Im chinesischen Schanghai, dem größten Seehafen der Welt, hat am gestrigen Montag ein radikaler Lockdown wegen der Corona-Pandemie begonnen. Nicht nur das öffentliche Leben wird drastisch eingeschränkt, auch der Terminalbetrieb wird heruntergefahren, Seefracht-Experten rechnen nicht einfach nur mit weiteren Verzögerungen, sondern befürchten schwerwiegende Folgen für den gesamten Welthandel.
Die „Deutsche Verkehrs-Zeitung“ (DVZ) äußert auf ihrer Webseite die Sorge, dass mit dieser Maßnahme eine Rückkehr zur Fahrplantreue in der Linienschifffahrt – seit Beginn der Pandemie ist da einiges aufzuholen – „in weitere Ferne“ rücken dürfte. Die Produktivität im Umschlag und beim Transfer der Container, so das Blatt, „dürfte deutlich in Mitleidenschaft gezogen werden“, der Schifffahrt drohe damit das „perfekte Chaos“, zitiert die Zeitung einen namentlich nicht genannten „Seefracht-Produktleiter einer großen Spedition“. Es sei zu befürchten, „dass die Zahl der wartenden Schiffe vor der chinesischen Küste weiter in die Höhe schnellt und sich viele Verladungen verspäten“. Auch mit erneut sich verschärfenden Problemen in den Linienfahrplänen – gemeint ist das Stornieren oder Überspringen fest geplanter Hafenanläufe („blank sailings“) oder Routenänderungen – sei zu rechnen.
In der Folge könnten zudem Frachtraten wieder beziehungsweise weiter drastisch steigen, weil die Probleme der Linienreedereien auf die verfügbare Kapazität durchschlagen: Knappes Angebot bei steigender Nachfrage ist nun mal „Treibstoff“ für Preissteigerungen und in der Folge auch für die Inflations-Entwicklung. Nach Angaben des „manager magazin“ hat die (nur noch zweitgrößte) Containerreederei Mærsk bereits vor längeren Lieferzeiten und steigenden Transportkosten gewarnt. Mehr als 2100 deutsche Unternehmen, die laut Angaben der Auslandshandelskammer im Raum Schanghai aktiv sind, könnten von dem Lockdown in ihrer Tätigkeit negativ beeinflusst werden, schreibt das Blatt: „Die Stimmung unter den deutschen Unternehmern ist vor dem Hintergrund des neuerlichen Lockdowns und von ohnehin gedämpften Wachstumserwartungen merklich eingetrübt“, zitiert der Artikel den Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier: „China als wichtiger Motor der Weltwirtschaft scheint ins Stottern zu geraten.“