P&O: Gewerkschaften appellieren an IAO

Bri­ti­sche Gewerk­schaf­ten und inter­na­tio­na­le Gewerk­schafts­ver­bän­de haben an die­sem Wochen­en­de einen gemein­sa­men Appell an die Inter­na­tio­na­le Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on (IAO) der UNO gerich­tet, sich drin­gend für die Mit­te März unter unwür­di­gen Umstän­den ent­las­se­nen 800 See­leu­te auf den Fäh­ren der Ree­de­rei P&O Fer­ries ein­zu­set­zen. Die Regie­rung in Lon­don ver­schleppt eige­ne Ver­spre­chen, P&O zu bändigen. 

Das Unter­neh­men hat­te sei­ne Besat­zun­gen über­ra­schend gefeu­ert und trotz gewerk­schaft­li­chen Wider­stands sowie schar­fer Pro­tes­te auch der kon­ser­va­ti­ven Regie­rung durch Bil­lig­kräf­te ersetzt. Der Fähr­be­trieb muss­te für meh­re­re Wochen ein­ge­stellt wer­den, um die aus Asi­en, Russ­land und der Ukrai­ne ein­ge­flo­ge­nen neu­en Besat­zun­gen erst ein­mal ein­zu­ar­bei­ten. Erst seit Ende April wird der Lini­en­ver­kehr zwi­schen der bri­ti­schen Insel und dem euro­päi­schen Kon­ti­nent sowie Irland stück­wei­se wie­der aufgenommen.

P&O Fer­ries hat­te sein Vor­ge­hen mit wirt­schaft­li­chen Not­wen­dig­kei­ten begrün­det, obwohl der Reederei-Eigentümer – der ara­bi­sche Terminal- und Logis­tik­kon­zern DP World – in der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit Mil­lio­nen­ge­win­ne ein­ge­fah­ren und Mil­lio­nen­di­vi­den­den aus­ge­schüt­tet hat­te. Anfangs hat­te die bri­ti­sche Regie­rung scharf reagiert, P&O Ver­stös­se gegen natio­na­les Arbeits­recht vor­ge­wor­fen, die Rück­nah­me der Ent­las­sun­gen ver­langt – und der Ree­de­rei punk­tu­ell Pro­ble­me berei­tet, indem im Zuge der Schu­lung der neu­en Besat­zun­gen strin­gent die Ein­hal­tung von Sicher­heits­vor­schrif­ten ange­mahnt wur­de. Dabei aller­dings ist es geblie­ben: Ver­ba­ler Pro­test ohne Fol­gen, auf ver­spro­che­ne gesetz­li­che Maß­nah­men gegen die von P&O Fer­ries prak­ti­zier­te Unter­gra­bung des Min­dest­lohn­ge­set­zes war­ten nicht nur die geschass­ten See­leu­te bis heu­te vergebens.

Sowohl die loka­len Gewerk­schaf­ten als auch die inter­na­tio­na­len Ver­bän­de, denen sie ange­schlos­sen sind, hat­ten von Anfang an Pro­tes­te nicht nur vor Ort, son­dern auch im Aus­land orga­ni­siert, haben demons­triert und Fäh­ren blo­ckiert. Aller­dings blieb der Wider­stand über­wie­gend begrenzt auf betrof­fe­ne Fähr­hä­fen und mari­ti­me Gewerk­schaf­ten, von brei­te­rer Soli­da­ri­tät kön­nen die Betrof­fe­nen bis­lang nur träu­men. In ihrem aktu­el­len Appell an die UN-Arbeitsorganisation kri­ti­sie­ren die Gewerk­schaf­ten jetzt, dass die Ver­säum­nis­se der bri­ti­schen Regie­rung in die­ser Aus­ein­an­der­set­zung, also die feh­len­de Durch­set­zung ein­schlä­gi­ger Arbeits­ge­set­ze und fäl­li­ger Straf­sank­tio­nen gegen P&O Fer­ries, einen schwer­wie­gen­den Ver­stoß gegen die Grund­sät­ze der IAO dar­stell­ten; auch inter­na­tio­na­le Ver­trä­ge, an die Lon­don gebun­den sei, wür­den so verletzt.

Die unter­zeich­nen­den Gewerk­schaf­ten – dar­un­ter die Inter­na­tio­na­le Transportarbeiter-Föderation (ITF), die See­fah­rer­ge­werk­schaft Nau­ti­lus Inter­na­tio­nal oder die Rail, Mari­ti­me and Trans­port Workers Uni­on (RMT) – for­dern IAO-Generaldirektor Guy Ryder auf, die bri­ti­sche Regie­rung in einer per­sön­li­chen Inter­ven­ti­on auf die Nicht­ein­hal­tung inter­na­tio­nal aner­kann­ter Arbeits­nor­men hin­zu­wei­sen. ITF-Generalsekretär Ste­phen Cot­ton erin­ner­te erneut an die bru­ta­le Vor­ge­hens­wei­se von P&O Fer­ries und ver­lang­te von der Regie­rung „eine ech­te Abschre­ckung für unse­riö­se Arbeit­ge­ber“. Direk­to­ren, die Arbeit­neh­mer­rech­te vor­sätz­lich ver­letz­ten, gehör­ten durch Lizenz­ent­zug gemaß­re­gelt. RMT-Generalsekretär Mick Lynch sprach von „Gangster-Kapitalisten“, die Sicher­heits­stan­dards im See­ver­kehr miss­ach­te­ten, um schnel­les Geld zu machen: „Dies kann nicht tole­riert werden.“

Nautilus-Generalsekretär Mark Dick­in­son schloss sich dem an mit der erneu­ten For­de­rung, den Chef von P&O Fer­ries, Peter Heb­ble­thwai­te, zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen wegen sei­nes öffent­li­chen Ein­ge­ständ­nis­ses, gegen gel­ten­des Recht ver­sto­ßen zu haben. Trans­port­mi­nis­ter Grant Shapps hat­te zwar mehr­fach ange­kün­digt, für Schif­fe, die „regel­mä­ßig in unse­ren Gewäs­sern hin und her fah­ren“, Min­dest­lohn zwin­gend vor­zu­schrei­ben; selbst in der jüngs­ten Par­la­ments­re­de der Queen – vor­ge­tra­gen von Thron­fol­ger Prinz Phil­ip – fand sich die­ses Ver­spre­chen. Aber außer Pro­tes­ten der Hafen­ar­beit­ge­ber gegen die­sen Plan ist bis­lang nichts passiert.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Tex­tes erscheint am 17. Mai 2022
auch in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“.

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WATERKANT-Redaktion