Wem gehört der Ozean?

Anläss­lich der dies­jäh­ri­gen Stakeholder-Konferenz „Our Oce­an“ Ende Okto­ber in Oslo hat ein inter­na­tio­na­les zivil­ge­sell­schaft­li­ches Bünd­nis einen Gegen­kon­gress ver­an­stal­tet, über den WATERKANT im Dezember-Heft berich­ten wird, und unter dem Titel „Who­se oce­an?“ eine Reso­lu­ti­on vor­ge­legt, die wir nach­ste­hend dokumentieren: 

Am 23. / 24. Okto­ber 2019 ist Nor­we­gen Gast­ge­ber der „Our-Ocean“-Konferenz: Ein jähr­lich statt­fin­den­der inter­na­tio­na­ler Kon­gress, der 2014 vom US-Außenministerium ins Leben geru­fen wur­de, neben jedem UN-Prozess. Die Men­schen, die mit dem Oze­an leben und von ihm umge­ben sind, die am stärks­ten betrof­fen sind von der Zer­stö­rung der Mee­re – Fischer, Küs­ten­ge­mein­den, indi­ge­ne Grup­pen, die als ers­te vom Kli­ma­wan­del ver­trie­ben wer­den –, sie alle sind auf der Kon­fe­renz nicht vertreten.

Die­je­ni­gen, die von „unse­rem Oze­an“ reden, sind die übli­chen Ver­däch­ti­gen: Regie­run­gen und mul­ti­na­tio­na­le Kon­zer­ne. An sie rich­tet sich die Kon­fe­renz mit der Ein­la­dung, „Part­ner­schaf­ten auf­zu­bau­en zwi­schen Regie­rung, Indus­trie, Wis­sen­schaft und Zivil­ge­sell­schaft“ und „frei­wil­li­ge Selbst­ver­pflich­tun­gen“ in Sachen Nach­hal­tig­keit zu präsentieren.

Nor­we­gens Öl-Industrie ist der Ele­fant im Raum, über den man nicht spricht. Die nor­we­gi­schen Fischer, die Küs­ten­ge­mein­den oder die Sámi, die täg­lich Wider­stand leis­ten gegen die Zer­stö­rung ihrer Umwelt und gegen den Raub an ihrem Land und ihren Fjor­den: Von ihnen ist hier kei­ne Rede.

1987 stell­te Nor­we­gen die Vor­sit­zen­de der Brundtland-Kommission, der UN-Kommission für Umwelt und Ent­wick­lung, die mit „Unse­re gemein­sa­me Zukunft“ einen weit­rei­chen­den Bericht vor­leg­te. Er arbei­te­te mit einem umfas­sen­den Nach­hal­tig­keits­be­griff, der öko­lo­gi­sche, sozia­le und öko­no­mi­sche Ent­wick­lung umfass­te. Par­ti­zi­pa­ti­on und Trans­pa­renz waren zen­tra­le Emp­feh­lun­gen, eben­so wie die Leit­li­nie, dass Armuts­be­kämp­fung, Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit und Ver­mö­gens­ver­tei­lung ent­schei­den­der Bestand­teil von Nach­hal­tig­keits­stra­te­gien sein müs­sen. Von hier aus führ­te der Weg zum UN-Erdgipfel in Rio de Janei­ro 1992 und zur UN-Nachhaltigkeits-Agenda. Aber die­se Zei­ten sind vor­bei. Nor­we­gen ruht sich gern aus auf sei­nem Ruf aus die­ser Zeit. Aber es ist höchs­te Zeit, die heu­ti­ge Rol­le Nor­we­gens zu hinterfragen.

Man kann die Ozea­ne und die Men­schen, die von und mit ihnen leben, nicht ret­ten, indem man über die anhal­ten­de Indus­tria­li­sie­rung, Aus­beu­tung und Zer­stö­rung des Oze­ans eine Pri­se Nach­hal­tig­keit streut. Man muss die Zer­stö­rungs­pro­zes­se stop­pen, mit denen die Bio­sphä­re Meer rui­niert wird: Hohe CO2-Emis­sio­nen, Mee­res­ver­schmut­zung, indus­tri­el­le Über­fi­schung, Ölboh­run­gen im Meer, exzes-siver Hafen­aus­bau, um nur eini­ge zu nennen.

