13. NMK – ein Reigen teurer Pläne und Ideen

Die 13. Natio­na­le Mari­ti­me Kon­fe­renz (NMK), „zen­tra­le Ver­an­stal­tung der Bun­des­re­gie­rung zur Unter­stüt­zung der mari­ti­men Wirt­schaft“, ist am ver­gan­ge­nen Frei­tag nach zwei Tagen in Bre­men zu Ende gegan­gen. Das seit dem Jahr 2000 in eini­ger­ma­ßen regel­mä­ßi­gen Abstän­den statt­fin­den­de Branchen-Treffen erwies sich auch die­ses Mal als Sam­mel­su­ri­um vie­ler teu­rer Ver­spre­chen der Poli­tik und wei­te­rer, noch teu­re­rer For­de­run­gen sei­tens der Unter­neh­men und Lobbyisten. 

Es begann in gewis­ser Wei­se skur­ril: Mit der Orga­ni­sa­ti­on der 13. NMK hat­te Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grü­ne) näm­lich die Köl­ner Agen­tur „facts and fic­tion“ beauf­tragt – und deren Name ent­pupp­te sich als programmatisch:

  • Zu den „facts“ gehört es, dass sich rund 800 Teil­neh­mer aller schifffahrts- und mee­res­be­zo­ge­nen Fir­men und Ein­rich­tun­gen ein­ge­fun­den hat­ten. Nur Umwelt­ver­bän­de oder ande­re zivil­ge­sell­schaft­li­che Grup­pen waren fak­tisch nicht ver­tre­ten, min­des­tens zwei Fäl­le sind sogar bekannt, da Mit­glie­der sol­cher Orga­ni­sa­tio­nen gar nicht zuge­las­sen wor­den waren (Gerüch­te besa­gen aber, dass noch wei­te­re still­schwei­gend abge­wie­sen wurden).
  • Unter „fic­tion“ indes sind gro­ße Tei­le der dis­ku­tier­ten Inhal­te zu ver­bu­chen. Es ging um Stich­wor­te wie Kli­ma­schutz, Dekar­bo­ni­sie­rung, Ener­gie­wen­de, Mari­ne­schiff­bau und Schutz kri­ti­scher Infra­struk­tur, Hafenstra­te­gie und Nach­wuchs­pro­ble­me: Wer jedoch alle dies­be­züg­li­chen For­de­run­gen, Vor­schlä­ge und Ideen sum­miert (die, wohl­ge­merkt, viel­fach durch­aus begrü­ßens­wert klan­gen) und dann aber nach ihrer Umset­zung und Finan­zie­rung fragt, kommt schnell auf – Fik­ti­on. Denn was da auf­ge­lis­tet wur­de, dürf­te (da die Bran­che selbst lie­ber nach Sub­ven­tio­nen ruft als selbst Zah­lungs­be­reit­schaft zu zei­gen) ohne mas­si­ve Steu­er­erhö­hun­gen selbst von Gene­ra­tio­nen kaum zu bezah­len seien.

Eröff­net wor­den war der Kon­gress am Don­ners­tag vom Mari­ti­men Koor­di­na­tor der Bun­des­re­gie­rung, Die­ter Jan­ecek, gefolgt von Reden des Bre­mer Regie­rungs­chefs Andre­as Boven­schul­te, Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz, Habeck und der Ver­kehrs­staats­se­kre­tä­rin Danie­la Klu­ckert. Sie alle schwelg­ten in unter­schied­li­chen Ton­la­gen – neben Krisen- und Kriegs­ge­re­de (sie­he unten) – von Auf­bruch­stim­mung und Chan­cen der mari­ti­men Wirt­schaft, von Dia­log und „Brü­cken­schlag“ zwi­schen der Küs­te und dem Bin­nen­land, von der mari­ti­men Fami­lie und ihren weit­rei­chen­den Auf­ga­ben fürs gan­ze Land und sei­ne Zukunft. Vie­le schö­ne Wor­te, aber alles vor­erst unverbindlich.

