Unmittelbar vor den Feiertagen erfolgte die amtliche Verlautbarung: Die Papenburger Meyer Werft wird teilverstaatlicht. Bund und Land Niedersachsen steigen mit zusammen 400 Millionen Euro ein und übernehmen dabei jeweils 40 Prozent des Unternehmens. Ferner werden Bankkredite in Höhe von 2,6 Milliarden Euro gemeinsam mit Bürgschaften abgesichert – die Risiken tragen die Steuerzahler.
Anfang Dezember hatte die EU-Kommission in Brüssel bekannt gegeben, sie sehe „keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken“. Daraufhin verkündeten das Bundeswirtschaftsministerium und das Land Niedersachsen am 18. Dezember, man wolle die angekündigte Beteiligung „noch vor Weihnachten umsetzen“. Zwar behält die Eignerfamilie Meyer vorerst die verbleibenden 20 Prozent und soll – da das staatliche Engagement nur vorübergehend geplant ist – auch eine Art Rückkaufoption haben. Aber schon im Sommer berichtete die FAZ, Patriarch Bernard Meyer habe bei einer Betriebsversammlung von angeblich drohender „Enteignung“ gesprochen. Dazu passt, dass er nach Angaben des maritimen Magazins Hansa jüngst seinen baldigen Rückzug aus dem Unternehmen ankündigte.
Interessanter aber scheint eine andere Frage: Warum haben Bund und Land der Papenburger Werft den finanziellen Rettungsring zugeworfen? Ja, das Unternehmen ist in der Region selbst und mit seinen vielen Zulieferern ein wichtiger Jobgarant. Und möglicherweise fließen demnächst sogar wieder mehr Steuern aus dem Konzern in die Staatskasse, da doch als Teil des Rettungspakets vereinbart worden sein soll, dass der Unternehmenssitz aus dem Steuerparadies Luxemburg nach Deutschland zurück zu verlegen sei. Es ist auch unstrittig, dass die Meyer Werft einen Hort extrem vielfältigen technischen Knowhows darstellt – angesichts des jahrzehntelangen Werften-Abbaus in Deutschland mittlerweile geradezu eine schiffbauliche Kostbarkeit.
Geheime Gutachten
Aber ist das wirklich alles? Als im Spätsommer das „Handelsblatt“ über ein als geheim eingestuftes Papier berichtete, wonach die Werft „bei einer Verschärfung der geopolitischen Lage potentiell eine bedeutende Rolle im deutschen militärischen Schiffbau einnehmen“ könne, wurde das zwar hier und da zur Kenntnis genommen. Aber in der allgemeinen Zuversicht über die vermeintliche „Rettung“ der Werft überwogen zum einen die Beschwichtigung, da entstünden ja nur Versorgungsschiffe für die Bundeswehr – zum anderen das Ablenkungsmanöver, Meyer baue auch Konverterplattformen für die Offshorewindkraft und sei somit nützlich für die Energiewende.
Vor diesem Hintergrund nun ist es beachtlich, dass in vielen Medienberichten über die wettbewerbsrechtliche Freigabe der Teilverstaatlichung darauf hingewiesen wird, die EU-Kommission habe wörtlich festgestellt: „Das Vorhaben betrifft in erster Linie den Bau und Verkauf von Kreuzfahrtschiffen“. Da der Wortlaut der Brüsseler Feststellung insgesamt nirgends einsehbar zu sein scheint, bietet das Anlass für Spekulationen. Soll das etwa militärische Optionen abblocken? In Zeiten der so genannten „Zeitenwende“ wenig wahrscheinlich.
Vor knapp einem Monat berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) über ein Gutachten der sich selbst als „Strategieberatung“ bezeichnenden Consultingfirma „EY Parthenon”. Deren Analysten hätten den Bau von Kriegsschiffen als „denkbare Alternative zu Kreuzfahrtschiffen“ eingestuft, „gerade dann, wenn geopolitische Spannungen weiter zunähmen“. Deutschland, zitiert die NOZ das Gutachten weiter, sei „daher gut beraten, … die Schiffbaukapazitäten bei Meyer zu sichern“. Bis zu fünf Fregatten (oder andere große Marineschiffe) könnten jährlich in Papenburg gebaut werden, in einer Art Fließbandfertigung: „Keine andere Werft in Deutschland verfüge über derart große Kapazitäten wie Meyer mit den Trockendocks in Papenburg“, so EY laut Zeitungsbericht.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Die NOZ kennt noch weitere Details aus dem EY-Gutachten: „Zum einen könnten Schiffe in den großen Hallen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gebaut werden. Zum anderen liege Papenburg im Gegensatz zu anderen deutschen Marine-Werften außerhalb der Reichweite russischer Mittelstreckenraketen, die in Kaliningrad stationiert sind.“ Allerdings berichtet die Zeitung auch über Zweifel anderer Militärexperten an dieser letztgenannten Einschätzung. Zwar habe ein Werft-Sprecher eine solche Umwidmung der Produktion als „unter bestimmten Voraussetzungen“ denkbar bezeichnet, zugleich jedoch ergänzt: „Dazu wollen und werden wir aktuell nicht weiter spekulieren. Konkrete Pläne gibt es derzeit dazu nicht.“
Bliebe noch zu ergänzen, dass laut Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der BSW-Abgeordneten Sevim Dagdelen das Land Niedersachsen 2023 mit 2,8 Milliarden Euro größter Kriegswaffenexporteur der BRD war. Und bis zum 15. Oktober dieses Jahres habe das Land seinen Vorjahresrekord mit rund 3,3 Milliarden Euro bereits jetzt übertroffen.