Skurril: Klimaschutz durch Weservertiefung?

Weni­ge Tage vor ihrem Jah­res­kon­gress „Weser­tag 2023“ haben die bei­den mit­ein­an­der ver­floch­te­nen Lobby-Organisationen Weser­bund und Wirt­schafts­ver­band Weser ges­tern in Bre­men eine Stu­die prä­sen­tiert, die den seit lan­gem geplan­ten Ver­tie­fun­gen von Außen- und Unter­we­ser eine eben­so auf­se­hen­er­re­gen­de wie skur­ri­le Nuan­ce ver­leiht: Die bekannt­lich in der Regi­on äußerst umstrit­te­nen Maß­nah­men trü­gen „zum Errei­chen der Kli­ma­zie­le“ bei – dar­auf muss man erst ein­mal kommen! 

Die ein­gangs wie­der­hol­te Behaup­tung, dass die als „Fahr­rin­nen­an­pas­sun­gen“ ver­harm­los­ten Bag­ger­or­gi­en „drin­gend not­wen­dig“ sei­en, um die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Häfen Bre­mer­ha­ven und Bra­ke zu sichern, ist bekannt­lich nicht neu und daher auch nicht ori­gi­nell. Anders sieht es schon aus mit der zitier­ten The­se, das wer­de hel­fen, „die Kli­ma­zie­le der Bun­des­re­gie­rung und der EU zu erreichen“.

Die bei­den auf­trag­ge­ben­den Lobby-Organisationen wer­den im Wesent­li­chen getra­gen von Gebiets­kör­per­schaf­ten ent­lang der Weser sowie von Fir­men und Insti­tu­ten der mari­ti­men Wirt­schaft. Ihre von zwei Ham­bur­ger Insti­tu­ten erstell­te Stu­die ist am Diens­tag in der Bre­mer Han­dels­kam­mer vor­ge­stellt wor­den. Erle­digt hat die­sen Job der gemein­sa­me Vor­sit­zen­de bei­der Lobby-Organisationen, der Bre­mer­ha­ve­ner SPD-Politiker Uwe Beck­mey­er: ehe­ma­li­ger Bre­mer Häfen­se­na­tor, ehe­ma­li­ger Bre­mer Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter, ehe­ma­li­ger Bre­mer Par­tei­chef, ehe­ma­li­ger Staats­se­kre­tär bei Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Sig­mar Gabri­el, ehe­ma­li­ger Mari­ti­mer Koor­di­na­tor der Bun­des­re­gie­rung – und, kaum ver­wun­der­lich, in all die­sen Funk­tio­nen jahr­zehn­te­lan­ger For­de­rer wei­te­rer Weservertiefungen.

Eher amü­sant als seri­ös liest sich auch die Infor­ma­ti­on, wem Beck­mey­er die Stu­die medi­en­wirk­sam über­reicht hat: Einer­seits dem Prä­ses der Han­dels­kam­mer Bre­men, Edu­ard Dubbers-Albrecht, ande­rer­seits dem Prä­si­den­ten der Olden­bur­gi­schen Industrie- und Han­dels­kam­mer, Jan Mül­ler. Und wie der Zufall es so will, ist Mül­ler nicht nur stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des besag­ten Wirt­schafts­ver­bands Weser, son­dern zugleich Eig­ner des gleich­na­mi­gen Bra­ker Hafen­be­triebs und wäre damit wenn nicht ein­zi­ger, so doch wesent­li­cher Nutz­nie­ßer einer Unterweservertiefung.

War­um „skur­ril“?

Es ist müßig, sich an die­ser Stel­le über jene Details der Stu­die, die die „Wett­be­werbs­fä­hig­keit“ der Häfen behan­deln, aus­zu­las­sen: Für alle, die es genau­er wis­sen wol­len, ist die Stu­die im Inter­net kos­ten­los abruf­bar. Des­halb sol­len hier nur zwei Berei­che ange­spro­chen wer­den, die die­ser Lobby-Initiative zum Prä­di­kat „skur­ril“ verhelfen:

  • Das betrifft zum einen die Behaup­tung, die so genann­ten Fahr­rin­nen­an­pas­sun­gen führ­ten zu einer „Ein­spa­rung von 225.000 Lkw-Fahrten pro Jahr“ und damit zu einer Sen­kung von CO2-Emis­sio­nen „um rund 51.000 Ton­nen pro Jahr“ sowie von „Luft­schad­stof­fen um etwa 233 Ton­nen pro Jahr“. Das lie­ge dar­an, dass Bre­mer­ha­ven und Bra­ke angeb­lich Eisen­bahn­hä­fen sei­en und damit Trans­por­te in den Zu- und Ablauf­ver­keh­ren wesent­lich emis­si­ons­är­mer sei­en als etwa Zu- und Abläu­fe gen Rot­ter­dam. Die die­ser The­se zu Grun­de lie­gen­de pau­scha­le Behaup­tung, dass ohne Weser­ver­tie­fung wesent­lich mehr Fracht­an­tei­le als heu­te über nie­der­län­di­sche (und bel­gi­sche) Häfen ver­la­den wür­den, ist aber lei­der eben­so alt wie sie auch hier in die­ser Stu­die wie­der unbe­wie­sen bleibt. Bei­spiel Bra­ke: Nur knapp zehn Pro­zent der anlau­fen­den Schif­fe wei­sen die im heuch­le­ri­schen Kon­text „Kli­ma­schutz“ ver­wen­de­te Berech­nungs­grö­ße von mehr als 40.000 tdw auf – ob aber deren Abla­de­tie­fe immer dem aktu­el­len Fahr­rin­nen­sta­tus geschul­det und nicht logis­ti­schen Fak­to­ren zuzu­schrei­ben ist, wird auch die­ses Mal nicht glaub­haft untersucht.
  • Zum ande­ren ver­blüfft die Stu­die mit der Aus­sa­ge, die so genann­ten Fahr­rin­nen­an­pas­sun­gen sei­en „mit ver­gleichs­wei­se rela­tiv nied­ri­gem Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men und Bag­ge­r­auf­wand rea­li­sier­bar“. Zwar ist dies inso­weit rich­tig, als die ent­spre­chen­den Berech­nun­gen mit der jüngs­ten Elb­ver­tie­fung ver­gli­chen wer­den – eine bei genaue­rer Betrach­tung voll­kom­men abwe­gi­ge Behaup­tung sowohl hin­sicht­lich des aku­ten Bag­ger­vo­lu­men bei Ver­tie­fung als auch bezüg­lich jähr­li­cher Unter­hal­tungs­bag­ge­run­gen. Zudem ist es – par­don – schlicht hand­werk­li­cher Unfug der Studien-Verfasser, die erfor­der­li­chen Inves­ti­tio­nen even­tu­el­ler Weser­ver­tie­fun­gen (noch ist ja kein kon­kre­ter Plan geneh­migt…) auf die besag­ten Bag­ger­gut­men­gen zu beschrän­ken und alle erfor­der­li­chen „Begleit­kos­ten“ wie bei­spiels­wei­se für öko­lo­gi­sche Aus­gleichs­maß­nah­men oder für den Umbau von Be- und Ent­wäs­se­rungs­sys­te­men beid­sei­tig der Unter­we­ser außer Acht zu lassen.

WATERKANT hat seit lan­gem immer wie­der den Streit um die geplan­ten Weser­ver­tie­fun­gen berich­tet und kom­men­tiert, des­halb sei es an die­ser Stel­le gestat­tet, nur kurz – und fokus­siert auf die Unter­we­ser – auf eini­ge wesent­li­che Lücken der hier beschrie­be­nen Stu­die hin­zu­wei­sen: Abge­se­hen von kom­ple­xen öko­lo­gi­schen Fol­gen wer­den die jüngst gera­de in der Weser­marsch laut vor­ge­tra­ge­nen Ein­wän­de der Land­wir­te eben­so wenig berück­sich­tigt wie die Inter­es­sen fluss­na­her Betrie­be, Was­ser­sport­ver­ei­ne, Fischer bzw. Ang­ler oder Tou­ris­mus­exper­ten – um nur eini­ge Bei­spie­le zu nen­nen. Auch die Fest­stel­lung des (gericht­lich gestopp­ten) Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses, dass durch die Ver­tie­fung beding­te Tide­hub­schwan­kun­gen sich in Form von Druck­wel­len kilo­me­ter­weit im Grund­was­ser aus­brei­ten kön­nen, dass also Anrainer-Immobilien in ihrer Sta­bi­li­tät latent gefähr­det sind, bleibt außen vor.

Es bleibt dabei: Nein zu den geplan­ten Weservertiefungen!

Zita­te in die­sem Bei­trag ent­stam­men der gestern
zeit­gleich mit der Stu­die ver­öf­fent­lich­ten Pres­se­mit­tei­lung der bei­den Lobby-Organisationen.

Über waterkant

WATERKANT-Redaktion