Düster muten derzeit die aktuellen Zwischenbilanzen diverser Seehäfen an. Das kommt allerdings wenig überraschend – das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) hatte ja bereits im Sommer dieses Jahres eher flaue Ergebnisse für die ersten drei Quartale prognostiziert.
Es ist offensichtlich eine direkte Folge jener Schifffahrtsentwicklung, unter der auch die großen Reedereien stöhnen (obwohl es denen meist trotzdem noch gut geht). Prompt meldet sich nun der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) – und ruft erst einmal Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) quasi zur Ordnung: Jüngst hatte der Kanzler vor der Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) in Bremen eingeräumt, man habe die Häfen jahrelang vernachlässigt; nur ließ er dabei offen, wann wie viel höhere Zuschüsse gewährt würden. Die kommende Nationale Hafenstrategie, zur Zeit noch regierungsamtlich in Arbeit, soll diese und andere Fragen beantworten. Ein bisschen Druck kann nicht schaden, folglich hat ZDS-Präsidentin Angela Titzrath – als Vorstandsvorsitzende der Hamburger HHLA aktuell mit Fusion (oder Teilausverkauf?) ihres noch staatseigenen Unternehmens an die Genfer Mega-Reederei MSC befasst – den Kanzler nun erneut an die finanzielle Verantwortung des Bundes für den zügigen Ausbau der deutschen Seehäfen zu erinnern.
Tags zuvor hatte sie gerade als HHLA-Chefin beträchtliche Einbußen für die ersten neun Monate einräumen müssen. Schuld seien neben Inflation und Zinsen der Krieg in der Ukraine und weitere geopolitische Spannungen – die ziemlich guten Verdienste nicht nur der Reeder, sondern eben auch vieler Häfen während der Pandemiejahre bleiben da unerwähnt. Im Berichtszeitraum habe die HHLA an ihren drei Hamburger Containerterminals ein Minus von 6,9 Prozent hinnehmen müssen, so Titzrath; nur 4,28 Millionen TEU seien umgeschlagen worden. Interkontinental habe das vor allem an geringeren Mengen im Verkehr mit China gelegen, regional habe nicht nur der „sanktionsbedingte“ Ausfall des Russland-Geschäfts die so genannten Feeder-Verkehre schrumpfen lassen: Auch diese Verteilung überseeischer Transporte mit mittleren und kleineren Schiffen von und nach Schweden und Polen habe abgenommen.
Weniger Handel oder andere Verkehrsströme?
Hier allerdings wäre zu hinterfragen, inwieweit dies vielleicht weniger direkten Handelseinbußen und viel eher sich verändernden Verkehrsströmen zuzuschreiben ist: Zum einen haben die Direktfahrten großer Containerschiffe um Skagen nach Göteborg oder Gdansk in den vergangenen Jahren stark zugenommen, zum anderen hat der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) mit anhaltenden Problemen zu kämpfen – ein weiteres Stück jahrelang vernachlässigter Infrastruktur. Jüngst erst hatte der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler (ZVDS) Alarm geschlagen und mehr „Effizienz und Zuverlässigkeit“ für den NOK eingefordert; konkret geht es da um die teils lange verschleppten Ausbau- und Instandsetzungsarbeiten sowie vor allem um akuten Personalmangel, der laut ZVDS in Wartung und Betrieb bereits mehrfach zu Engpässen etwa an den NOK-Schleusen geführt habe.
Die HHLA allerdings kann sich etwas trösten: Der Umschlag beim Weser-Konkurrenten Bremerhaven ist noch deutlich stärker geschrumpft. In den ersten neun Monaten 2023 wurden an dessen Terminals 3,05 Millionen TEU umgeschlagen, rund zwölf Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Wer diesen Wert aufs Kalenderjahr hochrechnete, käme auf rund 4,07 Millionen TEU – das wäre das schlechteste Ergebnis seit 2005. Bremerhaven hat in der so genannten Nordrange – den Häfen an Nordsee und Nordostatlantik – die stärksten Einbußen zu verzeichnen. Der belgische Gemeinschaftshafen Antwerpen-Zeebrügge etwa meldete für die ersten drei Quartale einen Rückgang des Containerumschlags in TEU um 6,8 Prozent, nennt dazu allerdings keine Stückzahlen. Der niederländische Mega-Hafen Rotterdam bilanzierte für den gleichen Zeitraum einen Umschlag von 10,2 Millionen TEU, das entspricht einem Vergleichs-Minus von 7,2 Prozent.
Die erwähnte ISL-Prognose hatte im Juli für das Jahr 2022 einen Rückgang des Containerumschlags in der Hälfte der 20 weltweit größten Containerhäfen bilanziert, darunter die meisten europäischen und nordamerikanischen Häfen, und vorhergesagt, dieser Abschwung werde sich 2023 fortsetzen und beschleunigen. Die gute Nachricht: Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat vor wenigen Tagen festgestellt, die Zahlen für den weltweiten Handel seien „stark wie lange nicht mehr“, in der Containerschifffahrt stehe daher einem guten Weihnachtsgeschäft „nichts im Weg“ – global gesehen…