Einstieg Chinas im Hamburger Hafen?

Die Fach­grup­pe Mari­ti­me Wirt­schaft des ver.di-Landesbezirks Ham­burg hat ges­tern scharf die Ankün­di­gung des loka­len staat­li­chen Hafen­be­trei­bers HHLA kri­ti­siert, mit dem chi­ne­si­schen Ter­mi­nal­be­trei­ber COSCO Ship­ping Ports (CSPL) über eine Betei­li­gung am Container-Terminal Tol­ler­ort zu ver­han­deln. Die ver.di-Kritik rich­tet sich expli­zit auch gegen Ham­burgs Regie­rungs­chef Peter Tsch­ent­scher (SPD).

Was unter­neh­me­risch sinn­voll ist, muss auch prak­tisch mög­lich sein und gemacht wer­den.“ – So ein­fach sieht Sozi­al­de­mo­krat Tsch­ent­scher, Ers­ter Bür­ger­meis­ter der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg, die Welt der Wirt­schaft und häng­te sich jetzt weit aus dem sprich­wört­li­chen Fens­ter, indem er die lau­fen­den Ver­hand­lun­gen zwi­schen Hafen­be­trei­ber HHLA und der COSCO-Tochter CSPL öffent­lich begrüß­te: Es geht um nicht weni­ger als einen „Ein­stieg“ eines chi­ne­si­schen Staats­kon­zerns ins Ham­bur­ger Hafen­ge­schäft. Die Gewerk­schaft ver.di sagt kate­go­risch Nein dazu und for­dert statt­des­sen die Auf­stel­lung eines sozi­al gerech­ten Hafen­ent­wick­lungs­plans, „der die Zukunft der Beschäf­tig­ten sichert und öko­lo­gi­sche For­de­run­gen einbezieht“.

Die CSPL ist eine in Hong­kong notier­te Toch­ter der staat­li­chen chi­ne­si­schen Con­tai­ner­ree­de­rei COSCO, die auf Platz 4 der Welt­rang­lis­te posi­tio­niert ist. CSPL ist nach eige­nen Anga­ben welt­weit in mehr als 30 Häfen enga­giert – mit unter­schied­lich hohen Betei­li­gun­gen –, davon 20 in der Volks­re­pu­blik Chi­na selbst. Die über­see­ischen Akti­vi­tä­ten kon­zen­trie­ren sich bis­lang auf Stand­or­te ent­lang der „mari­ti­men Sei­den­stra­ße“: Neben Sin­ga­pur, Abu Dha­bi und Suez ist CSPL unter ande­rem „ver­tre­ten“ im grie­chi­schen Pirä­us, in Istan­bul, im nordwest-italienischen Savo­na, in Valen­cia und Bil­bao sowie in Zee­brüg­ge, Ant­wer­pen und Rot­ter­dam. Außer­halb Euro­pas gibt es nur je einen Stand­ort in Süd­ko­rea, Peru sowie im US-amerikanischen Seattle.

War­ten auf Chi­na? – Ham­burgs Ter­mi­nal Tol­ler­ort auf einem Archiv­bild aus dem Früh­jahr 2018.
© Burk­hard Ilschner

