Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute seine Reise nach China antritt, begleiten ihn große Erwartungen auch der norddeutschen maritimen Wirtschaft: Wie wird in Beijing der von Scholz durchgepaukte Kompromiss zum umstrittenen Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco Shipping Ports Ltd. (CSPL) beim Hamburger Container-Terminal Tollerort (CTT) aufgenommen?
Ende Oktober war, wie berichtet, die im Herbst 2021 zwischen der mehrheitlich landeseigenen Hamburger Terminalgesellschaft HHLA und der CSPL getroffene Vereinbarung über den Cosco-Einstieg in Hamburgs Hafenstrukturen auf einmal zu einem öffentlichen Thema geworden: Sechs Fachministerien des Bundes quer durch alle drei Ampel-Fraktionen plädierten für eine Ablehnung des geplanten Deals, die Kritik richtete sich – unter anderem und nicht nur auf Bundesebene – beispielsweise gegen die mangelhafte Transparenz des Vorhabens oder gegen den angeblich zu stark wachsenden Einfluss Chinas auf hiesige Logistik. Ein Kabinettsbeschluss musste her, weil nach den herrschenden Regularien der HHLA-Cosco-Deal quasi automatisch als genehmigt gegolten hätte, wenn das Bundeskabinett nicht bis Ende Oktober anderes beschließt.
Scholz selbst hatte zwar immer wieder betont, es sei „noch nichts beschlossen“, hatte aber von Anfang an die HHLA-CSPL-Einigung durchzusetzen versucht. Kein Wunder, schließlich hatte er schon zu Zeiten als Hamburgs Erster Bürgermeister gute Kontakte zur Elb-Präsentanz der chinesischen Reederei und CSPL-Mutter Cosco, die zu Hamburgs und der HHLA stärksten Handelspartnern zählt. Am Ende des Gerangels stand dann am 26. Oktober ein Kabinettsbeschluss, wonach die CSPL-Beteiligung nicht, wie mit der HHLA ursprünglich vereinbart, 35 Prozent, sondern nur 24,9 Prozent betragen darf. Mit dieser so genannten Teilversagung, so nennt es die Süddeutsche Zeitung, werde erreicht, dass die Chinesen „als Minderheitsaktionär formal keinen inhaltlichen Einfluss auf die Geschäftsführung (der HHLA) ausüben“ könnten; neben „strategischen“ Entscheidungen der HHLA sollen so auch mögliche Sonder- und Vetorechte unterbunden werden. Nichtsdestotrotz gibt es insbesondere bei den Grünen und der FDP trotzdem weiterhin Bedenken gegen den CSPL-Einstieg in Hamburg.
Wie reagiert China?
Im Augenblick ist allerdings noch völlig offen, ob CSPL mit dieser Änderung eigentlich einverstanden sein wird. Die im Herbst 2021 paraphierte, acht Seiten lange Vereinbarung zwischen CSPL und der HHLA sagt klar, dass die geplante HHLA-Tochter „Großer Drache“, die den CTT-Betrieb übernehmen soll, zu 35 Prozent der CSPL gehören soll. Bislang gibt es keine Äußerung von Cosco, der CSPL oder Chinas Außenministerium, das unmittelbar vor dem Kabinettsbeschluss noch Berlins baldige Genehmigung angemahnt hatte, dass man mit einer solchen Vertragsänderung einverstanden sein werde.
Hiesige maritime Kreise haben es immer für unwahrscheinlich erachtet, dass CSPL die Anteilskürzung zum Anlass nehmen könnte, das Vorhaben insgesamt in Frage zu stellen – schließlich werden Cosco-Schiffe, siehe oben, seit Jahrzehnten in Hamburg abgefertigt und zwar bevorzugt am CTT. Aber sicher ist das eben nicht: In einer jüngst von CSPL veröffentlichten Aktionärs-Mitteilung heißt es lapidar, es gebe keine Zusicherung, dass die Transaktion stattfinden werde: „Aktionäre und potenzielle Investoren der Gesellschaft sollten daher Vorsicht walten lassen beim Handel mit Wertpapieren der Gesellschaft.“
Noch 2018 war eine andere geplante chinesische Investition an der Elbe unter anderem am Widerstand sowohl des Branchenverbands UVHH als auch der Gewerkschaft ver.di gescheitert. Als sich im Herbst 2021 Regierungschef Peter Tschentscher (SPD) als Scholz‘ Nachfolger für den CSPL-Einstieg an der Elbe stark machte, protestierte ver.di zwar erneut, aber der Vertrag kam zustande. Aktuell plädiert Tschentscher ebenso für dessen Umsetzung wie sein Kieler Amtskollege Christian Günther (CDU), und, wie berichtet, der CTT-Betriebsrat – UVHH und ver.di halten sich bislang bedeckt. Anders übrigens als der frühere ver.di-Funktionär Torben Seebold, der zum HHLA-Vorstandsmitglied mutierte: Dem Täglichen Hafenbericht zufolge hat der gerade entschieden den Cosco-Einstieg beim CTT verteidigt.