Gigan­ti­sche Herausforderungen

Zum Bei­spiel Klima- und Ener­gie­po­li­tik: Die Vor­ha­ben Deutsch­lands und der EU in Sachen Ener­gie­wen­de bedeu­ten eben­so wie die – wenn­gleich viel zu schwa­chen – Beschlüs­se der UN-Schifffahrtsorganisation IMO zur Kli­ma­neu­tra­li­tät 2050 nichts ande­res als gigan­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen. Das fängt bei der Ent­wick­lung oder Opti­mie­rung neu­er Tech­no­lo­gien von Off­shore­wind­kraft an, gefolgt von im Detail noch unvor­stell­ba­ren Erwei­te­run­gen küs­ten­na­her Indus­trien und vor allem Hafen­an­la­gen, von Flä­chen­ak­qui­si­ti­on, Schwer­last­ka­jen­bau, Bereit­stel­lung nöti­ger Instal­la­ti­ons­tech­nik und -flot­ten. Hin­zu kom­men Ent­wick­lung, Pro­duk­ti­on und Logis­tik „kli­ma­neu­tra­ler“ Treib­stof­fe wie etwa Ammo­ni­ak oder (Bio-)Methanol oder Was­ser­stoff samt Umrüs­tung bestehen­der Schif­fe bezie­hungs­wei­se Neu­bau für die ent­spre­chen­den Antrie­be. Ergänzt wur­den die­se Kom­ple­xe am Frei­tag durch die Debat­ten über mari­ti­me Sicher­heit – was über stra­te­gi­sche Aspek­te hin­aus auch Anla­gen­schutz ein­be­zieht – und künf­ti­gen Mari­ne­schiff­bau. Ob die fami­li­är geführ­te Bre­mer Kriegsschiff- und Luxus­yach­ten­werft Lürs­sen sich auf Plä­ne eines Natio­nal­ver­bunds mit Thys­sen­Krupp Mari­ne Sys­tems (TKMS) ein­lässt, da doch schon Rufe nach staat­li­chen Len­kungs­op­tio­nen laut wur­den, bleibt abzuwarten.

Fast schon im Krieg?

Die machen mir Angst.“ – Ein junger Mann zündet sich vorm Bremer Congress Centrum nervös eine Zigarette an. Drinnen diskutiert die 13. NMK gerade über „Marineschiffbau“ und „Schutz maritimer Infrastrukturen“. Das veranstaltende BMWK von Robert Habeck hat drei Impuls-Reden organisiert, die tatsächlich unruhig machen. Manches klingt, als befände sich Deutschland fast schon im Krieg.
Den Anfang macht Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller. Nach anfänglichem Heimatgetue – Ostfriesin, dem Meer verbunden – holt sie verbal aus. Die Scholz‘sche Zeitenwende werfe Schatten voraus, „unsere Gegner“ nähmen „unsere regelbasierte Ordnung ins Visier“. Die Sabotage der NordStream-Pipeline wird in diesem Kontext nachdrücklich erwähnt, obgleich deren tatsächliche Verursacher bis heute nicht identifiziert sind. Die Marine mit modernen Schiffen, besten Kräften und bestem Material auszustatten, genügt Möller aber nicht: Sie spricht auch darüber, was die Marine darf und was nicht, fragt unverhohlen, ob die Trennlinien des Grundgesetzes „noch zeitgemäß“ seien, mahnt ein Engagement der Marine „über originäre Aufgaben hinaus“ an. Und sie hält nicht nur Ostsee-, sondern auch Indopazifik-Manöver für anscheinend selbstverständlich.
Marineinspekteur Jan Christian Kaack erinnert an die Geburt der Reichsflotte vor 175 Jahren, die sei damals schon im „Deutschlandtempo“ erfolgt, fordert Begeisterung für die Marine ein – und kritisiert deutlich, dass „unsere gesamtstaatlichen Prozesse … noch im Friedensbetrieb“ seien. Russland habe „uns“ zur Zeitenwende gezwungen, das verlange schnell eine nationale Strategie für den Bau moderner und innovativer Einheiten. Einerseits will er für diese Schiffe mehr junge Menschen begeistern, andererseits bräuchten die aber an Bord künftig keinen „Hotelstandard“ mehr – irgendwie einzusehen, die Kriegsgaleeren früherer Völker kamen ja schließlich auch ohne solchen Luxus aus. Aber Kaack redet gleichfalls über „verschwimmende Grenzen“ zwischen innerer und äußerer Sicherheit sowie über globales Engagement bis in den Indopazifik.
Das unterstützt auch Sarah Kirchberger, Direktorin des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik: Sie skizziert ein „zunehmend aggressives Verhalten“ einer VR China „mit totalitären Zügen“, sieht Japan und Taiwan unter deren starkem Druck, was Unterstützung durch die USA herausfordere. Und sie betont nachdrücklich, im nichtchinesischen Teil des Indopazifik werde die Anwesenheit von Einheiten der Bundesmarine positiv gesehen: Das wäre dann wohl der nächste Schritt nach Peter Strucks Postulat der Verteidigung „unserer“ Sicherheit nicht nur, aber auch am Hindukusch…

