Studie: Scrubber-Abwässer vergiften Meere

Es ist einer die­ser Fäl­le, da War­nun­gen jah­re­lang igno­riert – und spä­ter durch fun­dier­te wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en doch bestä­tigt wer­den: For­schen­de der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Chal­mers in Göte­borg haben jüngst nach­ge­wie­sen, dass die so genann­ten Scrub­ber, die bord­ei­ge­nen Abgas­rei­ni­gungs­an­la­gen auf Han­dels­schif­fen, maß­geb­lich mit­ver­ant­wort­lich sind für schad­stoff­be­las­te­te Abwas­ser­ein­lei­tung in die Meere. 

Seit mehr als 50 Jah­ren wird in der Schiff­fahrt eine stin­ken­de, schwar­ze Pam­pe als Treib­stoff ver­wen­det, als Schwer­öl bekannt und extrem berüch­tigt: Die zäh­flüs­si­ge Mas­se aus Raf­fi­ne­rie­ab­fäl­len muss an Bord zunächst erhitzt wer­den, um die Vis­ko­si­tät zu bekom­men, die sie zur Ver­wen­dung im Motor benö­tigt. Weil es sich um Abfall han­delt, ist Schwer­öl – fach­lich als High Sulp­hur Fuel Oil (HSFO) bezeich­net – deut­lich bil­li­ger als sau­be­re­re Treib­stof­fe: Grund genug für immer noch extrem vie­le Ree­der, HSFO zu ver­wen­den, obwohl dabei aus den Schiffs­schlo­ten Emis­sio­nen übels­ter Art gebla­sen wer­den. Denn die Abga­se ent­hal­ten Unmen­gen von Dreck und Gift­stof­fen, vor allem – der eng­li­sche Name sagt es – Schwe­fel­oxi­de hoher Kon­zen­tra­ti­on, fer­ner Ruß­par­ti­kel, Metal­l­aschen, Stick­oxi­de sowie, nicht zu ver­ges­sen, kli­ma­schäd­li­ches Koh­len­di­oxid. All das ver­gif­tet vor allem in Küs­ten­re­gio­nen Men­schen und Umwelt und belas­tet in der Umge­bung gro­ßer Schiff­fahrts­we­ge die mari­ne Öko­lo­gie erheblich.

Zwei­fel­haf­te Auswege

Seit vie­len Jah­ren wird die HSFO-Verwendung des­halb scharf kri­ti­siert, trotz­dem war die UN-Schifffahrtsorganisation IMO bis heu­te nicht in der Lage, die Ver­wen­dung die­ser Pam­pe als Treib­stoff zu ver­bie­ten. Statt­des­sen wur­den zwar Abgas­grenz­wer­te ver­schärft, den Ree­dern zugleich aber zwei­fel­haf­te Aus­we­ge auf­ge­zeigt: Die wur­den und wer­den näm­lich nicht ver­bind­lich gezwun­gen, auf (teu­re­re) sau­be­re­re Treib­stof­fe umzu­stei­gen, son­dern haben die Wahl, dies zu tun oder eben die Drecks­ab­ga­se des HSFO an Bord zu rei­ni­gen und so die­sen Stoff wei­ter ver­wen­den zu dürfen.

Die­se Regel ist wegen des Zeit­punkts ihres Inkraft­tre­tens als „IMO 2020“ bekannt gewor­den. Die Fol­ge: 2019 und 2020 waren so vie­le Schif­fe wegen Scrubber-Einbaus tem­po­rär in Werf­ten, dass dies neben der Corona-Pandemie zu vor­über­ge­hen­den Kapa­zi­täts­eng­päs­sen führ­te. Zwi­schen zwei und fünf Mil­lio­nen Euro kos­te­te damals der Ein­bau eines Scrub­bers in ein bereits betrie­be­nes Schiff – eine durch­aus loh­nen­de Inves­ti­ti­on: Denn HSFO kos­te­te nur rund zwei Drit­tel des Prei­ses für sau­be­re­ren Treib­stoff, aktu­ell kann die Dif­fe­renz, regio­nal abhän­gig, auch deut­lich grö­ßer sein. Zur Ver­deut­li­chung: An einem zufäl­lig gewähl­ten Tag Ende Juni (20. 6.) wur­de HSFO in Rot­ter­dam für 67 Pro­zent des Marinediesel-Preises gehan­delt, in Hong­kong für 64 Pro­zent und im ara­bi­schen Fuja­i­rah für nur 52 Prozent.

