HHLA-MSC-Deal: Ein Schritt weiter…

Die Stadt Ham­burg und die welt­größ­te Con­tai­ner­ree­de­rei, der Gen­fer Fami­li­en­kon­zern MSC, sind Ende ver­gan­ge­ner Woche auf ihrem Weg zum geplan­ten Ein­stieg von MSC bei der bis­lang über­wie­gend staats­ei­ge­nen Ter­mi­nal­ge­sell­schaft HHLA einen wich­ti­gen Schritt vor­an gekom­men – aber noch nicht am Ziel. 

Nach offi­zi­el­lem Stand vom Wochen­en­de ver­fü­gen Stadt und MSC jetzt über ins­ge­samt 92,3 Pro­zent der HHLA-Aktien: Rund 70,35 Pro­zent sind bis­her im Besitz der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg, 12,21 Pro­zent hat­te MSC bereits auf dem frei­en Markt erwor­ben – und 9,74 Pro­zent sind dem Kon­zern im Lau­fe der rund sechs­wö­chi­gen Annah­me­frist ange­dient wor­den. Mit die­ser Mehr­heit kön­nen nun Ham­burg und MSC die übri­gen Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­re aus dem Unter­neh­men drän­gen, und zwar mit einem bör­sen­recht­lich übli­chen Trick, dem so genann­ten Squeeze-out. Dabei bekom­men die so Ver­dräng­ten ein Abfin­dungs­an­ge­bot, das sie letzt­lich anneh­men müs­sen – es sei denn, sie lie­ßen sich auf einen Kla­ge­weg ein.

Kurz vor Ende der besag­ten Annah­me­frist gab es in Ham­burg noch­mal Schlag­zei­len: Medi­en­träch­tig hat­te der ehe­ma­li­ge Hafen­ar­bei­ter Tho­mas Men­drzik sein SPD-Parteibuch nach jahr­zehn­te­lan­ger Mit­glied­schaft zurück­ge­ge­ben – aus erklär­tem Pro­test gegen den geplan­ten MSC-Deal. Men­drzik ist nicht irgend­wer: Das Ham­bur­ger Abend­blatt nennt ihn „eine Insti­tu­ti­on“ im Hafen, er war Betrie­brats­chef am HHLA-Terminal Alten­wer­der, Bun­des­fach­grup­pen­lei­ter Häfen der Gewerk­schaft ver.di und saß als Beschäf­tig­ten­ver­tre­ter im Auf­sichts­rat des Kon­zerns. Kri­ti­kern galt er seit lan­gem als sozi­al­part­ner­schaft­lich sehr ange­passt – um so über­ra­schen­der sein jet­zi­ger Schritt.

Folge-Probleme nicht ausgeschlossen

Ham­burg hat mit dem MSC-Deal offen­sicht­lich Pro­ble­me. Einer­seits ist das Geschäft mit der bis­lang erreich­ten Akti­en­mehr­heit for­mal fast am Ziel: Ham­burg will den Plä­nen nach 27,95 Pro­zent der HHLA-Aktien aus städ­ti­schem Besitz an MSC ver­kau­fen, die Gen­fer Ree­de­rei käme so auf einen Anteil von 49,9 Pro­zent, Ham­burg behält 51,1 Pro­zent. Ande­rer­seits ist bis­lang nicht abseh­bar, ob das alles so über die Büh­ne geht: Zum einen ste­hen noch etli­che fusions- und sub­ven­ti­ons­kon­troll­recht­li­che Frei­ga­ben und außen­wirt­schaft­li­che Geneh­mi­gun­gen aus, in die wegen der inter­na­tio­na­len Akti­vi­tä­ten der HHLA neben der EU-Kommission auch Staa­ten wie Däne­mark, Ita­li­en, Geor­gi­en, Rumä­ni­en, Slo­we­ni­en, die Ukrai­ne oder Tune­si­en ein­ge­bun­den sind – unter ande­rem wegen der Ver­net­zung der HHLA-Tochter Metrans, immer­hin der zweit­größ­ten deut­schen Bahn­ge­sell­schaft. HHLA-Vorstand und -Auf­sichts­rat haben zwar pro­ble­ma­ti­siert, dass durch den Ein­stieg von MSC und damit eines Kon­kur­ren­ten der Ree­der­kun­den der Metrans die­se nicht mehr als neu­tra­ler Anbie­ter wahr­ge­nom­men wer­den könn­te; aller­dings nen­nen die HHLA-Spitzen die­ses Risi­ko „mitt­ler­wei­le neu­tral“ – im Unter­schied zu etli­chen Stim­men aus Logis­tik und Reedereien.

