Container-Schifffahrt: Übervolle Kassen

Noch vor gar nicht lan­ger Zeit ist die glo­ba­le Container-Schifffahrt als einer der Kri­sen­ge­win­ner ver­gan­ge­ner Jah­re gefei­ert wor­den – momen­tan ent­wi­ckelt sich ihre Situa­ti­on eher tur­bu­lent. Ins­be­son­de­re die Gro­ßen der Bran­che kön­nen sich über vol­le Kas­sen freu­en, müs­sen jedoch gleich­zei­tig teils dras­tisch sin­ken­de Erlö­se hin­neh­men. Noch scheint aber Geld genug da zu sein, um den Kon­kur­renz­kampf wei­ter anzuheizen. 

Corona-Pandemie, knap­pe Trans­port­ka­pa­zi­tä­ten und gestör­te Lie­fer­ket­ten hat­ten den Ree­de­rei­en exor­bi­tant hohe Gewin­ne und ihren Anteils­eig­nern blen­den­de Divi­den­den beschert. Das hat, wie mehr­fach berich­tet, den Wett­be­werb zuge­spitzt: Nach aktu­el­len Zah­len wuchs die glo­ba­le Trans­port­ka­pa­zi­tät in nur sie­ben Jah­ren um gut 32 Pro­zent – von 20,971 auf 27,637 Mil­lio­nen TEU. Der Markt­an­teil der größ­ten Zehn stieg in die­sem Zeit­raum von 73,8 auf 84,5 Pro­zent, der der größ­ten Fünf indes von 57,5 auf 64,7 Pro­zent. Das heißt, der Anteil von MSC, Mærsk, CMA CGM, Cosco und Hapag-Lloyd am gegen­wär­ti­gen Bestand ist deut­lich höher als jener der größ­ten Zehn vor sie­ben Jah­ren am damaligen.

Weil im Kapi­ta­lis­mus Gier eine wesent­li­che Rol­le spielt, dre­hen die Ree­de­rei­en nach Kräf­ten wei­ter an die­ser Schrau­be: Laut dem Info­dienst Han­sa rech­net der Lob­by­ver­band Bal­tic and Inter­na­tio­nal Mari­ti­me Coun­cil (BIMCO) allein für die Jah­re 2023-25 unter Berück­sich­ti­gung auch lau­fen­der Ver­schrot­tun­gen mit einem Wachs­tum der glo­ba­len Flot­te um rund 18 Pro­zent. Nach Anga­ben des mari­ti­men Info­diens­tes alpha­li­ner haben die 100 größ­ten Con­tai­ner­li­ni­en der­zeit Neu­bau­auf­trä­ge in Höhe von knapp 7,1 Mil­lio­nen TEU bei den Werf­ten plat­ziert, das bedeu­tet ein Flot­ten­wachs­tum um knapp 26 Pro­zent – die Dis­kre­panz erklärt sich aus der Tat­sa­che, dass die alpha­li­ner-Sta­tis­tik kei­ne Aus­kunft über die Bestell- und Ablie­fe­rungs­ter­mi­ne gibt, die Zah­len folg­lich über 2025 hin­aus rei­chen. Übri­gens ver­bu­chen die größ­ten Zehn rund 89 Pro­zent, näm­lich 6,27 Mil­lio­nen TEU, der aktu­el­len Neu­bau­auf­trä­ge für sich, die Kon­zen­tra­ti­on wird also wei­ter­hin zunehmen.

Stu­die: Die jüngs­ten Boom-Jahre sind vorbei

Zwar ver­blüfft die­ser Neubau-Boom ange­sichts der Situa­ti­on eines schwä­cheln­den Welt­han­dels, was sich nach jüngs­ten Berich­ten des Kie­ler Insti­tuts für Welt­wirt­schaft (IfW) auch in der Schiff­fahrt wider­spie­gelt: Im Juli die­ses Jah­res sei die Men­ge an ver­schiff­ten Stan­dard­con­tai­nern auf rund 13,7 Mil­lio­nen TEU gesun­ken und lie­ge damit rund vier Pro­zent unter dem All­zeit­hoch vom Früh­jahr 2022, heißt es im jüngs­ten Kiel Trade Indi­ca­tor des IfW. Neben dem Rück­gang beför­der­ter Waren­men­gen sind zugleich auch die Fracht­ra­ten dras­tisch gefal­len. Han­sa ver­weist auf Erhe­bun­gen des däni­schen Bera­tungs­un­ter­neh­mens Sea-Intelligence, das jüngst Raten­ein­brü­che um 48-67 Pro­zent bilan­ziert habe – wobei sich die­se Markt­ana­ly­se auf jene gro­ßen Ree­de­rei­en beschrän­ke, „die sowohl ihr EBIT als auch ihr welt­wei­tes Trans­port­vo­lu­men ver­öf­fent­li­chen: Maersk, Cosco, Hapag-Lloyd, ONE, HMM, Zim, OOCL“. Die Unter­su­chung stellt aber auch fest, dass die jüngs­ten Boom-Jahre vor­bei sei­en und auf den Con­tai­ner­schiff­fahrts­märk­ten „wie­der so etwas wie Nor­ma­li­tät“ ein­keh­re: Das EBIT der gro­ßen Lini­en­ree­de­rei­en sei aktu­ell im Jah­res­ver­gleich um rund 90 Pro­zent gefallen.

