Am vergangenen Freitag hat in Stade an der Unterelbe der 31. Niedersächsische Hafentag stattgefunden. Anlässlich dieses Jahreskongresses wurde für die landeseigenen Häfen eine Zwischenbilanz für das erste Halbjahr 2023 vorgelegt: Es weist für alle neun Häfen zusammen ein Minus von 2,13 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum aus – weniger als die großen Häfen, aber deutlich.
Vor 15 Jahren, im Januar 2008, zitierte das Münchener Magazin Verkehrsrundschau Niedersachsens damaligen Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP): Die neun landeseigenen Häfen würden „ihren Umschlag in den nächsten fünf Jahren massiv steigern und die Marke von 100 Millionen Tonnen knacken“. Anlass war die gerade vorgelegte 2007er Bilanz, wonach die Häfen im Jahr zuvor 64,6 Millionen Tonnen umgeschlagen hatten. Dummerweise hat Niedersachsen dieses hehre Ziel all die 15 Jahre und bis heute nie erreicht. Vielmehr entfernt man sich trotz jahrelanger millionenschwerer Steuersubventionen für Häfenausbau und -modernisierung immer weiter davon.
2022 waren gerade einmal 54,45 Millionen Tonnen erreicht worden – und aktuell sieht es nicht viel besser aus: Anlässlich des jüngsten Hafentages musste André Heim, Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Seaports of Niedersachsen GmbH, in besagter Zwischenbilanz ein Minus von 2,13 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum ausweisen: Während von Januar bis Juni 2022 in den neun Häfen rund 26,74 Millionen Tonnen umgeschlagen wurden, waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund 26,17 Millionen.
Das klingt, als sei es kein großer Unterschied – schaut man aber hin, wie sich diese Zahlen zusammensetzen, entsteht ein anderes Bild. Der soeben 50 Jahre alt gewordene Seehafen Stade zum Beispiel ist nur mittelgroß, hat aber im hier berichteten Zeitraum, dem ersten Halbjahr 2023, kräftige Einbußen hinnehmen müssen: 1,52 Millionen Tonnen gingen über die Kajen – im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 2,87 Millionen, das entspricht also einem Minus von 47 Prozent. Auch Nordenham weist mit minus 19 Prozent einen kräftigen Rückgang aus – das kurzfristige Comeback des Kohleumschlags ist vorbei. Kräftig zulegen konnte hingegen Emden, was den offiziellen Angaben zufolge vor allem dem Fahrzeugumschlag zuzuschreiben ist, Exporten nach Großbritannien und Importen (vor allem von VW) aus Südafrika.
Hoffnungsanker „Energiewende“
„Niedersachsens Seehäfen – für die Energiewelt von morgen“ lautete das zentrale Motto des Hafentags; folgerichtig spielten sowohl der Ausbau der Windkraftpotenziale als auch das Thema LNG eine große Rolle, obwohl sich das bislang in den Umschlagszahlen nur bedingt widerspiegelt. So ist zwar der Elbehafen Cuxhaven als Standort von Siemens Gamesa kräftig ausgebaut worden (kein Ende in Sicht), trotzdem endete das erste Halbjahr mit einem schwachen Minus von drei Prozent. In Wilhelmshaven wurde bekanntlich auf umwelt- und klimapolitisch äußerst umstrittene Weise ein LNG-Terminal errichtet. Der sorgte mit rund 1,5 Millionen Tonnen Flüssiggas-Umschlag zwar dafür, die massiven Einbrüche in anderen Bereichen – wie etwa auch hier dem Kohleumschlag – statistisch zu verschönern, Wilhelmshaven erzielte so ein Plus von rund 700.000 Tonnen entsprechend 4,5 Prozent. Aber nach wie vor wird ja der seit Anbeginn weit unter seinen Möglichkeiten dümpelnde Containerhafen JadeWeserPort (JWP) extra gerechnet – sein Minus von 15,9 Prozent entsprechend 55.482 TEU trübt also die Bilanz.
All diesen Zahlen gemeinsam ist wieder einmal: Schuld sind immer die Umstände oder die anderen, nie eigene Fehlplanung oder – siehe eingangs – überzogene Ansprüche. Zu den „üblichen Verdächtigen“ zählen etwa die schwächelnde globale Nachfrage, die hohe Inflation, die gestiegenen Zinsen, der Krieg in der Ukraine und natürlich die hohen Energiepreise. Insbesondere Letztere waren für Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) ein willkommener Anlass, die momentane Kampagne von Teilen seiner Partei für einen subventionierten Industriestrompreis zu unterstützen: Vor allem die energieintensive Industrie wie in Stade brauche dringend eine derartige Entlastung, um wettbewerbsfähig produzieren zu können. Und, nicht zu vergessen: Seehäfen seien Garanten der Energiewende, ihr Ausbau also eine nationale Aufgabe – gemeinsam mit Bremen und Hamburg fordert Lies daher dringend mehr Geld vom Bund. Das Thema wird in Kürze auch die 13. Nationale Maritime Konferenz (NMK) in Bremen beschäftigen.