Zum ande­ren muss natür­lich auch die Ham­bur­ger Bür­ger­schaft dem Deal – sowohl dem Akti­en­ver­kauf als auch der anschlie­ßen­den Fusi­on – erst noch zustim­men, das macht die aktu­el­le Debat­te in der Han­se­stadt bri­sant. Die Debat­te dar­über und die anschlie­ßen­de Ent­schei­dung wer­den für Anfang kom­men­den Jah­res erwar­tet. Es gibt nicht nur in den oppo­si­tio­nel­len Frak­tio­nen etwa der LINKEN oder der CDU, son­dern auch in den Rei­hen der Regie­rungs­ko­ali­ti­on aus SPD und GRÜNEN immer wie­der war­nen­de Stim­men, gegen jed­we­de Pri­va­ti­sie­rung kom­mu­na­ler Häfen eben­so wie gegen das kon­kre­te Vor­ha­ben. Über die Pro­tes­te von Arbeit­neh­mer­sei­te und Gewerk­schaft war bereits die Rede – und zivil­ge­sell­schaft­lich nennt etwa die Bür­ger­initia­ti­ve Ham­burg für die Elbe die geplan­te Fusi­on schlicht „arm­se­lig“: Die jüngs­te Elb­ver­tie­fung sei vom Senat als Garant für den pro­gnos­ti­zier­ten Con­tai­ner­um­schlag von jähr­lich 26 Mil­lio­nen TEU pro­pa­giert wor­den – aktu­ell wür­den 2023 aber bes­ten­falls 7 Mil­lio­nen TEU erwar­tet. Und nun, so BI-Sprecher Axel Goden­rath, „ver­ramscht unser stra­te­gie­ar­mer Senat“ die HHLA an MSC „und hofft auf deren fast nied­lich anmu­ten­de Ver­pflich­tung“ von einer Mil­li­on zusätz­li­cher Container.

Der HHLA-Konzernbetriebsrat hat­te wegen lücken­haf­ter Absi­che­rung der Beschäf­tig­ten und Sor­ge um die Mit­be­stim­mung eine Abhän­gig­keit von einer ein­zel­nen Ree­de­rei als „stra­te­gisch frag­wür­dig“ bezeich­net. Der­ar­ti­ge Ängs­te sind nicht unbe­rech­tigt, das zeigt aktu­ell ein ähn­lich gela­ger­tes Bei­spiel: Nach lan­gem Zer­ren war Chi­nas Staats­ree­de­rei Cosco eine Min­der­heits­be­tei­li­gung an Tol­ler­ort, dem kleins­ten der drei Ham­bur­ger HHLA-Terminals, zuge­bil­ligt wor­den. Am Sonn­abend nun warn­te die Gewerk­schaft ver.di vor dro­hen­dem Tarif­bruch durch Cosco: Die Ree­de­rei wol­le dem­nächst auf Fee­der­schif­fen nicht aus­ge­bil­de­te Hafen­ar­bei­ter, son­dern eige­ne See­leu­te das so genann­te Laschen, die Trans­port­si­che­rung von Con­tai­nern, durch­füh­ren las­sen. Das aber ver­stie­ße gegen gel­ten­de ITF-Tarifverträge. – Wer denkt da nicht sogleich an Goe­thes Geister…?

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WATERKANT-Redaktion