Die von der Ampel-Koalition und der EU viel (und laut) beschworene Energiewende, insbesondere der massive Ausbau von Offshore-Windkraft-Kapazitäten, scheint – neben Vorbehalten bei Teilen der maritimen Wirtschaft oder beim Meeresumweltschutz – auch einen Hang zur sozialen Schieflage zu haben: Der Weltmarktführer der Branche, Ørsted (vormals Dong Energy), steht gleich mehrfach unter Druck.
In Deutschland laufen seit neun Monaten bislang ergebnislose Tarifverhandlungen zwischen Ørsted und der IG Metall. Erst Mitte voriger Woche hatte die Gewerkschaft rund 200 Beschäftigte in Emden zu einem Warnstreik aufgerufen, mehr als drei Viertel seien dem Aufruf gefolgt, heißt es in einer IGM-Pressemitteilung: Forderungen nach einem transparenten und sicheren Entgeltsystem, nach Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich würden von Ørsted bislang ignoriert. Verhandlungsführer Henrik Köller will das nicht länger hinnehmen, die Windbranche brauche in der aktuellen Situation „gute Rahmenbedingungen für die Beschäftigten“ und dafür müsse „der Arbeitgeber sich jetzt bewegen“ (Erst im Juli dieses Jahres war beim Ørsted-Konkurrenten Vestas nach 123 Tagen Streik ein Tarifabschluss erkämpft worden).
Aber das ist derzeit nicht Ørsteds einziges Problem – die US-Niederlassung des Konzerns hat sich auch mit der mächtigen US-Gewerkschaft International Longshoremen‘s Association (ILA) angelegt und stößt dabei auf nicht weniger als weltweiten Protest: Mehr als 215 Gewerkschaften aus 100 Ländern haben einen offenen Brief an den Ørsted-Vorstandschef Mads Nipper unterzeichnet und ihn aufgefordert, direkt einzugreifen. In vielen Häfen Nordamerikas, Europas und Australiens haben Hafenarbeiter aus Gewerkschaften der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) und dem Internationalen Hafenarbeiterrat (IDC) dieses Schreiben Mitte vergangener Woche, begleitet von unterschiedlichsten Protestaktionen, den dortigen Büros oder Niederlassungen von Ørsted übergeben.
Hafenarbeit für Hafenbeschäftigte!
Ausgangspunkt dieses Konflikts ist der kleine US-amerikanische Ostküstenhafen New London in Connecticut nordöstlich von New York; die Stadt liegt an einem – treffend – „Thames River“ genannten Meeresarm. Vor Jahren hatte die Stadtverwaltung ihren Connecticut State Pier geschlossen, um ihn für die Handhabung von Offshore-Windkraftkomponenten nachzurüsten, die unter anderem im derzeit vor der Küste entstehenden Ørsted-Windpark South Fork Wind verbaut werden. Als nun der Pier kürzlich wieder geöffnet wurde, stellten die örtlichen Hafenarbeiter fest, dass Ørsted die Zuständigkeit für das Be- und Entladen von Schiffen und Transportplattformen einer am Umbau beteiligten Baugewerkschaft übertragen hatte.
Laut ITF und ILA behauptete der Konzern, die ILA habe keine Mitglieder, die für die Bedienung der technologisch hochwertigen Kräne und Transportanlagen ausgebildet und für die Handhabung der Offshore-Windkomponenten ausreichend qualifiziert seien. Tatsächlich hatte aber die ILA bereits vor drei Jahren, dem Start des Pier-Umbaus, Ørsted aufgefordert, entsprechende Schulungen zu organisieren – vergeblich. Während jetzt lokale Ørsted-Repräsentanten den Konflikt als „Streit zwischen konkurrierenden Gewerkschaften“ zu disqualifizieren suchen, pochen die lokalen Docker auf ihre anerkannten Rechte, wonach Hafenarbeit Sache von Hafenbeschäftigten ist.
Prompt organisierten sie massive Proteste, die sehr schnell nationale und sogar internationale Unterstützung fanden; die diversen Demos und Kundgebungen im Zuge der Übergabe(n) des erwähnten Offenen Briefs an Ørsted-Chef Nipper beweisen es ebenso wie etliche Aktionen in anderen Teilen der Welt. So hat etwa die Maritime Union of Australia (MUA) den Konflikt zum Anlass genommen, Ørsted in downunder aufzufordern, für dortige Offshore-Windprojekte Vereinbarungen mit allen beteiligten Gewerkschaften abzuschließen. In Deutschland beantwortete Verdis Fachbereich Maritime Wirtschaft die Frage nach aktiver Unterstützung der ILA indes eher lapidar: Man habe „den offenen Brief unterzeichnet und u.a. über Facebook darauf aufmerksam gemacht“.