Streiks in australischen Häfen

Seit meh­re­ren Wochen sind aus­tra­li­sche Häfen durch Arbeits­kampf­maß­nah­men der „Mari­ti­me Uni­on of Aus­tra­lia“ (MUA) weit­ge­hend lahm­ge­legt. In den Metro­po­len Syd­ney, Mel­bourne, Free­mant­le und Bris­bane hat­ten die Hafen­ar­bei­ter und Stau­er an jeweils meh­re­ren Ter­mi­nals ihre Arbeit vor­über­ge­hend ein­ge­stellt, nach­dem Ver­su­che der Gewerk­schaft, über Tarif­ver­trä­ge und Lohn­er­hö­hun­gen zu ver­han­deln, von den Arbeit­ge­bern zurück­ge­wie­sen wor­den waren.

Am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de hat die MUA die Kampf­maß­nah­men vor­über­ge­hend aus­ge­setzt, um eine Ent­schei­dung der so genann­ten „Fair Work Com­mis­si­on“ (FWC) abzu­war­ten – einer staat­li­chen Schlich­tungs­stel­le, die unter ande­rem zustän­dig ist für Min­dest­löh­ne, Arbeits­be­din­gun­gen oder Streit­bei­le­gung etwa bei Arbeits­kampf­maß­nah­men. Ende Okto­ber wird die FWC eine zwei­tä­gi­ge Anhö­rung zum aktu­el­len Tarif­kon­flikt durch­füh­ren. Betrof­fen von dem Streit sind drei Unternehmen:

  • DP World, die staat­li­che Invest­ment­ge­sell­schaft der Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te, ist der welt­größ­te Ter­mi­nal­be­trei­ber und hat in allen vier genann­ten Stand­or­ten Aus­tra­li­ens Con­tai­ner­ter­mi­nals gepachtet.
  • Hut­chison­Ports aus Hong­kong ist glo­bal schar­fer Kon­kur­rent von DP World, in „Down­un­der“ nach eige­nen Anga­ben aber nur in Syd­neys Port Bota­ny vertreten.
  • Patrick Ter­mi­nals schließ­lich ist ein mehr als 100 Jah­re bestehen­der natio­na­ler Betrei­ber, der in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt hef­ti­ge Kon­flik­te in sei­nen Häfen pro­vo­ziert hat. Patrick war unter ande­rem ver­ant­wort­lich für den legen­dä­ren „Aus­tra­li­an water­front dis­pu­te“ von 1998: Damals ver­such­te der Betrei­ber mit star­ker Regie­rungs­un­ter­stüt­zung eine mas­si­ve Umstruk­tu­rie­rung – Ent­las­sung gewerk­schaft­lich orga­ni­sier­ter Beschäf­tig­ter und deren Erset­zung durch bil­li­ge­re Gele­gen­heits­ar­bei­ter. Die MUA konn­te das damals in mehr­mo­na­ti­gen, hef­ti­gen Arbeits­kämp­fen mit brei­tes­ter öffent­li­cher Unter­stüt­zung abweh­ren. Schließ­lich hat­te sie auch gericht­li­chen Erfolg, Patricks Vor­ge­hen wur­de als ille­gal abgestempelt.

Streik­front im Swan­son Dock von Mel­bourne am 20. April 1998

In gewis­ser Wei­se erin­nert der aktu­el­le Kon­flikt an die­ses his­to­ri­sche Ereig­nis: Laut einer Mit­tei­lung der Inter­na­tio­na­len Trans­port­ar­bei­ter Föde­ra­ti­on (ITF) hat die MUA – auch sie gehört die­sem glo­ba­len Dach­ver­band an – mehr­fach ver­sucht, für ihre Hafen­ar­bei­ter nach mona­te­lan­gem Stress infol­ge der Corona-Pandemie eine Ver­län­ge­rung des bestehen­den Arbeits­platz­ver­trags um zwei Jah­re und eine maß­vol­le Lohn­er­hö­hung um jähr­lich 2,5 Pro­zent zu errei­chen. Die Hafen­ar­bei­ter, so ITF-Generalsekretär Joseph Cot­ton, hät­ten rund um die Uhr gear­bei­tet, um die Lie­fer­ket­ten in Zei­ten der Pan­de­mie am Lau­fen und die Lager­re­ga­le gefüllt zu hal­ten. Statt­des­sen sahen sie sich mit einem Arbeitgeber-Ultimatum kon­fron­tiert, sich ent­we­der für wesent­lich nied­ri­ge­re Lohn­er­hö­hun­gen oder für Tarif­ver­trags­än­de­run­gen zu ent­schei­den, die inmit­ten der COVID-Krise den Weg frei­ma­chen soll­ten für eine Kasua­li­sie­rung bestehen­der Beschäftigungsverhältnisse.

Zeit­lich begrenz­te Warn­streiks brach­ten indes die Arbeit­ge­ber nicht an den Ver­hand­lungs­tisch. Statt­des­sen wur­de die MUA von Ver­la­dern und Ree­dern mit mas­si­ven Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen bedroht. Jüngst erst wies die Ree­de­rei Maersk ihre Kun­den dar­auf hin, in Syd­ney kom­me es „zu erheb­li­chen Schiffs­ver­zö­ge­run­gen“ und damit einem „signi­fi­kan­ten Anstieg der Gesamtbetriebskosten“.

Mehr­fach hat die MUA ange­bo­ten, wegen der aktu­el­len Lage etwa Schif­fe mit Waren zur medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung von Streiks aus­zu­neh­men, wenn wie­der ver­han­delt wür­de – es gel­te schließ­lich, in einer schwie­ri­gen Zeit für Aus­tra­li­en und die Welt unnö­ti­ge Kon­flik­te zu ver­mei­den. Die Ter­mi­nal­be­trei­ber, ins­be­son­de­re Patrick, haben dies zurück­ge­wie­sen und ihre Angrif­fe nicht nur fort­ge­setzt, son­dern sich auch Rücken­de­ckung bei der Regie­rung ver­schafft. Laut ITF soll Pre­mier­mi­nis­ter Scott Mor­ri­son in der ver­gan­ge­nen Woche sogar gedroht haben, Trup­pen zu ent­sen­den, um die Arbeits­kämp­fe der Hafen­ar­bei­ter zu brechen.

Die­ser Streit trägt den lan­gen Schat­ten des Waterfront-Streits von 1998“, betont Cot­ton und sichert der MUA die Unter­stüt­zung der inter­na­tio­na­len Gewerk­schafts­be­we­gung zu. Nicht nur bei der ITF, auch in meh­re­ren aus­tra­li­schen Medi­en wer­den die aktu­el­len Angrif­fe auf die Tarif­ver­trä­ge als Ver­such der Ter­mi­nal­be­trei­ber gewer­tet, die Macht der tra­di­tio­nell sehr kämp­fe­ri­schen MUA zu bre­chen. MUA-Nationalsekretär Pad­dy Crum­lin kri­ti­sier­te, hoch­pro­fi­ta­ble Unter­neh­men ver­such­ten unter dem Deck­man­tel der COVID-Krise, qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Arbeits­plät­ze durch pre­kä­re Gele­gen­heits­be­schäf­ti­gun­gen zu ersetzen.

Foto (CC BY-SA 3.0): Tirin / wiki­me­dia commons

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Tex­tes erscheint am 7. Okto­ber 2020 in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“.

 

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WATERKANT-Redaktion