Fast-Katastrophe: „Fremantle Highway“

Gut acht­ein­halb See­mei­len nörd­lich der nie­der­län­di­schen Sand­bank Het Rif zwi­schen den Wat­ten­meer­in­seln Ame­land und Schier­mon­ni­koog liegt seit heu­te Mit­tag der vor knapp sie­ben Tagen in Brand gera­te­ne Auto­trans­por­ter „Fre­mant­le High­way“ vor Anker und zusätz­lich gehal­ten von den Tros­sen meh­re­rer Schlepper. 

Es ist ein trau­ri­ger, aber typi­scher Unfall moder­ner Han­dels­schiff­fahrt – weil bei Pla­nung, Aus­rüs­tung oder Bela­dung falsch gespart wor­den ist, wer­den aus Zwi­schen­fäl­len unbe­herrsch­ba­re Kata­stro­phen: Pro­fit­gier, die Men­schen­le­ben kos­ten kann.

So auch die­ses Mal: Die 199 Meter lan­ge und 32 Meter brei­te „Fre­mant­le High­way“ – das Schiff der japa­ni­schen Ree­de­rei K-Line fährt unter der Bil­lig­flag­ge von Pana­ma – hat­te vor einer Woche mit rund 3800 Fahr­zeu­gen unter Deck von Bre­mer­ha­ven Kurs aufs ägyp­ti­sche Port Said genom­men. In der Fol­ge­nacht – das Schiff pas­sier­te die Insel Ame­land in etwa 15 See­mei­len Abstand – brach an Bord Feu­er aus. Lösch­ver­su­che sei­tens der Besat­zung schei­ter­ten kläg­lich, die Mann­schaft ver­ließ das Schiff, eini­ge spran­gen aus zig Metern Höhe über Bord: Ein See­mann kam ums Leben, 22 Mann konn­ten – zum Teil ver­letzt – gebor­gen werden.

Trotz sofor­ti­gen Ein­sat­zes der nie­der­län­di­schen Küs­ten­wa­che erwies es sich als unmög­lich, den Brand im Innern des Schiffs zu löschen – spä­ter mehr dazu. Also beschränk­te man sich dar­auf, den Rumpf von außen zu küh­len: Ein ris­kan­ter Ver­such, denn die Unmen­gen von Lösch- und Kühl­was­ser droh­ten die Sta­bi­li­tät des füh­rungs­lo­sen Schiffs zu gefähr­den oder die von innen über­hitz­te Hül­le zu beschä­di­gen. Ein Ken­tern oder gar Sin­ken des Schif­fes galt es aber unbe­dingt zu ver­mei­den, denn das hät­te ver­hee­ren­de Umwelt­fol­gen für Inseln, Küs­te und das Welt­na­tur­er­be Wat­ten­meer bedeutet.

Schwie­ri­ges Manöver

Erst am Frei­tag ver­gan­ge­ner Woche war der Brand so weit abge­klun­gen, dass Ber­gungs­teams auf Deck gelan­gen und Tros­sen­ver­bin­dun­gen her­stel­len konn­ten, um den Hava­ris­ten diri­gie­ren zu kön­nen. Wind und Strö­mung hat­ten der­weil das Schiff ver­drif­tet, es lag am Wochen­en­de etwa elf See­mei­len nörd­lich der Insel Ter­schel­ling zwi­schen den stark befah­re­nen Haupt­schiff­fahrts­rou­ten zur und von der Deut­schen Bucht. Der Plan, es von dort zum jet­zi­gen auf einen Anker­platz nörd­lich Schier­mon­ni­koogs zu schlep­pen, muss­te wit­te­rungs­be­dingt zunächst auf­ge­scho­ben werden.

