauch­te für die­sen Pro­zess 14 Jah­re, die­ses Mal könn­te es vor dem Hin­ter­grund der ver­netz­ten Klima- und Bio­di­ver­si­täts­kri­se zügi­ger gehen. Beob­ach­ter rech­nen etwa mit bal­di­ger Zustim­mung Chi­nas, nicht unbe­dingt aber auch Russ­lands – Mos­kau hat sich wie­der­holt in Arktis- oder Antarktis-Fragen „quer“ gelegt. Als sicher gilt, dass die USA nicht rati­fi­zie­ren – bis heu­te hat Washing­ton UNCLOS nicht gezeich­net und erkennt auch sonst UN-Resolutionen sel­ten an.

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Der offi­zi­el­le Text des BBNJ-Abkommens ist hier im Elek­tro­ni­schen Doku­men­ten­ar­chiv der UNO (in eng­li­scher Spra­che) abruf­bar. Eine deut­sche Über­set­zung hat die EU-Kommission hier bereit gestellt, aller­dings bezieht die sich auf einen letz­ten Ent­wurf von Anfang Mai 2023 – es ist nicht bekannt, ob und wo dies von der rechts­gül­ti­gen Fas­sung abweicht!

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WATERKANT-Redaktion