Studien belegen: Weservertiefungen unnötig

Der Umwelt­ver­bän­de BUND und WWF Deutsch­land haben die nächs­te Run­de im Streit um die geplan­te Weser­ver­tie­fung ein­ge­läu­tet: Mit zwei fun­dier­ten Stu­di­en unter­mau­er­ten die Orga­ni­sa­tio­nen jetzt ihr bereits wie­der­holt vor­ge­brach­tes Argu­ment, die Maß­nah­men wür­den der Schiff­fahrt nicht nen­nens­wert nützen. 

Seit mehr als 30 Jah­ren plant die Wasserstraßen- und Schiff­fahrts­ver­wal­tung des Bun­des (WSV) im Auf­tra­ge der Län­der Bre­men und Nie­der­sach­sen eine wei­te­re Aus­bag­ge­rung sowohl der Außen­we­ser – der Zufahrt von der Nord­see nach Bre­mer­ha­ven – als auch der Unter­we­ser, des Fluss­ab­schnitts zwi­schen Bre­mer­ha­ven und Bre­men. WATERKANT berich­tet dar­über seit lan­gem. Poli­tik und mari­ti­me Wirt­schaft wer­den nicht müde, die­ses Vor­ha­ben mit wach­sen­den Schiffs­grö­ßen und folg­lich nöti­gen grö­ße­ren Fahr­was­ser­tie­fen zu begrün­den, um sich im Wett­be­werb mit ande­ren Häfen von Ham­burg bis Rot­ter­dam und Ant­wer­pen behaup­ten zu kön­nen. Alle vor­ge­brach­ten Gegen­ar­gu­men­te von Umwelt­schüt­zern, Deich­ver­bän­den, Land­wirt­schaft, Was­ser­sport, Tou­ris­mus­bran­che oder Anlie­gern und selbst ein­zel­nen loka­len Wirt­schafts­un­ter­neh­men wer­den klein­ge­re­det oder ignoriert.

Das ers­te amt­li­che Ver­fah­ren schei­ter­te 2016 vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt. Das hin­der­te die Pla­ner aber nicht, sogleich einen neu­en Ver­such zu star­ten. Momen­tan wer­den zwei neue Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren für die Ver­tie­fung der Außen­we­ser und der Unter­we­ser zwi­schen Bre­mer­ha­ven und Bra­ke vor­be­rei­tet; auf den Abschnitt Brake-Bremen hat man inzwi­schen ver­zich­tet. Zwar ist die Lis­te der Beden­ken mitt­ler­wei­le immer län­ger, der Wider­stand in der Regi­on immer brei­ter gewor­den. Selbst in regie­ren­den Par­tei­en mur­ren Tei­le der Basis gegen die meh­re­re hun­dert Mil­lio­nen Euro Steu­er­gel­der ver­schlin­gen­den Vor­ha­ben. Trotz­dem drän­gen Wirt­schafts­ver­bän­de und maß­geb­li­che Tei­le der Poli­tik wei­ter auf bal­di­ge Umsetzung.

Mini­ma­ler Nut­zen, gro­ßer Schaden

Dem set­zen BUND und WWF nun ihre bei­den Stu­di­en ent­ge­gen: Die ers­te erschien bereits im Okto­ber und befasst sich mit der Außen­we­ser und dem See­ha­fen Bre­mer­ha­ven; die zwei­te wur­de heu­te früh ver­öf­fent­licht und hat die nörd­li­che Unter­we­ser und den See­ha­fen Bra­ke zum The­ma. Trotz aller Dif­fe­ren­zie­rung las­sen sich bei­de Doku­men­te gleich­lau­tend zusam­men­fas­sen: Der Nut­zen eines Aus­baus wäre mini­mal, der öko­lo­gi­sche Scha­den aber groß.