Erst am Sonn­tag Abend began­nen zwei Schlep­per, den qual­men­den, füh­rungs­lo­sen Koloss mit rund fünf Stun­den­ki­lo­me­tern behut­sam gen Osten zu zie­hen. Geplant ist nun, das Erlö­schen des Feu­ers und das Abküh­len des Schif­fes abzu­war­ten, um es dann zur wei­te­ren Unter­su­chung in einen Hafen zu schlep­pen, der aber noch nicht gefun­den ist. Zuletzt im Gespräch waren Eems­ha­ven oder Bre­mer­ha­ven, aber auch dort dürf­te die Angst eben­so groß sein wie bei den Men­schen auf den Inseln und an der Küs­te: Wenn der Hava­rist bricht, ken­tert oder sinkt, könn­ten schät­zungs­wei­se 1,6 Mil­lio­nen Liter Schwer­öl aus­strö­men und sich – ver­mischt mit Schwer­me­tal­len, Ölen, Schad­stof­fen und gif­ti­gen Brand­res­ten der rund 3800 gela­de­nen Fahr­zeu­ge – im Hafen, im Meer, an den Strän­den oder sowie in den nahen Vogel­brut­ge­bie­ten ausbreiten.

Die Sache mit den Akkus

Es geht um Sicher­heit. Auf Auto­trans­por­tern – schwim­men­den, unför­mi­gen Sta­pel­ga­ra­gen – sind die gela­de­nen Fahr­zeu­ge dicht bei dicht gestaut und ver­zurrt. Bei Feu­er unter Deck ist Löschen immer schwie­rig, weil an Brand­her­de kaum her­an­zu­kom­men ist und instal­lier­te Lösch­sys­te­me nur begrenzt taug­lich sind. Kri­tik dar­an gibt es seit lan­gem, etwa vom Gesamt­ver­band der Deut­schen Ver­si­che­rungs­wirt­schaft (GDV). Deren Sicher­heits­exper­te Kapi­tän Uwe-Peter Schie­der erläu­ter­te jüngst der dpa, dass Brand­schutz auf sol­chen Schif­fen jahr­zehn­te­al­te Tech­nik ver­wen­de. So wer­de mit­tels CO2 ver­sucht, Brän­den den nöti­gen Sau­er­stoff zu ent­zie­hen. Das funk­tio­nie­re aber nicht, wenn E-Autos an Bord sind. Deren Akkus sei­en der Schre­cken jedes Brand­be­kämp­fers, denn Lithium-Ionen-Batterien pro­du­zier­ten beim Bren­nen den Sau­er­stoff selbst. Die „Fre­mant­le High­way“ hat aber auch rund 500 E-Autos gela­den, es wird – unbe­stä­tigt – ver­mu­tet, die aktu­el­le Kata­stro­phe sei vom Akku eines sol­chen Fahr­zeugs aus­ge­löst wor­den: Versicherungs- eben­so wie Schiff­fahrts­exper­ten mahn­ten schon wie­der­holt Maß­nah­men an, um die­se – bekannt­lich auch an Land exis­tie­ren­de – Gefahr des E-Mobilitäts-Hypes wirk­sam und vor allem vor­sorg­lich bekämp­fen zu können.

Es ist in der so genann­ten Fach­welt hef­tig umstrit­ten, ob und wie das tech­nisch und logis­tisch umsetz­bar ist. Das The­ma wird aber zwei­fel­los die Debat­te in naher Zukunft beherr­schen. Soweit es die Schiff­fahrt angeht, sind wirk­sa­me Regeln Sache der Inter­na­tio­nal Mari­ti­me Orga­niza­ti­on (IMO), die jedoch wird bekannt­lich von den Bil­lig­flag­gen­staa­ten majo­ri­siert. Deren jüngst gekür­ter künf­ti­ger Gene­ral­se­kre­tär Anto­nio Velas­co übri­gens ist Reprä­sen­tant von Pana­ma, laut UNCTAD der mit Abstand welt­größ­te Billigflaggenstaat.

Über waterkant

WATERKANT-Redaktion