Seit dem 1. Juli tobt in mehreren kanadischen Pazifikhäfen ein heftiger Arbeitskampf. Eigentlich hätte er nach einer mehrtägigen Vermittlungspause am Mittwoch dieser Woche fortgesetzt werden sollen, und zwar unbefristet. Das aber muss – zumindest vorerst – unterbleiben, denn die Gewerkschaft hat den Streikaufruf auf massiven politischen Druck hin zurückziehen müssen.
Es war, wie die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) mitteilte, der erste maritime Arbeitskampf in der Region seit rund 30 Jahren. Getragen und organisiert wurde der Streik von der der ITF angeschlossenen International Longshore and Warehouse Union Canada (ILWU Canada). Das maritime Magazin HANSA berichtete, der Streik habe unter anderem die wichtigen Containerhäfen Vancouver und Prince Rupert lahmgelegt, Schiffe hätten warten oder teilweise in US-amerikanische Häfen umgeleitet werden müssen.
Es geht um einen Tarifvertrag, der Ende März ausgelaufen war und über dessen Neufassung die ILWU und der Arbeitgeberverband British Columbia Maritime Employer Association (BCMEA) seit Monaten verhandelt hatten. Neben Lohnerhöhungen fordert die ILWU vor allem Regelungen zum Schutz der Arbeitsplätze bei zunehmender Automatisierung sowie ein Ende der Auslagerung von Arbeit, um tarifliche Standards zu umgehen oder auszuhebeln. Am 13. Juli war der Ausstand auf Druck der BCMEA unterbrochen worden, es kam zu einer nach kanadischem Recht vorgeschriebenen Bundesvermittlung.
Deren Ergebnis jedoch lehnte die Gewerkschaft als unzureichend ab – vor allem, weil die Arbeitgeber eine vierjährige Laufzeit verlangen. Das sei angesichts der aktuellen Lage – von Pandemie über Inflation bis zu Kriegsfolgen – unzumutbar, zumal die maritime Wirtschaft seit Jahren Rekordgewinne eingefahren hätte; die gelte es nun mit den unter krassen Lebenshaltungskosten leidenden Beschäftigten fair zu teilen. Also rief die ILWU zur Fortsetzung des Arbeitskampfs auf, erntete damit aber nur massive Drohungen seitens der Regierung: Das maritime Portal Splash247 aus Singapur berichtete am Mittwoch, die Premierministerin von Alberta, Danielle Smith, habe – in Abstimmung mit mehreren regionalen Handelskammern – getwittert, dass „die Bundesregierung das Parlament erneut einberufen und Gesetze für die Rückkehr dieser Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz erlassen“ müsse. Eben diese Vorgehensweise hatte vor wenigen Jahren einen ähnlichen Streik in Montreal administrativ beendet.
Auch dieses Mal zeigte sich die Politik folgsam gegenüber dem Druck der Wirtschaft: Die Schlichtungsbehörde, das Canada Industrial Relations Board, entschied nach einer Krisensitzung von Premierminister Justin Trudeau, dass der erneute Streik der Arbeiter illegal sei. Formal geht es um Fristen für den Streikaufruf, die vorgeschriebene 72-Stunden-Ankündigung sei nicht eingehalten worden. Insofern bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Breite Solidarität
Bis dahin aber stehen die westkanadischen Hafenarbeiter nicht allein. Laut ITF erfahren sie breite Solidarität aus allen ILWU-Gliederungen und anderen Gewerkschaften ganz Nordamerikas. Hinzu kommt internationale – politische wie finanzielle – Unterstützung, etwa seitens der Maritime Union of Australia (MUA) und der Maritime Union of New Zealand (MUNZ). Auch aus Europa gibt es aktive Solidarität, unter anderem durch ITF-Präsident Paddy Crumlin. Der Chef der niederländischen Hafenarbeitergewerkschaft FNV, Niek Stam, aus Rotterdam begleitet ihn: „Wir werden uns den Streikposten entlang der Westküste anschließen und wir sind bereit, die Maßnahmen bei Bedarf zu verschärfen.“