Unter­sucht haben die Ver­bän­de die Sta­tis­ti­ken über die Tief­gän­ge der in Bre­mer­ha­ven und Bra­ke ein- und aus­lau­fen­den Schif­fe. Es han­delt sich um Daten, die die Schif­fe auf Grund inter­na­tio­na­ler Vor­schrif­ten mit­tels ihres Auto­ma­ti­schen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­sys­tems (AIS) kon­ti­nu­ier­lich sen­den müs­sen. Für das Jahr 2023 haben BUND und WWF nun die­se Tief­gangs­wer­te in Bezie­hung gesetzt zu natür­li­chen und logis­ti­schen Daten: Wel­cher Fluss­ab­schnitt ist heu­te mit wel­chen Tief­gän­gen bei Ebbe oder Flut befahr­bar? Wie vie­le Schif­fe errei­chen oder ver­las­sen den jewei­li­gen Hafen mit wel­chen Tief­gän­gen? Und: Wel­che neu­en Tief­gän­ge sol­len durch die geplan­ten Aus­bag­ge­run­gen trotz aller zu erwar­ten­den Risi­ken erreicht werden?

Unge­nutz­te Möglichkeiten

Für die Außen­we­ser und damit für die nau­ti­sche Erreich­bar­keit Bre­mer­ha­vens kommt die Oktober-Studie zu dem Schluss, dass eine wei­te­re Ver­tie­fung über­flüs­sig sei, weil die heu­te schon mög­li­chen Tief­gän­ge nicht aus­ge­nutzt wür­den: Alle grö­ße­ren ein- wie aus­lau­fen­den Schif­fe hat­ten im Ver­gleich zu den zuläs­si­gen Maxi­mal­tief­gän­gen noch Reser­ven, eini­ge weni­ge von einem hal­ben, andert­halb Dut­zend von bis zu einem Meter. Nur ein Bruch­teil der Großcontainerschiffs-Verkehre – ein- wie aus­lau­fend – sei über­haupt für eine sol­che Betrach­tung rele­vant und kön­ne so von einer Ver­tie­fung pro­fi­tie­ren. Der Grund ist hydro­dy­na­mi­scher Natur: Bre­mer­ha­ven ver­fü­ge über lan­ge so genann­te Tide­fens­ter, also Hoch­was­ser­pha­sen, die tide­ab­hän­gi­gen gro­ßen See­schif­fen aus­rei­chend Gele­gen­heit zum Ein-­ oder Aus­lau­fen geben.

Ges­tern nun haben die Ver­bän­de auch ihre Unterweser-Studie vor­ge­legt – übri­gens mit akti­ver Unter­stüt­zung durch WATERKANT; unser Redak­teur Burk­hard Ilsch­ner hat maß­geb­lich zur Samm­lung der AIS-Daten bei­getra­gen. Die­se Unter­su­chung mün­det in einem ähn­li­chem Ergeb­nis wie die ers­te: Eine Ver­tie­fung der Stre­cke Bremerhaven-Brake sei unnö­tig. 2023 hät­ten nur zehn von 873 ein­lau­fen­den See­schif­fen den heu­te maxi­mal mög­li­chen Tief­gang von 11,90 Metern aus­ge­schöpft, von den aus­lau­fen­den Schif­fen kein ein­zi­ges. Die Pla­ner behaup­te­ten zwar, die Ver­tie­fung sei not­wen­dig, weil die durch­schnitt­li­che Ton­na­ge der Bra­ke anlau­fen­den Schif­fe seit vie­len Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich zuneh­me. Aber die Aus­wer­tung der Schiffs­sta­tis­tik zei­ge dafür kei­ne Anhaltspunkte.

Bis­lang aller­dings set­zen die Befür­wor­ter eher auf Wunsch­den­ken als auf Fak­ten: Im Okto­ber zitier­te Radio Bre­men eine Stel­lung­nah­me des „Wirt­schafts­ver­bands Weser“: Die eigent­li­che Fra­ge, so die Lobby-Organisation, müs­se lau­ten, wel­che Schif­fe bei Ver­tie­fung gekom­men wären – die Hoff­nung stirbt halt immer zuletzt…

Bei­de Stu­di­en kön­nen kos­ten­los im Web ein­ge­se­hen und/oder als PDF her­un­ter­ge­la­den werden:
für die Außen­we­ser und den See­ha­fen Bre­mer­ha­ven hier und
für die nörd­li­che Unter­we­ser und den See­ha­fen Bra­ke hier.

 

www.jungewelt.de

 

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WATERKANT-Redaktion