CSPL verfolgt nach eigenen Angaben den „Aufbau eines globalen Terminal-Netzwerks mit Mehrheitsbeteiligung, das Kosten, Dienstleistungen und Synergien verknüpft.“ Allerdings ist man von der Erfüllung dieses strategischen Ziels momentan noch weit entfernt: Bislang verfügt CSPL global über lediglich 16 Beteiligungen außerhalb des chinesischen Hoheitsgebiets. Dazu zählen acht europäische Häfen, wobei dort oft nur einer von mehreren Terminals mit betrieben wird. Nur bei drei solcher Beteiligungen beträgt der CSPL-Anteil mehr als 50 Prozent: Neben Piräus, das maßgeblich durch Einfluss der EU-Kommission zu 100 Prozent von CSPL betrieben wird, ist der Konzern an Terminals in Zeebrügge (mit 90 Prozent) und in Valencia (mit 51 Prozent) beteiligt. Für alle diese europäischen Beteiligungen beziffert CSPL die geplante jährliche Umschlagskapazität anteilig auf zusammen 22,71 Millionen TEU (Maßeinheit für 20-Fuß-Standardcontainer). Tatsächlich wurden davon 2021 laut CSPL rund 15,48 Millionen TEU Umschlag erreicht.
Debatte wirkt aufgesetzt
Vor dem Hintergrund solcher Zahlen wirkt der Streit um ein CSPL-Engagement beim Hamburger CTT ein bisschen aufgesetzt: An den drei heimischen HHLA-Terminals Altenwerder (CTA), Burchardkai (CTB) und CTT sind im Jahre 2021 rund 6,33 Millionen TEU umgeschlagen worden, wie groß der Anteil des CTT als kleinstem dieser drei Terminals ist, bleibt offen. Die HHLA sieht eine Minderheitsbeteiligung von CSPL als Chance, den CTT zum „bevorzugten Hub“ für Cosco-Verkehre in Europa zu machen, das schaffe „langfristig Planungs- und Beschäftigungssicherheit“. Trotz Zuversicht bleibt unklar, wie das erreicht werden soll: 2021 wurden in Rotterdam, Hamburgs stärkstem kontinentalen Konkurrenten, 15,3 Millionen TEU umgeschlagen. Auf den Euromax-Terminal, an dem CSPL mit 17,85 Prozent beteiligt ist, entfielen davon rund 2,66 Millionen TEU. Rotterdam ist jetzt für Cosco ein „preferred hub“: Wird dieser Status dann geteilt? Oder verlagert? Wenn ja, zu welchen Konditionen?
Allen bisherigen Kritikern des geplanten HHLA-CSPL-Deals ist allerdings eines gemeinsam: Immer geht es dabei nur um die angeblich wachsende chinesische Einflussnahme, nicht um die generelle Bedeutung solcher Beteiligungen. Weder Cosco-Anteile an anderen europäischen Häfen noch etwa das Cosco-Engagement in Duisburg (zufällig wurde gerade gestern dessen Aufgabe bekannt) hatten in der Vergangenheit derartige Aufregung verursacht. In Piräus etwa war Cosco durch die berüchtigte „Troika“ der EU-Kommission geradezu gedrängt, die Anteile am dortigen Hafen massiv aufzustocken. Und auch die Beteiligung anderer Terminalbetreiber an heimischen Häfen oder hiesiger Unternehmen wie der HHLA oder des Konkurrenten Eurogate an ausländischen Häfen erregten selten Aufsehen.
Offensichtlich kocht die ganze Diskussion jetzt nur deshalb so hoch, weil sie „Markt“-Anbetern ein Instrument bietet, sich medial zu präsentieren. Ob CSPLs strategischer Anspruch für Hamburg nun Chance oder Risiko bedeutet: Vielleicht sollten generell externe Beteiligungen an Terminals hinterfragt werden, um hiesige Häfen nicht derart zum Spielball werden zu lassen.