Den­noch schei­nen die Kas­sen über­voll zu sein. Das zei­gen nicht nur die oben beschrie­be­nen Neu­bau­auf­trä­ge, das bestä­ti­gen auch Schiff­fahrts­ban­ken wie etwa die laut Han­sa zum US-Investor Blackstone gehö­ren­de nie­der­län­di­sche NIBC, die sich jüngst über beträcht­li­che vor­fris­ti­ge Rück­zah­lun­gen von Kre­di­ten gefreut habe. Auch die Ham­burg Com­mer­cial Bank (HCOB), Nach­fol­ge­rin der skan­dal­träch­ti­gen eins­ti­gen Lan­des­bank, stel­le fest, „die gute Finanz­la­ge bei vie­len Ree­dern habe zu vor­zei­ti­gen Kre­dit­rück­zah­lun­gen geführt“.

Bei weni­ger ver­schul­de­ten Kon­zer­nen ist dann eher Zukauf ange­sagt: So hat bei­spiels­wei­se Welt­markt­füh­rer MSC in jün­ge­rer Zeit Handels- und Schleppree­de­rei­en eben­so ein­ge­kauft wie Ter­mi­nals. Und Deutsch­lands Hapag-Lloyd, Nr. 5 der Welt­rang­lis­te, sorgt momen­tan für Schlag­zei­len, weil sich die Ham­bur­ger für die korea­ni­sche HMM inter­es­sie­ren: Die eins­ti­ge Hyun­dai Mer­chant Mari­ne war 2020 durch staat­li­che Über­nah­me vor der Plei­te geret­tet wor­den und soll nun repri­va­ti­siert wer­den. Es gibt zwar star­ke lob­by­is­ti­sche Bestre­bun­gen, dies natio­nal zu regeln – nur ist der aus­sichts­reichs­te süd­ko­rea­ni­sche Inter­es­sent, die aus der Hanjin-Pleite her­vor­ge­gan­ge­ne Ree­de­rei SM-Line (Rang 27), gera­de aus dem Bie­ter­ren­nen ausgestiegen.

Update vom 4. Sep­tem­ber 2023:

Die Deut­sche Verkehrs-Zeitung (DVZ) mel­de­te heu­te den offi­zi­el­len Aus­stieg von Hapag-Lloyd aus dem Bie­ter­ren­nen um die Über­nah­me von HMM. Der Zei­tung zufol­ge soll die Betei­li­gung von Hapag-Lloyd an dem Wett­lauf zu Kon­flik­ten zwi­schen dem süd­ko­rea­ni­schen Schiff­fahrts­ver­band Fede­ra­ti­on of Korea Mari­ti­me Indus­tries (FKMI) einer­seits und einer Grup­pe von Min­der­heits­ge­sell­schaf­tern ande­rer­seits geführt haben. FKMI sei „ent­rüs­tet“ gewe­sen, dass die Ham­bur­ger über­haupt als Bie­ter zuge­las­sen wor­den sei­en, das sei pro­ble­ma­tisch sowohl für Süd­ko­re­as Wett­be­werbs­fä­hig­keit als auch für – man lese und stau­ne – „die natio­na­le Sicher­heit“. Die nun­mehr unter­le­ge­ne Grup­pe von Min­der­heits­ge­sell­schaf­tern indes hat­ten vor allem eige­ne Inter­es­sen im Blick: Hapag-Lloyd wer­de den Wert von HMM am ehes­ten stei­gern und sei wegen sei­ner Divi­den­den­po­li­tik zu bevorzugen.

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WATERKANT-Redaktion