Der Punkt ist längst erreicht, da Men­schen über Pro­fi­te gestellt wer­den müs­sen, wie vie­le Orga­ni­sa­tio­nen und sozia­le Bewe­gun­gen es seit mehr als einem Jahr­zehnt for­dern. Statt­des­sen betei­ligt sich die „Our-Ocean“-Konferenz am all­ge­mei­nen „blue-washing“. Die Bot­schaft ist: Die Kri­se des Oze­ans kann von den­sel­ben Akteu­ren und mit den­sel­ben Mit­teln beho­ben wer­den, die sie ver­ur­sacht haben – Markt­för­mig­keit, Mone­ta­ri­sie­rung, Pri­va­ti­sie­rung. Es ist kein Zufall, dass zu den Red­nern der Kon­fe­renz Leu­te gehö­ren wie der CEO von Deep­Green, einer Fir­ma, die sich dem Tief­see­berg­bau ver­schrie­ben hat – eben das, was die mas­si­ven Kam­pa­gnen pazi­fi­scher Küs­ten­ge­mein­den zu stop­pen ver­su­chen, die für Umwelt­ge­rech­tig­keit und Ernäh­rungs­si­cher­heit kämp­fen. Was mit dem Land schon pas­siert ist, geschieht jetzt den Mee­ren: die Zer­stö­rung der natür­li­chen und sozia­len Umwelt im Namen des kapi­ta­lis­ti­schen Profits.

Wir brau­chen kei­ne Kon­fe­ren­zen wie „Our Oce­an“, son­dern einen demo­kra­ti­schen Pro­zess, der sich gegen struk­tu­rel­le Unter­drü­ckung wen­det und das Prin­zip der frei­en, vor­he­ri­gen und infor­mier­ten Zustim­mung sicher­stellt. Unse­re Regie­run­gen müs­sen sich an ihre Ver­pflich­tun­gen hal­ten, die sie in inter­na­tio­na­len Ver­trä­gen und Kon­ven­tio­nen ein­ge­gan­gen sind, und im Sinn von Men­schen­rech­ten, Arbeits­rech­ten und Umwelt­ge­rech­tig­keit han­deln statt im Inter­es­se mul­ti­na­tio­na­ler Kon­zer­ne. Wir brau­chen eine gerech­te Trans­for­ma­ti­on auf der Grund­la­ge von Gleich­heit und von einem Natur­ver­hält­nis, das die Funk­tio­nen von Öko­sys­te­men stärkt statt sie zu untergraben.

Wir erklä­ren uns soli­da­risch mit Küs­ten­ge­mein­den und indi­ge­nen Gemein­den. Wir for­dern, dass ihre Rol­le als Früh­warn­sys­tem für den Oze­an aner­kannt und unter­stützt wird.

Das (eng­lisch­spra­chi­ge) Ori­gi­nal die­ser Erklä­rung – Über­set­zung: Chris­toph Spehr – ist im Inter­net abruf­bar (wei­te­re Infor­ma­tio­nen gibt es auch auf der Web­sei­te von Fair Oce­ans).

Zu sei­nen Unter­zeich­nern gehö­ren bis­her fol­gen­de Teil­neh­mer der Gegenkonferenz:

  • Asso­cia­ti­on Plei­ne Mer, Frankreich
  • Fair Oce­ans, Deutschland
  • Gesell­schaft für bedroh­te Völ­ker, Deutschland
  • Ground­Work (Fri­ends of the Earth), Südafrika
  • FIAN Inter­na­tio­nal, Deutsch­land / Schweiz
  • Kystop­prø­ret (Küs­ten­re­bel­li­on), Norwegen
  • Natur og Ung­dom (Natur und Jugend), Norwegen
  • Nor­we­gi­sche Handelskampagne
  • Nor­we­gi­sche Küstenfischer-Genossenschaft
  • Nor­we­gi­sches Sozialforum
  • Paci­fic Net­work on Glo­ba­li­sa­ti­on (PANG), Fiji
  • Spi­re, Norwegen
  • Trans­na­tio­nal Insti­tu­te (TNI), Niederlande

Die­se Erklä­rung ist offen für alle, die sie unter­zeich­nen wol­len. Kontakt:

  • Trans­na­tio­nal Insti­tu­te, Cars­ten Peder­sen, c.pedersen[at]tni.org
  • Fair Oce­ans, Chris­toph Spehr, christoph.spehr[at]fair-oceans.info

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WATERKANT-Redaktion