Die­se Auf­zäh­lung kann hier nur exem­pla­risch sein, ver­deut­licht aber eines: Ob sie nach heu­ti­gem Kennt­nis­stand über­haupt ver­voll­stän­digt wer­den könn­te, bleibt eben­so unklar wie die Fra­ge, ob Milliarden-Investitionen aus­rei­chen wer­den; zumal sich durch alle Debat­ten­bei­trä­ge immer wie­der der bereits erwähn­te Ruf nach Sub­ven­tio­nen zog. Auf Erwä­gun­gen, was das alles für die Mee­res­um­welt bedeu­tet, war­te­te man lan­ge ver­ge­bens, nur Sebas­ti­an Unger als Mee­res­be­auf­trag­ter der Bun­des­re­gie­rung wag­te am Frei­tag Mit­tag ein­mal, an den Schutz der eben­falls kli­ma­re­le­van­ten Bio­di­ver­si­tät zu erin­nern. Nicht ver­schwie­gen wer­den darf auch die­ses: Staat­li­che Stel­len sol­len nicht nur finan­zi­ell för­dern, son­dern auch mas­siv ein­grei­fen – in die Bür­ger­rech­te. Kaum ein Rede­bei­trag (selbst der von Bre­mens lin­ker Häfen­se­na­to­rin Kris­ti­na Vogt nicht) ver­zich­te­te auf die Mah­nung, dass alle anste­hen­den Schrit­te drin­gend einer Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung bedürf­ten. Das Jam­mern über zeit­rau­ben­de Pla­nungs­de­bat­ten oder gar jah­re­lan­ge gericht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit Vor­ha­bens­kri­ti­kern, denen drin­gend Ein­halt gebo­ten wer­den müs­se, um die gesteck­ten Zie­le errei­chen zu kön­nen, waber­te durch den gesam­ten Kongress.

Natür­lich fehl­te es nicht auch an heh­ren Vor­sät­zen, aller­dings spät und spär­lich: Unmit­tel­bar vor Kon­fe­renz­ende wur­de über das Nach­wuchs­pro­blem gespro­chen – vor mitt­ler­wei­le halb­lee­ren Rei­hen, was den im Saal sit­zen­den Polar­for­scher Arved Fuchs zu sar­kas­ti­scher Kri­tik ansta­chel­te. Zwar gab es man­che Ein­ge­ständ­nis­se bis­he­ri­gen Ver­sa­gens und vie­le Ideen, was bes­ser zu machen sei: So reg­te etwa Kon­stan­tin Poh­sin, Kapi­tän des Hochsee-Bergungsschleppers „Nor­dic“, an, direkt in die Schu­len zu gehen, um jun­ge Men­schen selbst schon im Grund­schul­al­ter für Schiff­fahrt und mari­ti­me Beru­fe zu begeis­tern. Der Ver­band Deut­scher Ree­der (VDR) tat sich her­vor mit der Ankün­di­gung, künf­tig jähr­lich unter ande­rem 400 see­sei­ti­ge Aus­bil­dungs­plät­ze anbie­ten zu wol­len. Ob das ange­sichts der Ver­hält­nis­se in der Schiff­fahrt nach Ände­rung der Schiffs­be­set­zungs­ver­ord­nung im Jah­re 2016 aller­dings zügig umsetz­bar ist, erscheint man­chen frag­lich. Es gehört aber auch zu den „facts“ die­ser NMK, dass die sozia­le und tarif­li­che Lage der See­leu­te so gut wie kei­ne Rol­le spiel­te. Und es ist eine amt­li­che Tat­sa­che, dass sich die Anzahl deut­scher See­leu­te auf einem his­to­ri­schen Tief­punkt befin­det: Laut Sta­tis­tik der Knappschaft-Bahn-See gab es Ende März 2023 nur noch 4744 von ihnen – zehn Jah­re zuvor waren es noch gut 7400 gewesen.

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WATERKANT-Redaktion