An der Elbe hat die HHLA ihre Ter­mi­nals in jeweils ein­zel­nen Teil­fir­men orga­ni­siert, laut offi­zi­el­ler Dar­stel­lung geht es hier vor­erst nur um eine Min­der­heits­be­tei­li­gung von CSPL am Ter­mi­nal Tol­ler­ort im Stadt­teil Stein­wer­der. Tsch­ent­scher eben­so wie die HHLA argu­men­tie­ren mit Chi­nas Rol­le als bedeu­ten­dem Part­ner des Hafens. Tat­säch­lich zählt COSCO ein­schließ­lich des vor eini­gen Jah­ren über­nom­me­nen Hong­kon­ger Unter­neh­mens OOCL zu den am häu­figs­ten an der Elbe ver­tre­te­nen Ree­de­rei­en. Dazu muss aber ver­merkt wer­den, dass Ham­burg tra­di­tio­nell immer stark im Ost­asi­en­ver­kehr war, und dort ist nun mal Chi­nas Bedeu­tung mas­siv gewach­sen. Dar­aus eine Not­wen­dig­keit zur direk­ten Betei­li­gung abzu­lei­ten, heißt nur, einem eben­so umstrit­te­nen wie zuneh­men­den Trend zu fol­gen: Immer mehr Hafen­städ­te ver­ab­schie­den sich von dem Prin­zip, ihre Häfen samt Flä­chen und Infra­struk­tur in öffentlich-rechtlicher Regie zu betrei­ben – und pri­va­ten Unter­neh­men nur Hafen­diens­te wie etwa Güter­um­schlag zu über­las­sen. Nicht nur die oben genann­ten Betei­li­gun­gen von CSPL zeu­gen davon, son­dern auch die Akti­vi­tä­ten wei­te­rer Ter­mi­nal­kon­zer­ne wie der Maersk-Tochter APM Ter­mi­nals, Dubais DP World oder der eben­falls chi­ne­si­schen Fir­men Hut­chison Ports oder Chi­na Mer­chants Group (CMG).

Hier setzt die zen­tra­le Kri­tik der Gewerk­schaft an: Zwar stört sich ver.di auch an der Natio­na­li­tät des poten­ti­el­len Kapi­tal­ge­bers und betont nach­drück­lich, es gebe nun mal in Chi­na kei­ne frei­en Gewerk­schaf­ten. Viel stär­ker aber sorgt sich die Gewerk­schaft lang­fris­tig um die Stär­kung des Ein­flus­ses von Ree­de­rei­en auf loka­le Logis­tik­be­din­gun­gen. Eine klei­ne, aber zuneh­mend mäch­ti­ge Grup­pe welt­weit agie­ren­der Ree­de­rei­en – und damit ist nicht nur COSCO gemeint – bestim­me mitt­ler­wei­le sowohl die Wett­be­werbs­be­din­gun­gen in der Schiff­fahrt als auch Struk­tu­ren und Umschlags­ge­sche­hen in ein­zel­nen Häfen sowie Fracht­ra­ten und Arbeits­be­din­gun­gen auf Schif­fen und in Häfen. Ein Blick in aktu­el­le Sta­tis­ti­ken zeigt: Allein die neun welt­größ­ten Con­tai­ner­ree­de­rei­en – orga­ni­siert in drei so genann­ten Alli­an­zen – bestrei­ten der­zeit mehr als 82 Pro­zent des glo­ba­len Con­tai­ner­han­dels. Die­se Unter­neh­men, so ver.di, beein­fluss­ten direkt die Wirt­schafts­kraft der Hafen­städ­te. Nata­le Fon­ta­na, Lan­des­fach­be­reichs­lei­ter Ver­kehr bei ver.di Ham­burg, nennt denn auch deut­lich „die Vor­macht der über­dies bereits über­mä­ßig sub­ven­tio­nier­ten Ree­der bedenklich“.

Die ARD-„tagesschau“ warn­te zudem vor der Bedeu­tung, die der geplan­te HHLA-CSPL-Pakt für Chi­nas Seidenstraßen-Konzept haben kön­ne: Im Jah­re 2020 hat­te COSCO ver­sucht, eine Mehr­heits­be­tei­li­gung am Hafen von Tri­est zu erwer­ben. Statt­des­sen sei die­ses Mehr­heits­pa­ket der HHLA über­las­sen wor­den, und zwar „mit aus­drück­li­cher Bil­li­gung der Regie­rung in Rom“, die so einen „Aus­ver­kauf“ des Hafens habe ver­hin­dern wol­len. Was die „tages­schau“ zu der nicht unbe­grün­de­ten Kri­tik ver­an­lass­te, eine Part­ner­schaft mit der HHLA kön­ne COSCO „einen pri­vi­le­gier­ten Zugang“ nicht nur zum Hafen Tri­est, son­dern dank wei­te­rer HHLA-Beteiligungen auch nach Est­land oder in die Ukrai­ne verschaffen.

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WATERKANT-Redaktion