US-Ost- und Golfküste: Streik vertagt

Über­ra­schend haben sich am Mitt­woch (Lokal­zeit) die nord­ame­ri­ka­ni­sche Hafenarbeiter-Gewerkschaft Inter­na­tio­nal Longshoremen’s Asso­cia­ti­on (ILA) und die United Sta­tes Mari­ti­me Alli­ance (USMX) der Hafen­be­trei­ber auf ein Abkom­men ver­stän­digt, das einen wei­te­ren Arbeits­kampf in den 36 gro­ßen Häfen an Ost- und Golf­küs­ten der USA vor­erst ver­mei­det. Wie lan­ge die­ser „Frie­dens­schluss“ währt, bleibt offen, weil bei­de Sei­ten Still­schwei­gen über die erziel­te Eini­gung ver­ein­bart haben. 

All­ge­mein war ein ab Monats­mit­te ein wei­te­rer Streik erwar­tet wor­den und eigent­lich gin­gen alle davon aus, der kön­ne län­ger dau­ern als jener vom Okto­ber 2024: Damals war der Aus­stand nach drei Tagen mit einer aus­drück­lich als „vor­läu­fig“ dekla­rier­ten Eini­gung auf­ge­scho­ben wor­den. Es geht in die­sem Kon­flikt nicht nur um Lohn­er­hö­hun­gen, son­dern vor allem um die künf­ti­ge Struk­tur von Hafen­ar­beit: Die ILA und ihre rund 45.000 Mit­glie­der im Osten der USA weh­ren sich seit Jah­ren gegen Bestre­bun­gen, den Hafen­um­schlag zu auto­ma­ti­sie­ren. Die Oktober-Einigung betraf zunächst nur den Lohn­streit, über die Auto­ma­ti­sie­rung soll­te wei­ter ver­han­delt werden.

Der Haken an der Sache: Der Ver­trag mit sechs Jah­ren Lauf­zeit sah in die­ser Zeit eine Lohn­er­hö­hung um ins­ge­samt 62 Pro­zent vor (weder Dau­er noch so gestaf­fel­te Erhö­hun­gen sind „drü­ben“ unüb­lich); aber er war nur Teil eines Rah­men­ta­rifs, der auch Struk­tu­ren regelt. Ohne Eini­gung über die Auto­ma­ti­sie­rung hat die­ser Rah­men kei­ne Rechts­kraft und somit gab es auch – noch – kei­ne Lohn­er­hö­hung. Das schuf für die erneu­ten Ver­hand­lun­gen einen Druck, der erkenn­bar die Kampf­be­reit­schaft der Hafen­ar­bei­ter stärkte.

Bis­he­ri­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen zufol­ge ist auch die Ver­ein­ba­rung vom Mitt­woch wie­der nur eine pro­vi­so­ri­sche: Man habe, erklär­ten ILA und USMX gemein­sam, „eine vor­läu­fi­ge Eini­gung über alle Punk­te“ des neu­en sechs­jäh­ri­gen Ver­tra­ges erzielt, „um einen poten­zi­ell schäd­li­chen Streik … in der nächs­ten Woche abzu­wen­den“. Der seit Okto­ber lau­fen­de Ver­trag wer­de fort­ge­setzt, bis der Tarif­aus­schuss der Gewerk­schaft eine Abstim­mung über die Rati­fi­zie­rung anset­zen und die USMX ihrer­seits den Ver­trag end­gül­tig bil­li­gen könne.

Zwar besagt die gemein­sa­me Erklä­rung, dass die jet­zi­ge Ver­ein­ba­rung die „der­zei­ti­gen ILA-Arbeitsplätze“ schüt­ze und einen Rah­men dar­stel­le „für die Imple­men­tie­rung von Tech­no­lo­gien, die bei gleich­zei­ti­ger Moder­ni­sie­rung der Häfen an der Ost- und Golf­küs­te mehr Arbeits­plät­ze schaf­fen“. Aber wie das funk­tio­nie­ren soll und was die Hafen­ar­bei­ter dar­über den­ken, bleibt – wie erwähnt – vor­erst offen.

Hafen­ar­bei­ter sehen sich bedroht

Was die USMX und die mari­ti­me Wirt­schaft als not­wen­di­ge Moder­ni­sie­rung pro­pa­gie­ren, sehen die ILA-Mitglieder als mas­si­ve Bedro­hung: Wenn auto­ma­ti­sche Lade­brü­cken nicht mehr ein­zeln von Men­schen, son­dern zen­tral durch Soft­ware gesteu­ert, wenn Con­tai­ner oder ande­re Güter com­pu­te­ri­siert auf Züge oder Lkw ver­teilt wer­den, dann sei­en die Jobs mas­sen­haft in Gefahr. Es wür­de, so die ILA, nur mensch­li­che Arbeits­kraft unter dem Deck­man­tel des Fort­schritts ersetzt mit dem erklär­ten Ziel, die Unter­neh­mens­ge­win­ne auf Kos­ten gut bezahl­ter, Fami­li­en erhal­ten­der Arbeits­plät­ze zu maximieren.

Wäh­rend Noch-Präsident Joe Biden ein regie­rungs­sei­ti­ges Ein­schrei­ten gegen Hafen­streiks schon im Okto­ber abge­lehnt hat­te, hat sich laut Medi­en­be­rich­ten der künf­ti­ge Prä­si­dent Donald Trump damals und jetzt weit aus dem Fens­ter gehängt: Mit den Wor­ten, er wis­se „fast alles, was man über Auto­ma­ti­sie­rung wis­sen muss“, stell­te auch er sich ver­bal auf die Sei­te der ILA. Deren Chef Harold Dag­gett bezeich­ne­te ihn dar­auf als „Hel­den“ und zoll­te ihm „vol­le Anerkennung“.

Sicher scheint, dass der vor­läu­fi­ge Arbeits­frie­den den frisch gekür­ten Gewerk­schafts­hel­den Trump stär­ken wird: Denn sein Ver­spre­chen, die US-Wirtschaft wer­de nach sei­nem Amts­an­tritt „wie ein Rake­ten­schiff abhe­ben“, hät­te im Fal­le eines wei­te­ren Hafen­streiks gleich zu Beginn der Prä­si­dent­schaft einen kra­chen­den Fehl­start erlebt: Die von einem ILA-Arbeitskampf betrof­fe­nen Häfen wickeln mehr als 50 Pro­zent des con­tai­ne­ri­sier­ten US-Außenhandels ab – und den braucht Trump drin­gend, um sei­ne Han­dels­bi­lanz­sor­gen (mit oder ohne Zöl­le) loszuwerden.

 

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WATERKANT-Redaktion