Mehr als 100.000 Menschen hatten per Unterschrift dem geplanten Tunnel unter dem Fehmarnbelt eine Absage erteilt. Aber das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat heute Mittag mehrere Klagen gegen das Vorhaben abgewiesen: Zwischen dem deutschen Puttgarden auf Fehmarn und dem dänischen Rødby auf Lolland soll ein in Segmenten vorgefertigtes, rund 18 Kilometer langes Betonmonstrum im Ostseegrund versenkt werden – mit einer vierspurigen Straße, einer zweigleisigen Schienenstrecke sowie einem Wartungs- und Evakuierungskorridor in jeweils getrennten Röhren.
Geplant wird die Fehmarnbelt-Querung – zunächst als Brücke, seit kurzem als Tunnel – seit mehreren Jahrzehnten, vor zwölf Jahren haben Deutschland und Dänemark dies per Staatsvertrag geregelt. Auf dänischer Seite ist man beim staatlichen Tunnelkonsortium Femern A/S auf den Baubeginn seit längerem vorbereitet, auf deutscher Seite hatten Umweltverbände, Fährreeder und die Stadt Fehmarn gegen das Vorhaben geklagt, sind aber nun vor dem BVerwG überraschend gescheitert.
Ursprünglich handelt es sich um einen Planertraum aus Zeiten des deutschen Faschismus: Als die Wehrmacht Dänemark besetzt hatte, begannen erste Vorarbeiten für eine Fehmarnbelt-Querung. Aber erst in den 1980er Jahren wurde es konkret: Der einflussreiche Lobbyistenverein „Roundtable der Europäischen Industrie“, damals unter Vorsitz des schwedischen Volvo Chefs Peer Gyllenhammar, legte sein legendäres Konzept „Missing Links“ vor, das auch den Belt einschloss und in wesentlichen Teilen alsbald Eingang fand in die EU-Planung für „Trans-Europäische Netze“ (TEN). Laut „Roundtable“ sollten so vor allem kontinentale Güterverkehre via Autobahn und Hochgeschwindigkeits-Schienentrasse drastisch beschleunigt werden – es müsse im Interesse des Wachstums und des Wettbewerbs möglich sein, in nur 20 Stunden von Oslo nach Sizilien zu fahren…
Während der „Roundtable“ 1984 für die Fehmarnbelt-Querung noch Kosten von 1,5 Milliarden US $ (1,28 Mrd. €) kalkulierte, gehen die heutigen Planer zurzeit von rund zehn Milliarden Euro aus. Zwei Milliarden entfallen auf den Verkehrsanschluss auf deutscher Seite. Femern A/S finanziert den Rest – Tunnel und eigene Anbindung – über Kredite, die folglich zu einer Milliardenverschuldung des dänischen Staates führen werden; die Gelder sollen nach Inbetriebnahme per Maut refinanziert werden. Allerdings: Die Verkehrsprognosen der Planer lassen Projektkritiker von 70-80 Jahren reden, die es brauche bis zum Etatausgleich.
Gegen das Vorhaben geklagt hatte unter anderem der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Seegraswiesen, Sandbänke und artenreiche Steinriffe sowie Robben und streng geschützte Schweinswale in Gefahr sieht. Die Tunneltrasse quere ein Schutzgebiet nach europäischem Recht, zudem gebe es erhebliche Zweifel an der Kosten-/Nutzen-Rechnung, die auch vom EU-Rechnungshof geteilt würden. Folglich sprach der NABU am Dienstag von einem „schwarzen Tag“ für Schweinswal und Meeresumwelt und zeigte sich schockiert von der Deutlichkeit des BVerwG-Urteils. Die Reederei Scandlines, die ihre Fähren durch die staatliche Tunnelkonkurrenz unter Wettbewerbsdruck sieht, äußerte sich nach der Niederlage diplomatisch: Erleichterung über das Verfahrensende, aber Unzufriedenheit über die Lösung. Da die Urteilsbegründung aussteht, ist offen, ob NABU oder Scandlines noch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Femern A/S bereitet sich derweil auf schnellen Baubeginn vor…
Eine ähnliche Version dieses Textes erscheint am 4. Juni 2020 in der Tageszeitung „junge Welt“.