Aber auch hier steckt die Tücke wie­der im Detail. Ein Scrub­ber „wäscht“ die gif­ti­gen Abga­se mit­tels ange­saug­ten Meer­was­sers und alka­li­schen Zusät­zen, übrig blei­ben Gift­schlamm und ein Abwas­ser, das offi­zi­ell als teil­wei­se gerei­nigt gilt. Wäh­rend der „sludge“ bis zur Ent­sor­gung im nächs­ten Hafen an Bord ver­bleibt, darf das Abwas­ser häu­fig ins Meer gepumpt wer­den. Bereits vor Inkraft­tre­ten von IMO 2020 ist wie­der­holt, unter ande­rem auch vom Umwelt­bun­des­amt, auf dabei ent­ste­hen­de Gefah­ren hin­ge­wie­sen wor­den. Dies hat­te jedoch nur zur Fol­ge, dass eini­ge Häfen und Regio­nen Ein­lei­tungs­ver­bo­te ver­häng­ten, grund­sätz­lich ist es aber – vor allem auf offe­ner See – bis heu­te erlaubt.

Gift ins Meer statt in die Luft…

Die aktu­el­le Stu­die der schwe­di­schen Stiftungs-Universität Chal­mers ist nicht die ers­te, wohl aber eine der bis­lang fun­dier­tes­ten War­nun­gen: Hier wur­den für vier aus­ge­wähl­te Häfen die Schad­stoff­kon­zen­tra­tio­nen im Meer­was­ser unter­sucht, Häfen mit hohem Schiffs­ver­kehrs­auf­kom­men bei gleich­zei­tig erheb­li­chem Anteil von Schif­fen mit Scrubber-Ausstattung. Das Ergeb­nis war ein­deu­tig: Mehr als 90 Pro­zent der im Was­ser nach­ge­wie­se­nen Schad­stof­fe waren dem Abwas­ser aus Scrub­bern zuzu­ord­nen. „Die Ergeb­nis­se spre­chen für sich“, zitiert die Chalmers-Pressemitteilung die Wis­sen­schaft­le­rin Anna Lun­de Her­mans­son: „Eine stren­ge­re Regu­lie­rung des Abfluss­was­sers aus Wäschern ist von ent­schei­den­der Bedeu­tung, um die Ver­schlech­te­rung der Mee­res­um­welt zu ver­rin­gern.“ Denn die Scrubber-Abwässer ent­hal­ten neben poly­zy­kli­schen aro­ma­ti­schen Koh­len­was­ser­stof­fen (PAK), Schwer­me­tal­len und ande­ren umwelt­ge­fähr­den­den Stof­fe beträcht­li­che Antei­le an Schwe­fel­ver­bin­dun­gen: Jene Stoff­grup­pe, die aus dem Schiffs­ab­gas ent­fernt und so aus der Umge­bungs­at­mo­sphä­re fern­ge­hal­ten wer­den soll, wird damit ins Meer­was­ser gelei­tet und ver­stärkt des­sen Versauerung.

Obwohl all dies nicht erst seit der Chalmers-Studie dis­ku­tiert wird, ist bis­lang kei­ne IMO-Initiative für ein tota­les Ein­lei­tungs­ver­bot von Scrubber-Abwässern bekannt geworden.

#####

Die Chalmers-Studie aus dem Mari­ne Pol­lu­ti­on 189 (2023) kann hier kos­ten­los her­un­ter­ge­la­den werden.

Über waterkant

WATERKANT-Redaktion